Wir üben Grippe
Vom 7. bis 8. November 2007 werden über einhunderttausend Mitbürger sterben - allerdings nur auf dem Papier bzw. im Computer. An diesen beiden Tagen findet nämlich die dritte "Länder übergreifende Krisenmanagement Exercise" (Lükex 2007) statt
Die Stabsrahmenübung Lükex 2007, in der die Katastrophenschutz- und Sicherheitsbehörden den Ausbruch einer (Vogel-)Grippe-Pandemie in der Bundesrepublik durchspielen, wird vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), das dem Bundesinnenministerium unterstellt ist, geführt. Da es sich um eine Stabsrahmenübung handelt, beschränkt sich das Übungsgeschehen weitgehend auf die Kommunikation innerhalb und zwischen den beteiligten Stäben. Die Standleitungen zwischen den Stäben nehmen bereits am 5. November 2007 ihren Probebetrieb auf. Zur Abwicklung der Übung wird das Deutsche Notfallvorsorge-Informationssystem (DENIS) eingesetzt. Im Katastrophenfall dient es dem Informationsaustausch und der Feststellung und Lokalisierung vorhandener Hilfsressourcen, um die Rettungsmaßnahmen zu optimieren. Die aktuelle Software-Ausbaustufe heißt „Denis II+“. DENIS leistet vor allem dann wertvolle Hilfe, wenn Katastrophenfälle auf einzelne Bundesländer beschränkt sind, aber bei einer bundesweiten Krise stößt das Ressourcenmanagement schnell an seine Grenzen.
Zum BBK gehört die Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Hier ist eine „Projektgruppe Lükex“ (PG Lükex) unter Leitung von Wolfgang Grambs mit der Vorbereitung und Durchführung der Übung beauftragt. Sie wird ständig ihre Lageinformationen und Regieanweisungen in die Stäbe einspeisen, die dann darauf zu reagieren haben. Ihre Manövervorbereitungen begannen bereits im Frühjahr 2006. Geleitet wird die nationale Grippeübung kollegial vom Sicherheitsstaatssekretär im Bundesinnenministerium Dr. August Hanning und dem Staatssekretär des Bundesgesundheitsministeriums Dr. Klaus Theo Schröder, die die politisch Verantwortlichen mimen. Dazu steht ihnen ein gemeinsamer Krisenstab, die sogenannte Bund-Länder-Koordinierungsgruppe, zur Verfügung. Insgesamt nehmen rund 2.500 bis 3.000 Mann Stabspersonal an dem Schreibtischmanöver teil.
Auf Seiten des Bundes sind u.a. das Bundeskanzleramt sowie zehn Bundesministerien am Geschehen beteiligt: Gesundheit, Ernährung, Wirtschaft, Arbeit und Soziales, Inneres, Verkehr, Umwelt, Finanzen, Außen- und Verteidigung. Hinzu kommen das Bundespresseamt, die Bundesbank und das Robert-Koch-Institut (RKI). Eine Expertengruppe des RKI war federführend an der Ausarbeitung des „Nationalen Pandemieplanes“ vom Mai 2007 beteiligt. Sieben Bundesländer nehmen mit ihren regionalen Katastrophenschutzstäben teil: Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Mehrere dieser Bundesländer haben mittlerweile einen eigenen Grippe-Pandemieplan ausgearbeitet. Bundesländer, die nicht aktiv an der Übung teilnehmen, fungieren als Beobachter in einer „Reaktionsgruppe“.
Weitere Übungseinheiten stellen die Polizei, die Bundespolizei, die Bundeswehr im Rahmen ihrer Zivil-Militärischen Zusammenarbeit, das Technisches Hilfswerk (THW) und die Hilfsorganisationen des Rettungswesens. Auf Seiten der Wirtschaft beteiligen sich verschiedene Unternehmen der Sparten Telekommunikation, Verkehr, Versorgung und Gesundheit. Zu nennen sind hier u.a. die Deutsche Bank AG, die Deutsche Telekom AG, Siemens Informationstechnik und die Tengelmann KG, die aufgrund ihrer Marktposition als einer der führenden Supermarktketten (Kaiser´s, Plus, etc.) besondere Verantwortung für die Versorgung der Bevölkerung hat. Ein Teil der deutschen Großunternehmen hat mittlerweile firmeneigene Pandemiepläne erstellt. In Hamburg werden der Flughafen und der Seehafen zu Schauplätzen des virtuellen Übungsgeschehens.
