"Wir sehen beide aus wie Angehörige von den Flodders"

Online-Forum liefert Spartipps für Hartzgeschädigte

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Man ist ja bescheiden: Micha wohnt mit seiner Frau und zwei Kindern in einer kleinen 3-Zimmer-Wohnung. Die Dusche ist in der Küche und das WC im Treppenhaus. Die Kaltmiete beträgt 256 Euro. Und für Strom und Heizung zahlt er zusammen 109 Euro. Diesen mehr als bescheidenen Luxus hat sich Micha leisten können, weil er 749 Euro Arbeitslosengeld erhielt. Und seine Frau rund 600 Euro monatlich dazuverdiente.

Doch dann kam Anfang Januar Hartz IV und damit das neue Arbeitslosengeld II (Alg II). Nun, schreibt Micha in einer E-Mail, sei seine Familie wirklich bedürftig. Weil seine Frau weiterhin dazuverdiene (Netto: 567,70 Euro), bekomme er für den Januar nur noch 369,47 Euro und ab Februar dann monatlich 371,35 Euro. Für die Kinder gebe es nichts außer dem bisher schon gezahlten Kindergeld in Höhe von 308 Euro. Und auch einen Zuschuss zur Miete würde er derzeit nicht erhalten.

Für Micha ist also Geiz nicht geil, sondern eine Notwendigkeit. Und er ist beileibe kein Einzelfall. Das zeigt ein Blick in das Arbeitslosen Hilfe Forum Deutschland, wo Alg II-Bezieher seit einigen Tagen schon Spartipps austauschen unter dem Motto Auf was wird verzichtet - Wo wird nun gespart?

Reene, die jetzt dank Hartz IV 800 Euro weniger im Monat hat, plant beispielsweise ihren Internet- und Telefonanschluss zu kündigen. "Ja und dann", schreibt sie, "haben wir jetzt 3 Umschläge mit Geld: 1. fürs Essen (50€ in der Woche), den 2. mit 50 € für Rezepte, Ärzte und den 3. mit gerade mal 1,50 € drinnen für das Schulgeld für meinen Sohn. Da er im Sommer zur Schule kommt, und ich jetzt noch gar nicht weiß, wie ich das nur wieder bezahlen soll."

Auch bei Dentaku wird das Internet "wohl dran glauben müssen. Sohn wurde schon aus dem Hort genommen (spart 48 Euro). Handy wird nur noch gewartet bis Vertrag zu Ende, dann wohl Prepaid, obwohl ich mir da nicht sicher bin, das ich was sparen würde. Denn mach ich mal einen Rundumschlag und verkloppe alles, was ich nicht mehr brauche, bei Ebay."

Karin dagegen hat erst einmal die Tageszeitung, PC- und Fernseh-Zeitung gekündigt.

Telefon wird nach Möglichkeit nur selten benutzt (bei 4 Teenies gar nicht so einfach). Frisör einmal im Jahr werde ich wohl bei mir streichen können, es reicht einfach nicht mehr. Mir graut es schon, wenn ich im Sommer die Bücher für 3 Kinder bezahlen muss.

Ein anderes Forumsmitglied will sich jetzt notgedrungen von seinem uralten kranken Hund trennen, weil er dadurch das Geld für Futter, Steuern und die Tierarztkosten sparen kann. Und ein weiteres Mitglied fühlt sich gar an seine Kindheit im Nachkriegs-Deutschland erinnert:

In unserem Garten bauen wir statt Zierrasen Obst und Gemüse an und dann wird fleißig konserviert. Danach geht es ab in den Wald Beeren und Pilze sammeln. Hat meine Oma nach 1945 auch immer gemacht. Nur Holz sammeln können wir leider nicht (Zentralheizung). Kleidung wird getragen bis sie auseinanderfällt .Ich habe schon mal zu meinem Mann gesagt, weißte, wir sehen beide aus wie Angehörige von den Flodders. (...) Zeitung habe ich schon seit Jahren keine. Kino war ich vor 15 Jahren das letzte Mal. Bücher kauf ich mir keine, die leih ich mir aus.

Und wem solche Verhältnisse nicht auf den Magen schlagen, der bekommt in dem Forum auch ganz praktische Ernährungstipps:

Das Zwiebelbrot von Penny (1,29€) ist auch nicht zu verachten...wird mehrmals täglich im Laden aufgebacken (natürlich immer frisch) und ist einfach lecker. Die Baguettes zu 49 Cent kann man sich ebenfalls gönnen, wenn einen mal nach ein wenig 'Luxus' ist.

Doch trotz Penny-Zwiebelbrot und billigem Baguette ist für Forumsmitglied Zebu das Leben nach Hartz IV jetzt ein einziger Albtraum:

Irgendwie denk ich bei Hartz4 immer noch, ich träume. Das kann doch so nicht gewollt sein?? Wenn ja, ist das doch eine Kriegserklärung gegen Die, die eh schon nicht viel hatten.