Wie weiter mit Deutsche Wohnen & Co enteignen?
Die Mehrheitsentscheidung der Berliner Stadtgesellschaft droht unter der "rot-grün-roten" Regierung verschleppt zu werden. Eindrücke von einer Podiumsdiskussion über Gegenstrategien
Wie hält es die neue "rot-grün-rote" Koalition in der Hauptstadt mit der erfolgreichen Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen? Dieser Frage widmete sich am Mittwochabend eine Online-Podiumdiskussion, mit Berliner Stadtteil- und Mieterinitiativen, die das Volksbegehren unterstützten, und der Linke-Politikerin Katalin Gennburg. Moderiert wurde die Debatte von Ines Schwerdtner vom linkssozialdemokratischen Magazin Jacobin.
Zu den Diskussionsteilnehmern gehörten Rouzbeh Taheri für Deutsche Wohnen & Co. enteignen, Matthias Clausen sowie Philipp Vergin und Markus Kammermaier von den Berliner Stadtteilinitiativen Kotti & Co und Bizim Kiez sowie Reiner Wild und Franziska Schulte vom Berliner Mieterverein.
59,1 Prozent der wahlberechtigten Berliner Bevölkerung hatten am 26. September für die Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen mit mehr als 3000 Wohnungen beziehungsweise deren Rückkauf gestimmt. Mit den Stimmen von Berlinerinnen und Berlinern ohne deutschen Pass wäre die Mehrheit womöglich noch deutlicher ausgefallen.
Es handelt sich zu großen Teilen um Wohnungen, die vor mehr als 15 Jahren vom Senat verkauft worden waren. Bei Rücküberführung in Gemeineigentum gemäß Artikel 15 GG wäre eine Entschädigung fällig, über deren Höhe es unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt. Man kann daher auch von einem Rückkauf sprechen.
Die Initiative geht aber nicht davon aus, dass sich die Entschädigung am Marktwert orientieren müsste, da im Grundgesetz von "gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten" die Rede ist. Deshalb hat sie den Begriff "Enteignen" gewählt, was bei Teilen der außerparlamentarischen Linken auf Kritik stieß.
Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat schon im Wahlkampf deutlich gemacht, dass sie von den Forderungen der Initiative nichts hält. Teile der Grünen, vor allem aber Die Linke haben sie dagegen unterstützt und sehen sich in die Pflicht, die Forderung des Volksbegehrens jetzt auch in der Regierung durchzusetzen.
Nach kurzen innerparteilichen Diskussionen über die Fortsetzung der Koalition nahm die neue Regierung relativ geräuschlos ihre Arbeit auf. Dabei wurde die Prüfung von Möglichkeiten zur Umsetzung des Volksbegehrens einer Kommission übertragen, die im März 2022 eingesetzt werden und ein Jahr lang tagen soll.
Dabei gibt es schon jetzt keine Einigung darüber, ob es dort nur darum gehen soll, Wege zu finden, wie die Vorgaben des Volksbegehrens umgesetzt werden können – oder ob in der Kommission die Forderung nach Vergesellschaftung solange hin- und her gewendet wird, bis der Druck der Bevölkerung nachlässt.
Dazu gibt es bereits einige Erfahrungen bei vorherigen Volksbegehren. Darüber machten sich die Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer mit Recht keine Illusionen.
So hat die Kommission nach Ansicht von Matthias Clausen auch die Aufgabe, einen gesellschaftlichen Konsens herzustellen und gleichzeitig die Mieterinnen und Mieter, die sich in den letzten Jahren organisiert haben, zu entmutigen. Er fordert, dass die Initiative die Reißleine gegenüber der SPD zieht, wenn deutlich wird, dass ihre Ziele nicht durchgesetzt werden.
Philipp Vergin von Bizim Kiez beschwört die Notwendigkeit, dass die Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen nicht gegen die Wand gefahren wird, Dazu stehe zu viel auf dem Spiel. Er erinnert daran, dass die Enteignungsforderung, die in der sozialistischen Arbeiterbewegung entstanden war und Eingang in Gewerkschaftsprogrammen gefunden hatte, lange Zeit völlig verschüttet war und durch die Initative wieder ausgegraben und in die politische Debatte eingeführt wurde. Vergin warnt vor Illusionen über das Ergebnis, falls eine Gesetzesinitiative zur Umsetzung des Volksbegehrens vom Bundesverfassungsgericht entschieden wird.
Gegen die "Verampelung" der Berliner Politik
Katalin Gennburg, Mitglied der Fraktion Die Linke im Abgeordnetenhaus und Kritikerin der neuen Koalition, befürchtet, dass die SPD im Alleingang Tatsachen schaffen könnte. Schließlich könnte darin der Grund liegen, warum die SPD sich mit allen Mitteln den Zugriff auf Amt für Bauen und Wohnen gesichert hat und so verhinderte, dass Die Linke das Amt wie in der letzten Koalition weiterführt.
