Wirtschaft schrumpft durch Klimawandel: Was bleibt vom Wohlstand bis 2050?
Wohlstand und Klimaschutz werden oft gegeneinander gestellt. Dabei sind die Ökosysteme unverzichtbar. Neue Studie beziffert erwartbare Schäden.
"Der 'Klimaschutz' geht uns am Arsch vorbei – wir wollen Wohlstand" stand im September 2023 auf dem Schild eines Demonstranten bei einem Protestmarsch im bayerischen Aschaffenburg, hervorgegangen aus der "Querdenken"-Bewegung, die sich nach dem Wegfall der Corona-Maßnahmen thematisch flexibel zeigte.
Der Demonstrant hat damit nur volkstümlich überspitzt ausgedrückt, was zur alltäglichen Rhetorik mehrerer Parteien gehört – nicht nur die AfD ist bekannt dafür, verbindlichen Klimaschutz vor allem als Kostenfaktor darzustellen.
Auch die FDP tut dies und stellt auf Bundesebene den Finanz- und den Verkehrsminister. Und auch im Spektrum der "Freien Wähler", die den bayerischen Wirtschaftsminister stellen, ist dieser Topos beliebt.
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Doch wie lange lässt sich das aktuelle Wohlstandsniveau mit der Devise "Weiter wie bisher" halten – und ist mittel- bis langfristig überhaupt noch bescheidener Wohlstand für die breite Masse möglich, wenn es nicht sehr bald effektiveren Klimaschutz gibt?
Frühzeitiger Klimaschutz wäre billiger gewesen
Außer der AfD leugnet keine der Bundestagsparteien grundsätzlich den Zusammenhang zwischen Treibhausgas-Emissionen und der erdgeschichtlich beispiellos schnellen Klimaerwärmung, die der Weltklimarat als internationales wissenschaftliches Gremium in regelmäßigen Abständen dokumentiert.
Fachleute des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) e. V. haben nun die voraussichtlichen Auswirkungen veränderter klimatischer Bedingungen auf die Weltwirtschaft berechnet.
Nach Angaben des Vereins wurden dafür empirische Daten aus mehr als 1.600 Regionen der letzten 40 Jahre herangezogen. Die Ergebnisse wurden am Mittwoch in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
Prognose: Weltwirtschaft schrumpft um 19 Prozent
Demnach wäre frühzeitiger Klimaschutz deutlich billiger gewesen als die Wohlstandsverluste, die schon jetzt durch die Unterlassungen vergangener Jahre drohen.
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Selbst wenn Treibhausgas-Emissionen ab heute drastisch reduziert würden, müsste demnach die Weltwirtschaft aufgrund des Klimawandels bis 2050 bereits mit einem Einkommensverlust von 19 Prozent rechnen, heißt es in der Studie. Diese Schäden seien sechsmal höher als die Vermeidungskosten zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf zwei Grad.
Welche Schäden durch mehr Klimaschutz vermeidbar sind
"Unsere Studie zeigt, dass der Klimawandel innerhalb der nächsten 25 Jahre in fast allen Ländern der Welt massive wirtschaftliche Schäden verursachen wird, auch in Ländern wie Deutschland, Frankreich und den Vereinigten Staaten", so die Studienleiterin Dr. Leonie Wenz.
Mehr Anpassungsmaßnahmen sind demnach notwendig, aber keine Alternative zu effektiverem Klimaschutz. Wenn die CO2-Emissionen nicht "drastisch und sofort" reduziert würden – seien in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts noch weitaus höhere wirtschaftliche Schäden zu erwarten. Ende des Jahrhunderts könnten sie im globalen Durchschnitt bis zu 60 Prozent betragen.
"Es kostet uns viel weniger, das Klima zu schützen, als dies nicht zu tun – und zwar selbst dann, wenn man nur rein wirtschaftliche Auswirkungen berücksichtigt und weitere Folgen wie die Verluste von Menschenleben oder der biologischen Vielfalt außen vor lässt", betont die Studienleiterin.
Ökosystemdienstleistungen als BIP-Faktor
Auf einen Zusammenhang zwischen Wohlstand und natürlichen Lebensgrundlagen hatte bereits 2021 das UN-Umweltprogramm (UNEP) hingewiesen – und den Mitgliedsstaaten empfohlen, "Ökosystemdienstleistungen" bei der Berechnung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu berücksichtigen.
Das "System der umweltökonomischen Rechnungslegung - Ökosystembuchhaltung" solle sicherstellen, dass "natürliches Kapital" wie etwa Wälder, Feuchtgebiete und andere Ökosysteme als Vermögenswerte berücksichtigt würden.
Der Wert von Bewässerung und Bestäubung von Gemüsepflanzen durch natürliche Regenfälle und Bienen lässt sich etwa dadurch beziffern, welcher Aufwand getrieben werden müsste, um diese "Dienstleistungen" durch Mensch und Maschine zu ersetzen.
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