Wie die Waffenlobby den US-Diskurs über den Ukraine-Krieg beeinflusst
Seite 2: "Alles, was Kiew braucht, sind Waffen und Munition"
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Wie genau die Arbeit der für die Meinungsbildung über Außen- und Sicherheitspolitik prägenden Organisationen durch die jeweiligen Geldgeber beeinflusst wird, ist laut Studie schwierig zu beurteilen. Die meisten versichern, dass ihre Experten unabhängig arbeiten.
Die Rolle der Selbstzensur, aber auch die Auswahl der Wissenschaftler und ihre Einstellungen als Voraussetzung für die Beschäftigung, spielen aber sicherlich eine Rolle. In einigen bekannt gewordenen Fällen griffen die Geldgeber aber auch selbst in die Forschung ein.
Auch wenn eine direkte Kausalität nicht nachgewiesen werden kann, lässt sich dennoch eine Korrelation erkennen. So sind die Experten größtenteils der Meinung, dass jene Lösungen, die ihren Financiers zugutekommen, auch die besten Entscheidungen seien.
Trotz des realen Risikos, dass die Eskalation dazu führen könnte, dass die USA direkt in den Krieg involviert werden, haben nur wenige Denkfabriken diese rekordverdächtigen Entscheidungen [in Bezug auf die Waffenlieferungen] kritisch analysiert,
… sagt der leitende Studien-Autor.
Ein Jahr nach Beginn des Ukraine-Kriegs, im Februar, brachte das Center for Strategic and International Studies die Studie "Hilfe für die Ukraine: Viel mehr als Panzer" heraus. Das Atlantic Council veröffentlichte zeitgleich die Untersuchung: "Panzer sind überlebenswichtig, aber die Ukraine wird viel mehr benötigen, um Putins Russland zu besiegen".
In diesen Studien wurde für eine verstärkte Entsendung von militärischer Ausrüstung durch die USA zur Unterstützung der Ukraine geworben. Die Hilfe sollte nicht nur aus humanitären Gründen erfolgen, sondern auch, um einen größeren Krieg zu verhindern.
Andere Institutionen wie die Rand Corporation betonen sogar, dass der Kampf der Ukrainer gegen Russland die Sicherheitslage der Vereinigten Staaten gegenüber China verbessern könne. Experten u.a. vom Hudson Institute nehmen dabei kein Blatt vor den Mund:
Alles, was Kiew braucht, sind Waffen und Munition.
Man plädiert dafür, dass die Ukraine die Krim zurückerobern müsse.
Diese kriegerische Eskalation würde natürlich die Kassen der Waffenhändler weiter füllen, da Russland eine militärische Rückeroberung der Halbinsel ausdrücklich nicht toleriert. In einem Papier des Atlantic Councils wird zudem argumentiert, dass die Ukraine das Recht hätte, auch in Russland kritische Infrastrukturen anzugreifen, was zu einem direkten Konflikt mit jenen Nato-Staaten führen könnte, die die Waffen dafür liefern.
Kein Geld von Waffenherstellern: Fokus auf friedlichere Maßnahmen
Die Rolle der Diplomatie wurde lediglich von Denkfabriken als wichtig erachtet, die kaum oder gar nicht von der Rüstungslobby finanziert werden. Sie konzentrieren sich in ihren Äußerungen auf die Politik und Missstände innerhalb von Russland. Als Beispiel wird das Carnegie Endowment genannt. "Viele ihrer Beiträge sind eher erklärend als vorschreibend", stellt Freeman fest.
Die Denkfabriken schlagen also selbst keine Lösungen vor, und sprechen sich nicht für bestimmte Maßnahmen aus. Sie wollen lediglich über bestimmte Themen informieren. Wenn von ihren Experten konkrete Handlungsempfehlungen abgegeben werden, plädieren sie dafür, die Verantwortung an die Europäer zu übergeben und das US-Engagement auf europäischem Boden zu reduzieren.
Think-Tanks ohne finanzielle Verbindungen zur Rüstungsindustrie beschäftigten sich mit unterschiedlichen Themen wie der Rolle der Religion in Russland und der Ukraine, wer wirtschaftlich vom Krieg im Kreml profitiert und wie es um die Beziehungen zu anderen ehemaligen Sowjetstaaten derzeit steht.
Als Beispiel wird das Center for American Progress erwähnt. Es spricht sich dafür aus, dass die USA die Ukraine weiterhin unterstützen sollten, jedoch nicht mehr in erster Linie auf dem Schlachtfeld. Positiv wird von der Studie auch die Heritage Foundation hervorgehoben, die in diesem Jahr aufgrund des Krieges auf Gelder von der Rüstungsindustrie verzichtet hat.
Die in den Medien meistzitierte Institution ohne Verbindung zum Militär ist Human Rights Watch. Doch die NGO taucht kaum auf, wenn es um ihr Werben um diplomatische Lösungen geht.
Die meisten Zitate der Menschenrechtsorganisation in den Medien beziehen sich vielmehr auf die Diskussion rund um russische Kriegsverbrechen und deren juristische Aufarbeitung sowie auf die Konsequenzen von bestimmten Waffen. Im Fokus stehen also Menschenrechtsfragen und Verstöße gegen das Völkerrecht.
Die Studie des Quincy Institutes stößt aber auch an Grenzen. Gefragt wird zum Beispiel nicht danach, welche Denkfabriken sich überhaupt mit den Ursprüngen des Konfliktes befassen oder die Effekte der kapitalistischen Weltordnung mit seinen globalen Ungleichheiten auf den Krieg einbeziehen.
Auch wird nicht untersucht, ob dieser Konflikt, der das Potenzial für einen Weltkrieg hat, von den zitierten Experten in Verbindung gesetzt wird mit den gleichzeitig stattfindenden massiven Veränderungen des Planeten durch den Klimawandel. Die Untersuchung bleibt begrenzt darauf, inwiefern Geld von Rüstungsunternehmen über den Transmissionsriemen Denkfabriken die öffentliche Meinungsbildung beeinflusst und verengt.
Und hier ist das Ergebnis unmissverständlich:
Keine der hier analysierten Medienerwähnungen enthielt Offenlegungen zur Finanzierung dieser Denkfabriken durch die Rüstungsindustrie, obwohl einige der empfohlenen Maßnahmen ihren Geldgebern finanziell zugutekommen.
Doch nicht nur diese Interessenkonflikte wurden in der Öffentlichkeit ausgeblendet, so das Quincy Institute. Die Medien vertrauten zugleich auch den Empfehlungen der Experten, die letztlich von der Waffenindustrie bezahlt werden. Das ist ein Armutszeugnis für eine Presse, die die Bürger mit belastbaren Informationen versorgen soll – insbesondere, wenn es um so wichtige Fragen wie Krieg und Frieden geht.