Internationale Beobachter kommen von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dem European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) sowie aus Großbritannien, Schweden, den Niederlanden, Luxemburg, der Schweiz und Österreich.
Die Szenarien des Nationalen Pandemieplans
Grippeviren sind kleine, nur rund 100 nm (milliardstel Meter) große Kügelchen. An ihrer fettigen Oberfläche befinden sich mehrere Andockstellen, mit denen sich das Virus an Körperzellen andocken und in sie eindringen kann. Ein Teil dieser Dornfortsätze bestehen aus dem Protein Hämagglutinin, die übrigen setzten sich aus dem Eiweißmolekül Neuraminidase zusammen. Vom Grippeerreger gibt es verschiedene Typen, die sich durch die Zahl der jeweiligen „Spikes“ unterscheiden. So schwankt die Zahl der H-Zapfen zwischen 1 und 16, die Anzahl der N-Verbindungsstellen beträgt 1 bis 9. Rein theoretisch wären damit 144 verschiedene Subtypen des Grippevirus möglich.
In den letzten hundert Jahren haben sich besonders drei Varianten als besonders gefährlich herausgestellt. Der „Spanischen Grippe“, ausgelöst durch einen modifizierten (Vogel-)Grippeerreger H1N1, fielen 1918/1919 mindestens 20 bis 40 Millionen Menschen zum Opfer; die „Asiatische Grippe“ durch den H2N2-Subtyp forderte 1957 rund 1 Million Tote, an der „Hongkong-Grippe“ des Erregers H3N2 verstarben 1968 ebenfalls 1 Million Menschen, darunter rund 130.000 Tote in der BRD.
Als am 21. Mai 1997 in Hongkong erneut ein Grippetoter zu beklagen war, gab es eine Überraschung: Der tödliche Virus war ein Subtyp, der bis dahin nur Vögel befallen hatte: Subtyp H5N1 Asia-Variante. In den Folgejahren hat sich dieser (Vogel-)Grippeerreger über die halbe Welt verbreitet. Dabei kamen in den letzten zehn Jahren rund 200 Menschen ums Leben. Bisher sprang der Erreger nur selten vom Tier auf den Menschen über und konnte sich bisher nicht oder nur in einzelnen Ausnahmefällen von Mensch zu Mensch weiterverbreiten (Vogelgrippe von Mensch-zu-Mensch übertragen). Da es jedes Jahr zu einer nationalen Grippeepidemie und alle paar Jahrzehnte gar zu einer weltweiten Grippepandemie kommt, befürchten die Virologen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, wann sich dieser Virus weiterentwickelt und durch zwei, drei kleine genetische Veränderungen zum neuen human-pathogenen Superkiller mutiert.
In der Bundesrepublik trat dieser gefährliche H5N1-Erreger erstmals am 8. Februar 2006 auf der Insel Rügen auf (Wenn die Vogelgrippe kommt …). Bis August 2006 wurden insgesamt 348 infizierte Tiere vom Friedrich-Löffler-Institut (FLI) registriert. Danach verschwand der Erreger scheinbar. Vom Juni bis September 2008 tauchte das Virus wieder auf. Erneute Erkrankungsfälle gab es unter den Wasservögeln in Bayern, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Vorsichtshalber mussten auf zwei Geflügelfarmen im Landkreis Schwandorf über 205.000 Enten gekeult werden.
