Wie wir in Deutschland 50 Millionen Elektroautos aufladen können

Seite 3: Für gewerblichen Sektor übliche Energiemengen

Rechnen wir das kurz durch: Möchte der Betreiber eines Ladeparks seinen Kunden den Service anbieten, dass 50 von ihnen gleichzeitig mit 300 Kilowatt laden wollen, dann muss er bei voller Belegung 15 Megawatt zur Verfügung stellen. Mit einem ordinären Hausanschluss ist das in der Tat nicht zu machen, aber im gewerblichen Sektor sind solche Energiemengen nicht unüblich.

Eine Pipeline-Pumpe, die zum Beispiel Rohöl aus Südeuropa ins Rhein-Neckar-Gebiet transportiert, zieht zwischen 1,6 und 2,2 Megawatt aus dem Netz. Davon werden dutzende benötigt, damit der Transport über die gesamte Strecke funktioniert, die ganze Pipeline beansprucht also konstant um die 50 Megawatt aus hiesigen Kraftwerken.

Der Ladepark-Betreiber könnte als Gewerbekunde beim örtlichen Stromversorger also einfach die Abnahme von maximal 15 Megawatt beauftragen. Die Frage wäre nur, ob es sonderlich wirtschaftlich wäre, diesen theoretisch denkbaren Maximalbedarf vorzuhalten. Nur wenige Modelle können überhaupt 300 Kilowatt abrufen, und selbst die tun das nicht konstant, da die Ladeleistung sinkt, je voller die Batterie ist. So ist es rein statistisch extrem unwahrscheinlich, alle Ladeplätze mit Fahrzeugen belegt zu haben, die gleichzeitig die Höchstleistung von 300 Kilowatt abrufen.

Der aktuell größte Ladepark Europas liegt nahe dem Autobahnkreuz von A3 und A46 in Hilden. Dort sind sogar 114 Ladeplätze installiert worden, ohne so hohe Leistungen wie im obigen Beispiel beim örtlichen Stromversorger abrufen zu müssen. Dazu hat der Betreiber selbst vorgesorgt: Das Dach der Ladepunkte ist mit genug Solarzellen bestückt, um maximal 700 Kilowatt einzuspeisen. Sollten diese nicht komplett benötigt werden, laden die Zellen eine Zwei-Megawattstunden-Pufferbatterie auf.

Erst wenn diese beiden Komponenten nicht mehr genug Kapazität für die Nachfrage haben, wird zusätzlicher Strom von den Stadtwerke Hilden bezogen, die dort einen Sechs-Megawatt-Anschluss verlegt haben. Dieser reicht aus, weil die Puffersysteme die größten Leistungsspitzen abfangen und die Ladevorgänge sich gleichmäßig über den Tag verteilen.

Steueranlagen drosseln Kapazitäten

Und selbst wenn all diese Pläne zunichtegemacht werden, weil der Tesla-Fanclub Garmisch-Partenkirchen mit 100 Leuten gleichzeitig dort einkehrt, gehen in Hilden auch nicht die Lichter aus: Eine Steueranlage schreitet ein, wenn zu viele der Fahrzeuge gleichzeitig sehr hohe Ladeströme aus dem Netz zu ziehen versuchen und drosselt die Kapazität.

Kritiker werden nun anmerken, dass nicht alle Stadtwerke mal eben sechs zusätzliche Megawatt bereitstellen können oder ggf. auch Umspannwerke errichten müssen, um die Ladepunkte der Zukunft versorgen zu können. Ja, nicht alle Verteilnetze sind heute darauf ausgelegt, hier werden Investitionen erfolgen müssen. Das Energieunternehmen Eon rechnet mit etwa 400 Euro Investitionen pro E-Auto bis 2045, bezogen auf den Eon-Kundenstamm sind das fünf Milliarden Euro. Klingt erst mal viel, aber der Konzern plant ohnehin mit einem Vielfachen dieser Summe für die Investitionen in dieser Zeit.

Zudem lässt sich auch das mit einem automatischen Lademanagement noch verringern: Intelligente Netze können in Zukunft erkennen, ob viele Schnellladevorgänge aktiv sind und solange die Ladevorgänge an den Hausanschlüssen verschieben. Ob dort die ohnehin nur auf 80 Prozent entleerten Batterien der Pendler um 21 Uhr abends oder um zwei Uhr nachts mit dem Nachladen beginnen, ist für das Endergebnis irrelevant.

Fazit: Ja, es ist noch einiges zu tun. Wir brauchen mehr Kraftwerkskapazitäten und in Teilen auch robustere Netze, aber da dieser Wandel nicht innerhalb von Tagen, sondern eher von Jahrzehnten geschieht, sind diese Herausforderungen alle machbar.

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