Wie die FDP Klimaschutz aushöhlen will

Verkehrsminister Volker Wissing und Finanzminister Christian Lindner bei der Klausurtagung in Meseberg 2023. Bild: Bundesregierung

Energie und Klima – kompakt: Neue Studien zeigen: Kein Klimaschutz wird uns teuer zu stehen kommen. Während die Bundesregierung zu wenig tut, setzt die FDP weiter auf Totalblockade. Warum die Liberalen dabei die Sektorziele ins Visier nehmen.

Bis 2050 könnten die Folgen der Klimaerwärmung in Deutschland volkswirtschaftliche Schäden in Höhe von 280 bis 900 Milliarden Euro verursachen, teilte das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in der vergangenen Woche mit. Zwischen 2000 und 2021 seien mindestens 145 Milliarden Euro Schäden durch die Folgen von Hitze, Dürre oder Überschwemmungen entstanden, 80 Milliarden davon seit 2018.

Die Berechnung der wirtschaftlichen Schäden nahm das IÖW gemeinsam mit der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung mbH (GWS) und der Prognos AG vor, beauftragt war die Untersuchung vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

Zu den finanziell messbaren Schäden kommen zahlreiche gesundheitliche Beeinträchtigungen, Todesfälle durch Hitze und Überflutungen, die Belastung von Ökosystemen, der Verlust von Artenvielfalt sowie die Minderung von Lebensqualität,

… hieß es beim IÖW weiter. Die eindeutige Botschaft lautet: Das Klima nicht zu schützen, ist teuer und schmerzhaft. Es scheint, als bräuchte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck selbst eine Argumentationshilfe, um mehr Klimaschutz in der eigenen Regierungskoalition durchsetzen zu können.

Ein Projekt für mehr Klimaschutz ist beispielsweise der Entwurf für ein neues Gebäudeenergiegesetz, über den wir an dieser Stelle berichtet haben. Allerdings war und ist Habecks Politik auch nicht gerade geprägt von einem ausreichenden Maß an Klimaschutz, etwa entsprechend den Zielen des deutschen Klimaschutzgesetzes oder gar des internationalen Ziels, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Jüngste Beispiele dafür sind der Deal mit RWE im Rheinland, schnell mehr Kohle abzubaggern, um dann 2030 damit aufzuhören, sowie die Schaffung von Überkapazitäten zum Import von Frackinggas.

Schuldzuweisungen der Ministerien untereinander können allerdings nicht dafür herhalten, den fehlenden Klimaschutz zu entschuldigen. Einem von der Nichtregierungsorganisation Germanwatch beauftragten Rechtsgutachten zufolge verstößt die Bundesregierung insgesamt gegen das Klimaschutzgesetz, auch wenn einzelne Sektoren ihre Ziele einhalten.

Der FDP sind die Sektorziele (also jährliche Emissionsgrenzen für die Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude oder Landwirtschaft) im Klimaschutzgesetz ohnehin ein Dorn im Auge. Wie die Deutsche Presseagentur berichtet, wollen führende FDP-Politiker diese am liebsten wieder aus dem Gesetz streichen. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Johannes Vogel und der Bundestagsfraktionsvize Lukas Köhler hätten ein Diskussionspapier verfasst, das der DPA vorliegt.

Kritik von allen Seiten

Vogel und Köhler würden stattdessen eine "mehrjährige sektorübergreifende Gesamtrechnung" vorschlagen. Emissionsreduktionen sollten stattdessen über den Emissionshandel erreicht werden. "Um die Klimaziele sicher zu erreichen, brauchen wir eine klare Obergrenze für die maximal zulässigen Emissionen und einen CO2-Preis, der sich am Markt bildet" so Köhler.

Der Vorstoß der FDP-Politiker ist im Prinzip nichts Neues in den Reihen dieser Partei. Bereits 2019 erklärte Köhler:

Mit dem Klimaschutzgesetz droht der deutschen Klimapolitik das planwirtschaftliche Chaos. Das Klein-Klein aus Sektorzielen und unabgestimmten Einzelmaßnahmen ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Die Umweltrechtsorganisationen Client Earth und Green Legal Impact (GLI) haben sich in einer juristischen Kurzstudie mit der Bedeutung der Sektorziele im Klimaschutzgesetz befasst und kommen zu dem Ergebnis, dass diese nicht einfach ersatzlos gestrichen werden dürfen.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht dürfen die sektoralen und jahresspezifischen Ziele nicht ersatzlos gestrichen werden, denn das BVerfG hat dem Gesetzgeber für die Klimapolitik aufgegeben, dass er durch eine möglichst frühzeitige Einleitung von Entwicklungs- und Umsetzungsprozessen Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermitteln muss,

heißt es in der Studie. Christiane Gerstetter, Juristin bei ClientEarth und Co-Autorin der Studie erläutert:

Ohne solche Zielvorgaben fehlt den Behörden bei ihren Entscheidungen ein klimabezogener Maßstab. Das gilt ebenso für eine mögliche gerichtliche Überprüfung solcher Entscheidungen.

Im Gegenteil fordern die beiden Organisation eine weitere Konkretisierung und Schärfung der Vorschriften aus dem Klimaschutzgesetz. "Das besondere verfassungsrechtliche Gewicht des Klimaschutzes muss sich endlich auch in der Planungs- und Genehmigungspraxis widerspiegeln. Dafür brauchen die Behörden konkrete Leitlinien, Standards, Anwendungsdirektiven und Verwaltungsvorschriften," erklärt Philipp Schönberger, Referent bei GLI und Mitverfasser der Untersuchung.

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