Wie geht es mit dem europäischen Satellitensystem Galileo weiter?

Ab morgen diskutieren die europäischen Verkehrsminister wieder über die Finanzierung - und wahrscheinlich auch über die Probleme mit der militärischen Nutzung des geplanten Systems

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Morgen und übermorgen treffen sich die Verkehrsminister der EU in Stockholm, um unter anderem über das weitere Vorgehen des geplanten europäischen Satellitennavigationssystem Galileo zu beraten. Bei der letzten Tagung im Dezember 2000 konnten die Minister keine Einigung erzielen und hatten den für den 1. Januar 2001 anvisierten Beginn der Entwicklungsphase noch einmal verschoben (Verkehrsminister uneinig über europäische Satellitennavigation). Neben der Finanzierungsfrage gibt es Uneinigkeit auch darüber, ob das Konkurrenzunternehmen zum amerikanischen GPS auch militärisch genutzt werden soll.

Offiziell geht es unter der schwedischen Präsidentschaft aber vordringlich um die finanziellen Probleme. Geklärt werden soll von den Ministern, wie die Privatwirtschaft zur Finanzierung der zu erwartenden Kosten in Höhe von 3,25 Milliarden Euro mit herangezogen werden kann. Auch Deutschland war dafür, auf der letzten Sitzung den Beschluss zu verschieben. "Die deutsche Seite kann keinen Blankoscheck ausstellen. Wir können nicht öffentliche Gelder in Milliardenhöhe vorleisten, ohne dass eine angemessene private Beteiligung sichergestellt ist", sagte Minister Bodewig nach dem Ratstreffen.

Problematisch ist vor allem, ob die Privatwirtschaft überhaupt für Investitionen in Galileo gewonnen werden kann, nachdem die USA sicherheitshalber im Mai 2000 die zivile Nutzung des eigenen Systems durch höhere Auflösung verbessert haben, das zudem kostenlos zur Verfügung gestellt wird (Global Positioning System ist jetzt für die zivile Nutzung genauer).

Für die Entwicklungsphase von Galileo sind bis zum Jahr 2005 1,1 Milliarden Euro vorgesehen, die von der EU und der europäischen Weltraumbehörde ESA kommen, die restlichen 2 Milliarden werden dann von der Privatwirtschaft erwartet. Beabsichtigt ist, ein Grundsignal allen Nutzern kostenlos zur Verfügung zu stellen, für genauere Signale sollen aber gebühren erhoben werden. Sichere Signale sollen schließlich den Behörden für Sicherheitszwecke wie der Kontrolle des Straßen-, Luft- und Seeverkehrs zur Verfügung stehen.

"Galileo's new technology will revolutionise our transport systems, increasing safety and improving efficiency; this will make for better quality of life and less pollution in our cities. Galileo will also bring benefits in other aspects of everyday life, with precision farming raising yields, improved information for emergency services speeding up response times, and more reliable and accurate time signals underpinning our most vital computer and communications networks." (ESA)

An sich ist die Realisierung des Systems mit 30 Satelliten, die für das Jahr 2007 vorgesehen ist, aber schon seit zwei Jahren beschlossene Sache (Die EU will ein eigenes Global Positioning System schaffen). Auch die EU-Kommission hatte sich Ende des letzten Jahres in einer Empfehlung für Europäische Parlament und den Rat für das System ausgesprochen. Noch einmal dringlich wurde ein eigenes Satellitensystem aber neben kommerziellen Aspekten auch während des Kosovo-Krieges, als die europäischen Verbündeten zu sehr von der US-amerikanischen Aufklärung abhängig waren. Besonders Frankreich drängt auf eine auch militärische Nutzung. Betont wird aber auch, dass Galileo deswegen wichtig sei, weil sowohl das amerikanische GPS als auch das russische GLONASS keine Garantie für einen kontinuierlichen Betrieb geben, da beide Systeme in der Hand von Militärs sind.

Der in der sozialdemokratischen Fraktion des Europäischen Parlaments für Galileo zuständige Abgeordnete Ulrich Stockmann hat jetzt eine Anfrage an den Ministerrat gerichtet. Er möchte wissen, "welche Schritte der Rat unternehmen möchte, damit Galileo ab April 2001 in die nächste Entwicklungsphase gehen kann". Da es der EU-Kommission kürzlich gelungen sei, dass die Privatwirtschaft sich an den Entwicklungskosten beteilige, stünde dem Start nichts mehr im Wege. Stockmann sieht aus der zivilen Nutzung eine "Milliardenindustrie für das 21. Jahrhundert" und staufreie Straßen, Schiffsrouten und Lufträume entstehen.

Stockmann äußert allerdings den Verdacht, dass es bei den Verzögerungen nicht nur um das Geld geht. Möglicherweise wollen manche Mitgliedsstaaten das System prinzipiell nicht, da es hier eben auch um umstrittene sicherheitspolitische Fragen gehe. So lehnen es Dänemark, Schweden und die Niederlande, aber auch Großbritannien - vermutlich aus unterschiedlichen Gründen - ab, dass das Militär das System nutzen könne, während Frankreich dies befürwortet. Für Stockmann ist vorerst klar: "Galileo muss zunächst ein ziviles Projekt sein, und daran darf auch kein Zweifel aufkommen. Wenn das Programm neben der Finanzierung an den eventuellen militärischen Kapazitäten des Navigationssystems zu scheitern droht, dann muss man diesen Punkt eben erstmal unter den Tisch fallen lasen, um den Weg in den Orbit frei zu machen." So aber hieße das auch, man verschiebt das Thema und bringt es dann wieder ein, wenn Galileo einmal genügend weit entwickelt wurde.