Aufgrund der letzten beiden Grippepandemien rechnet das Robert-Koch-Institut in seinem Nationalen Pandemieplan - je nach Virulenz und Infektiosität des befürchteten (Vogel-)Grippeerregers - mit Erkrankungsraten unter der Zivilbevölkerung von 15%, 30% oder 50%. Grundlage hierfür ist ein mathematisches Modell, das vom amerikanischen Center for Disease Control and Prevention (CDC) in Atlanta entwickelt wurde. Unter zu Hilfenahme der bundesdeutschen Bevölkerungsstatistik kam das RKI in seinen epidemiologischen Berechnungen zu folgenden Erkenntnissen: Bei einer Erkrankungsrate von 15 Prozent müssen 187.000 Personen in Krankenhäusern stationär behandelt werden, von denen allerdingsüber 50.000 an Lungenentzündung oder Herzversagen versterben würden. Bei einer mittleren Erkrankungsrate von 30 Prozent ist von circa 13 Millionen Erkrankten auszugehen. Von den Infizierten müssten immerhin 374.000 Personen stationär in Krankenhäusern behandelt werden, dennoch wären über 100.000 Tote zu beklagen. Bei einem besonders aggressiven (Vogel-)Grippevirus und einer Morbidität von 50 Prozent gäbe es gar 21 Millionen Erkrankte und eine Gesamtletalität von mehr als 170.000 Todesfällen.
Nur ein Teil der Patienten könnte – gemäß den medizinischen Möglichkeiten - adäquat versorgt werden, der überwiegende Rest würde im Rahmen der Triage mit ein paar Paracetamol-Zäpfen und Kopfschmerztabletten abgewiesen werden und müsste seine Pflege zu Hause privat organisieren. Aber wie soll sich eine alleinerziehende Mutter weiterhelfen, wenn sie selbst erkrankt ist? Es zeigt sich, daß man die Schattenseiten einer Seuche auch dann nicht abwenden kann, wenn diese von vornherein bekannt sind und man sich speziell darauf vorbereiten kann. Hier drängt sich die Frage auf, mit welchen Opferzahlen gerechnet werden müsste, wenn die Erkrankungsrate noch höher (ca. 70%) oder die staatlichen Vorsorge- und Abwehrmaßnahmen noch niedriger wären, als es die Experten unterstellen.
Aufgrund der Erfahrungen bei den drei vergangenen Grippepandemien können die Behörden erahnen, was das nächste Mal auf sie zukommt. Die dramatischen Folgen reichen über die bloße Zahl der Toten und Erkrankten weit hinaus. Die Krankenhäuser selbst würden zu Ansteckungszentren. Da die Ausstattung der Krankenhäuser mit ABC-Schutzanzügen völlig unzureichend ist und ein effektiver Impfstoff erst Wochen nach Beginn der Pandemie zur Verfügung stehen würde, können die Ärzte und Krankenschwestern einen Teil ihrer Krankenhausbetten gleich für sich selbst reservieren. Durch den hohen Krankenstand käme es zu einem Zusammenbruch der Versorgung mit antiviralen Arzneimitteln, d.h., die Erkrankten könnten medizinisch nicht länger behandelt werden. Die Ängste der Noch-Nicht-Erkrankten entladeten sich in einem Kaufrausch. Dadurch würden nicht nur die Güter des alltäglichen Bedarfs knapp; insbesondere rechnen die Sicherheitsbehörden mit einer Verknappung an spezifischen Produkten (Desinfektionsmittel, rezeptfreie Medikamente, persönliche ABC-Schutzausstattung etc.). Der hohe Krankenstand in den Betrieben träge seinerseits zu einem Produktionsausfall und damit zu Versorgungsengpässen bei.
Bei einem mittleren Szenario (30% Infektionsrate) geht das RKI von 8.300.000 Beschäftigten aus, die vorübergehend arbeitsunfähig wären. Für diesen Fall rechnet das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) mit einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in Höhe von einem Prozent. Andererseits käme es durch das Seuchengeschehen in einzelnen Wirtschaftssparten zu einem Nachfrageausfall in Höhe von 43 Milliarden Euro. Das öffentliche Verkehrsnetz und das Telefonnetz würden zusammenbrechen. Die Schulen müssten zeitweise geschlossen werden. Das öffentliche Leben käme zum Erliegen.
Schon mit der bloßen Entsorgung der Grippeopfer wäre man zeitweise überfordert: So mussten bei der „Hongkong-Pandemie“ 1968 in Westberlin rund 1.500 Tote wochenlang in Gewächshäusern, Kühlhäusern und einem stillgelegten U-Bahn-Tunnel zwischengelagert werden, weil die Beerdigungskapazitäten in dem kalten Winter einfach nicht ausreichten.
