Wirtschaftspolitik, Migration und das Brexit-Referendum

Seite 2: Potentielle Migration durch Finanzwette gegen das Währungssystem CFA Franc-Euro

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Instabile Währungsräume und schlechte Wirtschaftspolitik könnten ebenfalls zu Migration führen. Der CFA-Franc wird in 14 west- und zentralafrikanischen Staaten vom Senegal über Kamerun bis zum Kongo verwendet. Diese Währung ist mit einem fixen Währungskurs an den Euro gebunden, der nicht der wirtschaftlichen Stärke der Mitgliedsstaaten entspricht. Die entsprechende Finanzpolitik wird jedoch in Paris entschieden.

Diese Konstruktion ähnelt dem Europäischen Währungssystem, das am 16. September 1992 in der Pfundkrise kollabierte, nachdem Stanley Druckenmiller dessen Schwachstelle entdeckt hatte. Er nahm täglich Kredite in britischen Pfund auf und wechselte diese bei britischen Banken in Deutsche Mark, welche die DM bei der Bank of England bestellen mussten. Als weitere Fundmanager das Gewinnpotential erkannten, erhöhten sie den Druck durch weitere Spekulationen gegen das Pfund.

Als die Bank of England keine Reserven mehr hatte, konnte sie den offiziellen Wechselkurs nicht mehr aufrechterhalten und musste das Pfund abwerten. Anschließend konnte Druckenmiller Pfund billig einkaufen und seine Darlehen zurückzahlen, wodurch sein Arbeitgeber Soros noch reicher und fälschlicherweise als der Mann bekannt wurde, der die Bank of England in die Knie zwang. Derselbe Angriff wurde gegen die italienische Lira, die spanische Peseta, die schwedische Krone, das irische Pfund und schließlich gegen den starken französischen Franc 1993 geführt. Die Pfundkrise kostete die britischen Steuerzahler 3.3 Milliarden Pfund und die europäischen Bürger mussten nach vorsichtigen Schätzungen für 100 Milliarden DM geradestehen.2

Ein fester Wechselkurs zwischen CFA-Franc und Euro hatte vermutlich Vorteile, beispielsweise kein Wechselkursrisiko. Gegenwärtig sucht viel freies Kapital nach mehr Rendite, weshalb ein Angriff nicht auf Dauer auszuschließen ist, selbst wenn CFA-Francs nicht aus der Währungszone transferiert werden dürfen, insbesondere weil die zu erwartende Verteidigung gering sein würde. Im Monthly Bulletin der Europäischen Zentralbank (EZB) vom April 2006 heißt es, dass "(…) weder die Gemeinschaft noch die EZB oder irgendein Teil des Eurosystems Vertragspartei der Vereinbarung [für das Wechselkurssystem] wird. Insbesondere sind jedwede finanzielle oder anderweitige Pflichten auf Seiten der Europäischen Union und dem Eurosystem aufgrund der Vereinbarung fester Wechselkurse und insbesondere jegliche Intervention durch die EZB und dem Eurosystem ausgeschlossen. Im Gegenteil, alle Verpflichtungen aus den bilateralen Übereinkünften sind von Frankreich zu tragen (…), damit verbundene Risiken sind von budgetärer Natur."3

Der EZB ist bewusst, dass "(…) Staaten, die einen festen Wechselkurs vereinbaren, sich selbst erfüllenden Attacken ausgesetzt sind. Da staatliche Stellen öffentlich einen festen Wechselkurs bekannt geben, können die Finanzmärkte die Stärke und Grenzen dieser Verpflichtung 'testen'."4. In derselben Veröffentlichung betont die EZB sogar die Notwendigkeit, solche Wechselkursvereinbarungen periodisch zu überprüfen, falls sich das Wirtschaftsumfeld ändert, denn "die Behörden sind verpflichtet, Wechselkurssysteme mit einem Minimum an Aufwand hinsichtlich Leistung, Inflation und finanzieller Stabilität zu ändern. Dieses Ziel kann am ehesten durch die Entwicklung und rechtzeitige Umsetzung einer Exit-Strategie erreicht werden.5

Nachdem nötige Reformen seit Jahren verschleppt statt durchgeführt werden, stellt sich die Frage, ob die Chefs der EZB, der Kommission, der Eurogruppe und einiger Regierungen mit den neuesten Marktentwicklungen schritthalten, oder müssen die 150 Millionen Bürger in der CFA-Franc-Zone und die 508 Millionen der Europäischen Union darauf warten, bis wieder ein Wallstreet-Philanthrop lediglich auf einen Fehler im System hinweist?

Im Übrigen hätte eine französische Republik, die durch wirtschaftliche Ungleichgewichte in der EU in ernsthafte Schwierigkeiten geraten könnte, eine ähnlich destabilisierende Wirkung, da die Banque de France das Bindeglied zwischen Eurozone und CFA-Franc-Zone darstellt.

