Wissenschaft und die Geschlechterunterschiede

Seite 3: Systematische Nachteile für Männer

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An der Realität vorbei geht nach meiner Auffassung auch Gärtners Behauptung: "Frauen sind auf allen Ebenen benachteiligt." Zahlen über Schulabbrüche, Obdachlosigkeit, Gefängnisse, Selbstmorde, beruflich bedingte Todesfälle oder schlicht allgemein das durchschnittliche Lebensalter von Frauen und Männern (Für einen "Equal Age Day") erzählen eine andere Geschichte. Für viele Männer ist es selbstverständlich, beispielsweise bei der Feuerwehr, Polizei oder Bundeswehr, ihr Leben aufs Spiel zu setzen - und zwar sowohl für Frauen als auch für Männer. Das sollten meiner Meinung nach auch Feministinnen anerkennen.

Wer die Welt nur anhand der analytischen Kategorie "Geschlecht" verstehen will, der übersieht aber die Vielschichtigkeit unserer Gesellschaft. Je nach Herkunft, Bildung, Wohlstand, Aussehen und Gruppenzugehörigkeit äußern sich die Herausforderungen des Lebens auf sehr unterschiedliche Weise. Einen kurzen Einblick darin gewähren die Zahlen der Krankenhausaufenthalte für psychische Störungen.

Abbildung: Krankenhausaufenthalte psychische Störungen.png Beschreibung: Vollstationär behandelte Patientinnen (blau) und Patienten (rot) in Krankenhäusern im Jahr 2015 für die fünf häufigsten psychiatrischen Diagnosen. Das relative Risiko für Frauen beträgt demnach 37%, 66%, 142%, 180% und 121% für die gezeigten Diagnosen. Quelle: Statistisches Bundesamt, 2017

Geschlecht und psychische Störungen

Männer sind demnach von alkoholbedingten Schwierigkeiten fast dreimal so häufig betroffen wie Frauen. Auch wegen Schizophrenien müssen sie deutlich häufiger ins Krankenhaus. Bei Frauen äußern sich psychische Probleme eher in Krankenhausaufenthalten wegen depressiver Episoden oder wiederkehrende depressiver Störungen.

Ob diese Unterschiede in der Biologie gründen, in der Sozialisation, in den unterschiedlichen Erfahrungen von Frauen und Männern in der Gesellschaft oder in der Art und Weise, wie Fachleute deren Probleme wahrnehmen und diagnostizieren, lässt sich schwer sagen. Es gibt nämlich kein objektives Kriterium für das Vorliegen dieser Störungen. Sie sind durch und durch normativ durchdrungen.

Wichtig ist aber, dass die Grafik anders aussehen würde, unterteilte man sie nicht nach Geschlecht, sondern beispielsweise nach Bildungsniveau, Wohlstandsniveau, Arbeitslosigkeit, Herkunftsland, Wohnumgebung (etwa: Land vs. Stadt), Beziehungsstatus oder Elternschaft (etwa: allein- vs. gemeinsam erziehend). All solche Faktoren können auf unterschiedliche Weise zu Problemen und Stress führen, die wiederum die psychische Gesundheit beeinflussen.

Redeverbot für Männer

Vielleicht wäre Männlichkeit etwas weniger "toxisch", dürften Männer offen über ihre Erfahrungen sprechen. Wenn sie es dennoch versuchen, wird ihnen schnell von Feministinnen über den Mund gefahren, wie es vor kurzem der Dokumentarfilm "The Red Pill" der Amerikanerin Cassie Jaye zeigte.

Birgit Gärtner bestätigt in diesem Zusammenhang sogar Damores Thesen, wo sie ihm unterstellt, dass er sich in "Medien ausweinte." Genau diese Haltung gegenüber Männern in Schwierigkeiten hat der junge IT-Experte in seiner zehnten Fußnote zitiert:

Der Gedanke, dass Männer Unterstützung brauchen, passt nicht gut in das Traditionelle Geschlechtssystem. Von Männern wird erwartet, dass sie stark sind, sich nicht beschweren und Probleme selbst lösen. Probleme von Männern werden wegen unserer geschlechtlichen Vorstellungen von Akteurschaft häufiger als persönliches Scheitern gesehen, nicht in einer Opferrolle. Das entmutigt Männer, Aufmerksamkeit auf ihre Probleme zu lenken (seien sie individuell oder für die ganze Gruppe), weil sie Angst davor haben, als Jammerlappen, Kläger oder schwach angesehen zu werden.

James Damore