Wie die irakische Provinz al-Anbar rechtzeitig zum Bush-Besuch befriedet wurde

Und was sonst noch im Zweistromland geschah

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Diesen Montag, am amerikanischen "Labour Day", an dem traditionell die neuen Staffeln der Fernsehkomödien anlaufen, machte der amerikanische Präsident George W. Bush einen Blitzbesuch in der irakischen Provinz al-Anbar. Sie liegt im trockenen Westen des Landes, grenzt an Saudi-Arabien, Jordanien und Syrien und wird überwiegend von Sunniten bewohnt. Der Besuch gilt als Teil einer Propagandaoffensive, durch die ein Verbleib der US-Truppen mit sichtbaren "Fortschritten" in der Befriedung des Landes begründet werden soll.

Al-Anbar ist die Provinz mit der Nummer 13 Karte: Wikimedia Commons Das Bild IraqNumbered.png stammt aus der freien Mediendatenbank Wikimedia Commons und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation.

Es ist keine leichte Aufgabe, gute Nachrichten aus dem Irak zu finden. Deshalb schraubte man im Laufe der Zeit die Ansprüche so herunter, dass es mittlerweile ausreicht, wenn man irgendwo herumlaufen kann ohne beschossen oder anderweitig an Leib und Leben gefährdet zu werden.

In der von Bush besuchten Provinz al-Anbar wurden im Juli 2007 zwanzig US-Soldaten von Einheimischen getötet. Die Gesamtzahl der toten amerikanischen Soldaten im Irak lag in diesem Monat bei 79. Damit geht über ein Viertel der getöteten US-Soldaten auf das Konto von Einwohnern dieser Provinz. Eine bemerkenswerte Quote, wenn man bedenkt, dass in al-Anbar nur etwa 1/24 der Einwohner des Irak lebt. Das statistische "Soll" wurde damit – wie der Blogger Juan Cole süffisant bemerkte – um das sechsfache übererfüllt.

Tauglicher für eine "gute Nachricht" ist die Zahl der gewalttätigen Angriffe auf US-Soldaten, von denen es in der Provinz im Juni 2007 ungefähr 100 gab - im Jahr davor lag deren Zahl nämlich noch bei etwa 400.

Wie konnte man die Rate von Anschlägen derart senken? Ein Teil des Erfolgs lag möglicherweise im Bündnis mit den Führern von 25 der 31 wichtigsten arabischen Stämme in der Provinz im Rahmen des sogenannten "Anbar Awakening". Das brachte den örtlichen Scheichs nicht nur Machtzuwachs, sondern auch amerikanische Waffen. Mit letzteren lassen sich, wenn sich der Wind wieder drehen sollte, allerdings nicht nur ausländische Islamisten, sondern auch die Amerikaner bekämpfen – sie sind also, im wahrsten Sinne des Wortes, "zweischneidige Schwerter".

Eine andere sehr effektive Methode bestand in einer Art radikalen Form von Tempolimit in der Stadt Falludscha, einem Zentrum der Gewalt in der Provinz: Der Individualverkehr wurde dort kurzerhand ganz verboten. Nimmt man allerdings den alten deutschen Slogan "Freie Fahrt für freie Bürger" als Maßstab für den Grad der Befreiung, dann ist in dieser Hinsicht für die Einwohner der Stadt nicht unbedingt ein Zugewinn dieses von den Amerikanern vor dem Einmarsch versprochenen Grundrechts zu konstatieren. Auch der ökonomischen Entwicklung war das Verbot nicht unbedingt zuträglich. Die Fabriken wurden fast alle geschlossen und die Arbeitslosenquote soll bei etwa 80% liegen.

Zum anderen wurde die relative Ruhe nach Vorwürfen des Institute for Policy Studies teilweise auch mit Methoden erzwungen, deren Anwendung durch das alte Regime gerade als Rechtfertigung für den Einmarsch herangezogen wurde: Leute, die nach einer Festnahme durch die Polizei "verschwinden" und deren Körper später irgendwo aufgefunden werden oder die Inhaftierung von Journalisten ohne Anklage.

Allerdings reichte auch dieser Preis nicht, um vollständige Ruhe zu erkaufen. Zwar sind jetzt weniger US-Soldaten die Opfer – aber es gibt ja noch irakische Zivilisten: Im Juni wurden im gesamten Irak 1.227 Zivilisten Opfer von Anschlägen, im Juli 1.753 und im August 1.773.

Währenddessen begannen die Briten in Basra mit dem Truppenabzug und verlegten 500 Soldaten von der Innenstadt an den Flughafen. Dort sollen sie nur noch auf Anforderung der irakischen Regierung zu Einsätzen ausfahren. Die streitet derweilen über einen Besuch des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad: Während ausgerechnet der von Bush unter den irakischen Parteien am stärksten geförderte OIRI für den Besuch ist, sind die Sunniten die stärksten Verfechter der amerikanischen Forderung, den Besuch in Bagdad abzusagen. Andere Streitpunkte sind die Endlosthemen "Debaathifizierung" und Ölgesetz.