Das Übungsszenario
Aufgrund seiner bundesweiten Pandemieplanungen hat das RKI für die Lükex-Übung der sieben beteiligten Bundesländer ein Simulationsmodell entwickelt.
Zur Unterstützung der Steuerungsstäbe bei der Erarbeitung der Schadenslagen und Drehbücher sowie als Entscheidungshilfen für die übenden Stäbe hat das Robert-Koch-Institut (RKI) ein Simulationsmodell entwickelt, das für das gesundheitliche Szenario beschreibt, wie die einzelnen Bundesländer und Landkreise von einer ersten Pandemiewelle betroffen wären. Für den gesamten Verlauf der ersten Welle wurden mit Hilfe des Simulationsmodells tagesaktuelle Daten für Deutschland und alle Bundesländer bis auf die Ebene der Landkreise errechnet. Besonders die Zahlen von Erkrankten, neu Erkrankten, Neueinweisungen in Krankenhäuser, belegten Betten, Influenza-bedingten Arztkonsultationen und Todesfällen wurden bei der Berechnung berücksichtigt. Das Simulationsmodell dient den übungsbeteiligten Krisen- und Verwaltungsstäben von Bund und Ländern zur Visualisierung der pandemischen Welle und ihrer Ausbreitung. Gleichzeitig trägt es zur Entscheidungsfindung im Hinblick auf Krisenmanagement und Maßnahmenkoordination während der Influenza-Pandemie bei
Presseerklärung des BBK
Für die Lükex-Übung haben sich die Beteiligten auf die Annahme einer Erkrankungsrate im mittleren Bereich (30%) geeinigt. Dementsprechend gelten die Opferzahlen des „Nationalen Pandemieplanes“ (27 Millionen Kranke, darunter 102.920 Tote) fort, obwohl das Übungsgebiet nicht das ganze Bundesgebiet umfasst, sondern nur die sieben aktiv beteiligten Bundesländer. Aus der Erfahrung früherer Grippe-Pandemien weiß man, dass die Seuchendynamik in drei Wellen abläuft, wobei die zweite Erkrankungswelle am heftigsten wütet.
Bei der zweitägigen Lükex-Übung wird allerdings nur ein reduziertes Szenario durchgespielt: Die Ausgangslage am ersten Übungstag bildet die Situation etwa eine Woche vor Erreichen des Höhepunktes der ersten Pandemiewelle mit mehr als zwölf Millionen Erkrankten. In dieser Manöverphase soll u.a. die medizinische Surveillance, also die Beobachtung der Seuchenausbreitung, durchgetestet werden. Nachts wird dann die Übung unterbrochen und am zweiten Tag mit einem virtuellen Zeitsprung wieder aufgenommen: Dessen Ausgangslage geht vom Abklingen der ersten Welle aus. In dieser Übungsphase geht es um die Lösung der unmittelbaren ökonomischen Folgeprobleme der ersten Welle und um die Vorbereitung auf die zweite, stärkere Erkrankungswelle. Aber man verzichtet dann lieber darauf, den Höhepunkt einer realen Pandemie durchzuspielen.
Schwerpunkte der Übung sind die gesamtstaatliche Lagebeurteilung, abgestimmte Notfallplanungen und Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge, die Aufrechterhaltung lebensnotwendiger Funktionen bei krankheitsbedingtem Ausfall des Personals, die bundesweite Koordinierung knapper Ressourcen und eine breit angelegte, abgestimmte aktive Öffentlichkeitsarbeit zur situationsgerechten Information der Bevölkerung im Rahmen eines vorausschauenden, ressortübergreifenden Krisenmanagements. Grundlegende Übungsannahme ist eine Influenza-Pandemie mit schwerwiegenden gesamtgesellschaftlichen und gesamtstaatlichen Auswirkungen vor dem Hintergrund der anhaltenden durch die terroristische Bedrohung gekennzeichneten Gefahrenlage in Deutschland.