Gennburg erklärte am Mittwoch, dass sie ehrlicherweise nicht sagen kann, dass es in der geplanten Kommission nur um das Wie und nicht auch das Ob der Umsetzung geht. Mietervereinssprecher Reiner Wild benennt als Grundproblem, das der Ball jetzt bei der Berliner Politik liegt – und die Ursache ist hausgemacht.
Die Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen hat kein Gesetz zur Abstimmung gestellt und schon in der Formulierung des Volksbegehrens den Auftrag an die Politik abgegeben. Das war schon länger ein Kritikpunkt in Teilen der außerparlamentarischen Linken in Berlin, die allerdings in der Online-Debatte nicht vertreten waren. Hier waren die Befürworter der faktischen Rückkaufinitiative unter sich.
Dabei wäre es sinnvoll, auch mit den Kritikern in der außerparlamentarischen Bewegung das Gespräch zu suchen. Denn nur gemeinsam kann der Druck aufgebaut werden, der auf jeden Fall nötig sein wird, um die Forderungen durchzusetzen. Das war auch allen Diskussionsteilnehmern bewusst.
Sie betonten unisono, dass sich für die Chancen für die Durchsetzung der Mieterinteressen im Vergleich zur vorherigen Berliner Koalition verschlechtert haben. Clausen machte das schon an den Formulierungen im Koalitionsvertrag fest. Während im letzten Koalitionsvertrag zumindest verbal Mieterinteressen berücksichtigt wurden, dominiert jetzt das Bekenntnis zu einer kapitalistischen Stadtentwicklung.
Auch die Parlamentarierin Gennburg bekannte, dass es schwer sein wird, in Berlin eine Alternative zur Politik der sogenannten Ampel-Koalition im Bund anzubieten. Schließlich sitzen in beiden Regierungen Vertreter der SPD und der Grünen mit am Regierungstisch. Ob Die Linke aber bereit sein wird, die Regierung in Berlin zu verlassen, wenn die Forderungen des Volksbegehrens verschleppt werden, muss sich erst noch zeigen.
Gennburg hat mehrfach versichert, dass sie dafür eintreten werde. Sie erinnerte auch daran, dass die Berliner Mieterinitiativen beim Kampf um die Neugestaltung des Hermannplatzes zwischen Neukölln und Kreuzberg wohl bald eine Niederlage erleiden werden. Sie wehren sich gegen eine Umgestaltung des Platzes im Sinne des Investors Benko, dessen Pläne aber von der SPD unterstützt werden.
Nun kann man sich fragen, ob an diesen Punkt die Mieterinitiativen schon mal auf die Niederlage eingestimmt werden, die sie dann auch im Fall der Vergesellschaftung erleiden könnten. Etwa dann, wenn sich in der Kommission die Auffassung durchsetzt, dass die Forderung trotz "gerechter Abwägung der Interessen" auf einen unbezahlbaren Rückkauf hinauslaufen würde.
Auf die eigene außerparlamentarische Kraft vertrauen
Bedingt durch die Corona-Regeln ist es auch erschwert, auf die Straße zu gehen und viele Menschen für eine Vergesellschaftung zu mobilisieren. Dass auch die sehr gut "besuchte" Podiumsdiskussion nur online stattfinden konnte, macht die Probleme einmal mehr deutlich.
Man kann sich dort gut austauschen, aber eine Protest- und Widerstandsdynamik kann so nicht entstehen. Das soll am Wochenende des 22. und 23. Mai anders sein, wenn in Berlin die bundesweite Enteignungskonferenz über weitere Schritte berät.
Dort werden auch Aktive aus anderen Bundesländern teilnehmen, die dort nach dem Vorbild von Deutsche Wohnen & Co. enteignen ähnliche Initiativen beispielsweise gegen Vonovia planen. Reiner Wild hat mit seinen Hinweis, dass es bald auch weitere Probleme im Berliner Wohnungsbestand geben wird, deutlich gemacht, dass die Mietenproblematik sich nicht in der Durchsetzung der Forderungen des Volksbegehrens erschöpft.
Fragen nach einem neuen kommunalen Wohnungsbau, wie sie die nicht bei der Podiumsdiskussion vertretene Berliner Mietergemeinschaft fordert, gehören ebenso auf die Tagesordnung. Matthias Clausen hat sehr berechtigt betont, dass die Initiativen nicht in erster Linie auf die Regierungskonstellation schauen, sondern sich auf ihre außerparlamentarische Stärke besinnen sollten.
Dabei müsste allerdings auch die Diskussion mit den Teil der außerparlamentarischen Linken gesucht werden, die sich nicht an der Rückkaufinitiative beteiligt haben. Denn ohne sie wird der nötigen außerparlamentarische Druck wohl kaum zustande kommen.
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