Segmentierte Preisentwicklung und falsche Risikoverteilung

Ein Wirtschaftsindikator aus dem wahren Leben, der die Nachfrageschwäche bestens illustriert, sind die Containerschiff-Reedereien, die noch immer nicht in die Profitzone zurückgekehrt sind.6

Das verdeutlicht, dass Quantitative Easing (QE), das eigentlich ein Helicopter Money für die Finanzindustrie ist, selbst zusammen mit Negativzinsen keinen Erfolg gebracht hat. Beide Maßnahmen führen zu etwas, das man segmentierte Preisentwicklung nennen kann. Eine solche segmentierte Preisentwicklung entsteht durch die Preissteigerung von Luxusgütern und Anlagevermögen, während die Preise im Warenkorb stagnieren.

In einer solchen Situation findet die Preisfindung in zwei nahezu getrennten Märkten mit unterschiedlichen Nachfragen und Angeboten statt. Aber solange die allgemeinen Lebenshaltungskosten gleich bleiben, gewissermaßen als Wertanker, steigert die Inflation für Anlagevermögen den Wohlstand am oberen Ende der Gesellschaft. Diese Entwicklung trägt zur säkularen Stagnation bei, indem Ersparnisse am einen Ende des Vermögensspektrums steigen, während die Nachfrage nach Investitionen niedrig bleibt, da finanzielle Mittel am anderen Ende fehlen.

Die Entscheidung der EZB, das QE-Programm durch erhöhte Aufkäufe von Finanztiteln auszuweiten, verstärkt die segmentierte Preisentwicklung und damit das Auseinanderdriften der Gesellschaft.

Darüber hinaus hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), also die Zentralbank der Zentralbanken, diesen Januar eine Studie mit dem bemerkenswerten Titel "Neuverteilung von Arbeit und Produktivitätsdynamik: finanzielle Ursachen, reale Konsequenzen" veröffentlicht. Die Autoren untersuchten die Verbindung zwischen Kreditboom, Produktivitätszuwachs, Arbeitskraftumverteilung und Finanzkrisen in zwanzig entwickelten Volkswirtschaften über die vergangenen vierzig Jahre hinweg. Sie weisen nach, dass ein Kreditboom typischerweise das Produktivitätswachstum untergräbt, indem Arbeitskräfte zu Boomzeiten zunehmend in Bereichen mit geringerem Produktivitätswachstum eingesetzt werden.

Die Auswirkung einer solchen Entwicklung ist dann ganz besonders negativ, wenn einem solchen Boom eine Krise folgt, da die vorausgegangenen Misallokationen von Arbeitskräften dann neue Misallokationen in einem widrigeren Umfeld nach sich ziehen. Kurz gesagt: Jeder Versuch von EZB, FED und Bank of Japan, Wachstum durch Steigerung von Krediten anzukurbeln, ist aller Wahrscheinlichkeit nach zum Scheitern verurteilt.

Doch selbst wenn diese Studienergebnisse nicht bis zu Draghi, dem Präsidenten der EZB, und dessen Kollegen vorgedrungen sein sollten, wissen die Entscheidungsträger der EZB und in den Regierungen schon lange, dass ihre Politik schädlich ist. Die Savings and Loan (S&L) Krise ruinierte in etwa ein Drittel der 3.200 (Bauspar-)Kassen in den USA zwischen 1986 und 1995. Nachdem die US-Wirtschaft zehn Jahre benötigte, um diese Krise zu überwinden, entschlossen sich die G10, die Ursachen der S&L-Krise zu erforschen, um ähnliche Katastrophen künftig zu vermeiden. Neben Deregulierung und fehlender Sorgfalt bei der Kreditvergabe sieht der Abschlussbericht "Die Lösung staatlicher Liquiditätskrisen" vom Mai 1996 die Hauptursache der S&L-Krise im sogenannten "moral hazard".

Die Verfasser des Berichts, darunter so illustre Mitglieder wie Jürgen Stark (der sein Mandat bei der EZB angeblich aus Protest gegen deren Finanzpolitik und des Aufbaus des ESM niederlegte), Mervyn Allister King (Gouverneur der Bank of England bis 2013) und Larry Summers (Harvard-Wirtschaftsprofessor, ehemaliger US-Finanzminister und Chefökonom der Weltbank), definieren "moral hazard" als "verzerrte Anreizstrukturen, die Kreditnehmer und/oder Darlehensgeber zu riskantem finanziellen Verhalten verleiten, oder dazu, die Risiken ungenügend zu kontrollieren, denen sie sich aussetzen, in der Erwartung, dass sie von den negativen Konsequenzen ihres Handelns von den staatlichen Behörden geschützt werden".

Daher heben die Verfasser auch hervor, dass "das Bereitstellen öffentlicher Geldmittel zur Begrenzung privater Verluste zu massiven 'Moral hazard'- Risiken führe und die Disziplinierung durch die Märkte gefährde". Die Autoren empfehlen: "Die internationale Gemeinschaft hat diesbezüglich mehrere Ziele, insbesondere: (…) (IV) Erwartungen entgegen zu treten, dass umfangreiche staatliche Finanzpakete zur Verfügung gestellt werden, um Zahlungsverpflichtungen für Schulden des privaten Sektors nachkommen zu können."7 Vorsitzender der Studienverfasser und damit verantwortlich für diesen Bericht: Mario Draghi.