Wieder ein Nowitschok-Vorfall bei Salisbury
Britischer Sicherheitsminister macht Russland nicht direkt verantwortlich, aber versucht den Anschlag auf Skripals zu verbinden. Das Militärlabor Porton Down liegt zwischen Amesbury und Salisbury
Am 30. Juni war zuerst eine Frau und dann ihr Partner in ihrem Haus in Amesbury in der Nähe von Salisbury kollabiert. Sie wurden in das Krankenhaus von Salisbury gebracht, in dem auch die Sergei Skripal und seine Tochter behandelt worden waren. Zunächst bestand der Verdacht, dass der Zustand von Charlie Rowley und Dawn Sturgess auf Drogenmissbrauch zurückgeführt werden könnte, dann aber erklärte gestern die Polizei, dass die beiden in Kontakt mit dem Nervengift Nowitschok gekommen seien. Das habe das Militärlabor in Porton Down herausgefunden. Die beiden stünden in keinem Zusammenhang mit den Skripals. Noch ist nicht gerade viel über sie bekannt.
Unklar sei, ob es sich um dasselbe Nowitschok wie bei den Skripals handelt. Es gebe aber kein größeres Gesundheitsrisiko für die Allgemeinheit, erklärte die Gesundheitsbehörde, nur zur Sicherheit seien 5 Orte, an denen sich das Paar aufgehalten habe, abgesperrt worden, wobei es sich um andere Orte als im Skripal-Fall handelt. Sicherheitshalber sollten die Menschen, die sich dort aufgehalten haben, aber dennoch ihre Kleidung waschen und ihre Geräte abwischen. Die Tücher könnten sie dann in den normalen Müll geben.
Die Entwarnung ist unverständlich, wenn noch nicht bekannt ist, wie das Paar in Kontakt mit dem Nowitschok geraten ist. Heute sagte Sicherheitsminister Ben Wallace, die Polizei bemühe sich, Gefahren von der Bevölkerung abzuwehren, man könne aber nicht zu hundert Prozent garantieren, dass eine weitere Kontamination stattfindet.
Wallace machte Russland nicht direkt verantwortlich, aber zeigte dennoch mit dem Finger auf Moskau und brachte die Kontamination mit dem Anschlag auf die Skripals zusammen: "Die Arbeitshypothese ist, dass dies Opfer in der Folge des vorhergehenden Anschlags sind oder von irgendetwas anderem, aber dass sie nicht direkt angegriffen wurden. Das hieße, die Polizei geht davon aus, dass sich das Paar zufällig kontaminiert hat, aber auch, dass möglicherweise Behälter oder Spritzen, die für den Anschlag auf Skripal verwendet wurden, noch irgendwo herumlagen.
Da aber offenbar die Ermittlungen noch nichts weiter ergeben haben, ist die erneute Beschuldigung "Russlands" - immer unklar, wer damit genauer gemeint ist - als Ausdruck politischen Interesses zu werten, zumal schließlich auch der Skripal-Fall noch nicht aufgeklärt ist. Wallace wiederholte dennoch die Beschuldigung, dass es sich beim Skripal-Fall um einen "rücksichtslosen Angriff auf das Herz eines sehr friedlichen Teils Großbritanniens" gehandelt habe: "Das ist Teil meines Ärgers über den russischen Staat, dass sie sich dafür entschieden, ganz klar eine sehr, sehr toxische, hochgefährliche Waffe zu benutzen."
Mit aller Macht soll die russische Regierung auch mit diesem Vorfall verbunden werden, scheint die Devise von Wallace zu sein, der damit wahrscheinlich auch den für die Behauptungen der britischen Regierung unvorteilhaften Stand der Ermittlungen im Skripal-Fall kaschieren will. "Der russische Staat", so sagte er, "könnte das richtigstellen. Sie könnten uns erzählen, was geschehen ist. Was sie getan haben. Und einige wichtige Lücken auffüllen, die wir zu ermitteln suchen. Wir haben gesagt, dass sie kommen und uns berichten sollen, was geschehen ist. Ich warte auf den Telefonanruf des russischen Staats. Das Angebot ist hier. Sie sind es, die alle Hinweise dafür geben können, um die Menschen zu schützen."
Öffentlich hat die russische Regierung ihre Mitwirkung öfter angeboten, was Wallace wie andere Mitglieder der britischen Regierung immer unterschlagen, gleichzeitig aber weiter unterstellen, dass der Anschlag auf die Skripals von der russischen Regierung zu verantworten sei - und dass das Nowitschok der neuen Kontamination damit in Zusammenhang steht. Russische Staatsmedien versuchen gleichwohl, aus den Äußerungen eine frohe Botschaft für Russland herauszulesen: "Russland an Vorfall in Amesbury nicht beteiligt - Britischer Sicherheitsminister".
Das Militärlabor Defence Science and Technology Laboratory in Porton Down hatte bereits im Skripal-Fall das verwendete Nervengift als hochreines Nowitschok identifiziert, was von der OPCW-Untersuchung bestätigt wurde. Weder Porton Down noch die OPCW konnten das Gift auf Russland zurückführen. Im Laufe der Ermittlungen wurde hingegen deutlich, dass Nowitschok auch in westlichen Ländern produziert und mit ihm experimentiert wurde. Über den deutschen Geheimdienst BND waren auch Proben aus Russland in den 90er Jahren an Labors in anderen Ländern weiter gegeben worden.
Es ist zu vermuten, dass auch Porton Down mit Nowitschok gearbeitet hat und es wahrscheinlich auch noch vorrätig hat. Der Leiter des Labors hatte sich in einem Interview um eine klare Antwort herumgemogelt und lediglich versichert, solche gefährlichen Substanzen - "so etwas" - würden nicht aus dem Labor hinausgelangen.
Interessant ist auf jeden Fall, dass in dem "sehr friedlichen Teil Großbritanniens", in dem die Nowitschok-Kontaminationen stattfanden, sich auch das Militärlabor befindet. Craig Murray hat gestern darauf hingewiesen, dass sich das Labor zwischen Amesbury und Salisbury befindet. Die beiden Orte liegen 15 km auseinander. Murray äußert keine Spekulationen darüber, was das bedeuten könnte, aber man könnte zu dem Verdacht kommen, dass das Labor irgendetwas mit den Nowitschok-Fällen zu tun haben könnte.
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