Bundesamt für Bevölkerungschutz und Katastrophenhilfe
Als Ziel der Lükex-Übung soll die Grundversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Energie und medizinischer Versorgung soweit wie möglich aufrecht erhalten werden. Wie soll sich die Bevölkerung ernähren, wenn die Supermärkte nicht mehr beliefert werden, weil niemand mehr über`s Land fahren will? Wer kann noch einkaufen, wenn die Bankautomaten nicht mehr nachgefüllt werden oder Ängste aufkommen, die Influenza könne über Geldscheine weiterverbreitet werden? Unklar bleibt, auf welche Weise und in welchem Umfang Landes- und Bundesbehörden auf die beteiligten Wirtschaftsunternehmen einwirken können und wollen. Angesichts der Dimensionen des Seuchengeschehens ist ein weiteres Ziel die "Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung" durch Notstandsmaßnahmen. Dies wird wohl die Aufgabe der beteiligten Kräfte von Polizei und Bundespolizei sein. Das Spektrum der „polizeilichen Gefahrenabwehr“ reicht von Apothekeneinbrüchen bis hin zur gewaltsamen Auflösung von plündernden Menschenansammlungen.
In diesem Zusammenhang verweist das BBK darauf, wie wichtig eine „gezielte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (PrÖA)“ als Teil des Übungsgeschehens ist, um „Angst und Panik“ in der Bevölkerung zu vermeiden und um „die Krisensituation zu bewältigen“. So müssen die Stabsmitglieder gegenüber Politikern und Bürgern Auskünfte erteilen und in gespielten Pressekonferenzen Fragen von Journalisten beantworten. Die fiktive Medienkulisse besteht aus einer Presseagentur, lokalen und überregionalen Tageszeitungen und einem Boulevard-Blatt. Außerdem werden an den beiden Übungstagen drei „Lükex TV Sondersendungen“ produziert und in die Übung eingespielt. Durch den Druck der Medien will die Übungsleitung eine möglichst realitätsnahe Betroffenheit der Stäbe zu provozieren. Ob es allerdings bei einer realen (Vogel-)Grippepandemie gelingen wird, eine hypernervöse Bevölkerung durch bloße Beschwichtigungspropaganda ruhig zu stellen, darf bezweifelt werden. Die Übungsplaner gestehen sich offensichtlich selbst ein, dass angesichts der manifesten Defizite in der medizinischen Versorgung dieses Ziel nur teilweise bzw. zeitweise gar nicht erreicht werden kann. Gerade deshalb wird hier besonderer PR-Aufwand betrieben.
Neben dieser „Risikokommunikation“ für eine fiktive Übungsöffentlichkeit bleibt abzuwarten, in welchem Umfang die „echten“ Medien über das Übungsgeschehen berichten können. Schon dies scheint nicht so einfach zu sein. Wenn man die Telefonnummer der Projektgruppe Lükex anruft, meldet sich lediglich eine elektronische Stimme. „Kein Anschluss unter dieser Nummer.“ Schließlich hat das BBK erst im September seine Telefonnummern geändert. Bis März 2008 sollen die Lükex 2007-Ergebnisse ausgewertet und der interessierten Öffentlichkeit - in Teilen - vorgestellt werden.
Lükex 2007 ist bereits die zweite Stabsrahmenübung zur Erprobung der Abwehr einer Pandemie in der Bundesrepublik. Bereits vor zwei Jahren, vom 23. bis 24. November 2005, hat die Europäische Union mit COMMON GROUND ein eigenes Manöverspiel durchgeführt. Der offizielle Abschlussbericht vom März 2006 ist im Internet verfügbar. Für das Jahr 2009 ist die nächste Lükex-Übung angesetzt, an der erstmals alle Bundesländer teilnehmen sollen.
Die Gesundheitsbehörden rufen derzeit wieder zur obligatorischen Grippeschutzimpfung auf, schließlich fordert schon der „normale“ Grippevirus jährlich rund 10.000 Tote – mal mehr, mal weniger - in der BRD. Der verabreichte Impfstamm (H3N2) wäre allerdings gegen einen modifizierten Vogelgrippeerreger (H5N1) weitgehend wirkungslos, dennoch erhofft man sich durch die Impfung eine allgemeine Stärkung des Immunsystems, die im Falle einer Infektion mit H5N1 eine Milderung der Krankheitssymptome bewirken soll. Nachdem was von der Übung zu erwarten ist, ist Lükex 2007 ein weiterer Grund dafür, diese kostenlose Impfmöglichkeit wahrzunehmen.
Gerhard Piper ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit.