Wo arbeiten Russland und der Westen noch zusammen?

Zwischen Russland und dem Westen liegen nach Moskaus Einmarsch in der Ukraine Welten. Bild: Screenshot / Eurovision TV

Ära westlich-russischer Zusammenarbeit ist fast vorbei. Doch es gibt noch einige Überreste, selbst bei Energie. Was folgt daraus für die globale Stabilität? Gastbeitrag.

Der Austritt Russlands aus dem Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) von 1990 im November 2023 ist ein weiterer Meilenstein in der Auflösung der Vereinbarungen zwischen Moskau und dem Westen. Die Wirren um den KSE-Vertrag, mit dem Waffen in Europa begrenzt werden sollten, symbolisiert den stetigen Niedergang der westlich-russischen Zusammenarbeit.

John P. Ruehl ist Redakteur bei Strategic Policy und schreibt für verschiedene außenpolitische Publikationen.

Unter Berufung auf die Nato-Erweiterung hatte Russland bereits 2007 die KSE-Aktivitäten ausgesetzt, und 2011 stoppten die USA und andere Nato-Verbündete den Informationsaustausch mit Russland über bestimmte Vertragsbestimmungen. Nach Russlands Entscheidung vom November setzten die USA und die Nato-Verbündeten ihre Teilnahme am KSE aus.

Während und unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 war der Optimismus für eine globale Zusammenarbeit zunächst groß.

In den 1990er-Jahren schlossen die USA und Russland den Start-Raketenvertrag, um ihre Atomwaffenarsenale zu reduzieren, gründeten die Nato-Partnerschaft für den Frieden (PfP) sowie den Ständigen Gemeinsamen Nato-Russland-Rat (NRPJC), um die gemeinsame Friedenssicherung und Stabilität in Europa zu erleichtern. Russland trat der G8 bei, um die wirtschaftliche Koordination zu verbessern.

USA steigen aus ABM-Vertrag aus

Auch bei der Drogen- und Terrorismusbekämpfung, der zivilen Katastrophenhilfe, der Weltraumforschung, der biomedizinischen Wissenschaft und bei Such- und Rettungsaktionen auf See wurde die Zusammenarbeit ausgebaut.

Das "Shared Beringian Heritage Program" wurde ins Leben gerufen, um regionale Ökosysteme und indigene Gemeinschaften zwischen dem Fernen Osten Russlands und Alaska zu schützen, und der Arktische Rat und die Strategie zum Schutz der arktischen Umwelt förderten ähnliche Ideale zwischen Russland und den arktischen Nato-Mitgliedsstaaten.

Ende der 90er-Jahre führten jedoch die gegensätzlichen geopolitischen Interessen im ehemaligen Jugoslawien in Verbindung mit der Nato-Erweiterung nach Mittel- und Osteuropa zu einer erheblichen Belastung der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen.

Washingtons Entscheidung, nach dem 11. September 2002 aus dem Vertrag über die Begrenzung von antiballistischen Raketenabwehrsystemen (ABM) auszusteigen, stellte ebenfalls einen Präzedenzfall dar, und obwohl im selben Jahr der SORT-Vertrag zur Reduzierung der im Ausland stationierten strategischen Nuklearwaffen unterzeichnet wurde, fehlten ihm wichtige Einzelheiten, was die Durchsetzungsmechanismen untergrub.

Nato-Osterweiterung

Eine weitere Nato-Erweiterung im Jahr 2004, ein US-Vorschlag für einen Raketenabwehrschild in Europa im Jahr 2007 (der nach Ansicht Russlands gegen Teile des Start-I-Vertrags verstieß) und Russlands Invasion in Georgien im Jahr 2008 reduzierten die Zusammenarbeit weiter.

Im Jahr 2009 gelang es den USA und Russland, ihre Beziehungen wiederherzustellen, was zu Vorschlägen für eine abgespeckte Version bezüglich Raketenabwehr und zur Einrichtung einer bilateralen Präsidentenkommission zwischen den USA und Russland führte.

Und 2010 trug der neue Start-Vertrag dazu bei, die Obergrenzen für Atomwaffen zu verlängern, während der 2013 vereinbarte gemeinsame Aktionsplan die Koordinierung zwischen Russland und dem Westen in Bezug auf das iranische Atomprogramm verdeutlichte.

Nichtsdestotrotz gerieten die westlichen Beziehungen zu Russland bald darauf in eine Abwärtsspirale. Nach der Maidan-Revolution 2014 in der Ukraine und dem Beginn der russischen Intervention in das Land wurde Russland sofort mit Sanktionen belegt und aus der G8 ausgeschlossen. Auch die Nato und die EU setzten die Zusammenarbeit und Konsultationen mit Moskau aus oder stellten sie ein.

Nach Ukraine-Invasion

Der Rückzug der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran im Jahr 2018 verdeutlichte die anhaltende Verschlechterung der Beziehungen. Unter Berufung auf russische Verstöße traten die USA dann 2019 aus dem Vertrag über nukleare Mittelstreckenwaffen (INF) und 2020 aus dem "Vertrag über den Offenen Himmel" aus (wobei Russland 2021 austrat).

Seit Russlands Einmarsch in die Ukraine im Jahr 2022 hat sich die Zusammenarbeit zwischen Moskau und dem Westen weiter verschlechtert. Die Sanktionen gegen Russland wurden erheblich ausgeweitet, die Teilnahme am Neuen Start-Vertrag wurde im Februar 2023 ausgesetzt, und jüngst wurde die Verbindung über den KSE-Vertrag dann gekappt.

Inmitten dieses Zusammenbruchs bleiben einige wichtige Bereiche der Zusammenarbeit bestehen. Die Internationale Raumstation (ISS) besteht aus einem Teil, der von Russland hergestellt und betrieben wird, und einem anderen, der von den USA und anderen westlichen Ländern betrieben wird.

Die ISS, die 1998 gestartet wurde und auf Gegenseitigkeit ausgelegt ist, ist seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine unsicher geworden. Im Juli 2022 erklärte der damalige Leiter der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos, Dmitri Rogosin, das Ende der ISS-Zusammenarbeit für 2024, was sein Nachfolger Juri Borissow nur wenige Tage später bekräftigte.

ISS-Partnerschaft hält noch

Die NASA erklärte jedoch schnell, dass Russland die Partnerschaft fortsetzen würde, und russische Beamte erklärten im April 2023, dass das Festhalten des Landes an der ISS bis 2028 andauern würde (die USA haben bestätigt, dass sie bis zur Stilllegung der ISS im Jahr 2030 fortbestehen wird).

Roskosmos und die NASA haben sich auch weiterhin zu "Sitzplatzwechseln" bei der ISS verpflichtet, wobei ein US-Astronaut im September 2022 an Bord einer russischen Sojus-Rakete und ein russischer Kosmonaut Wochen später an Bord einer Crew-Dragon-Mission zur ISS fliegen wird.

Auch im Energiebereich gibt es eine kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen dem Westen und Russland. Die europäischen Länder kaufen weiterhin russisches Öl und Erdgas, auch wenn ein Teil davon über Zwischenhändler wie Indien geliefert wird.

Rosatom, die staatliche russische Atomenergiebehörde, unterhält ebenfalls bedeutende Beziehungen zu mehreren EU- und Nato-Mitgliedern. An ITER, einem internationalen Kernenergieforschungsprojekt mit Sitz in Frankreich, hat Russland seit Beginn des Krieges in der Ukraine mehrere Lieferungen vorgenommen, zuletzt im Februar 2023.

Kernbrennstoff-Importe und Handel mit Russland gehen weiter

Und obwohl sich die USA erfolgreich von russischen fossilen Brennstoffen losgesagt haben, zahlen sie weiterhin jährlich Milliarden von Dollar für Kernbrennstoff und andere nukleare Energieassistenz an Russland – 2022 war Russland der wichtigste Lieferant von angereichertem Uran an die USA.

Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hat der US-Senat versucht, Gesetzesentwürfe für ein Verbot von russischem Uran einzubringen, und ein entsprechender Gesetzesentwurf des Repräsentantenhauses wurde im Dezember 2023 verabschiedet. Es bleibt abzuwarten, ob das Gesetz im Senat verabschiedet wird, und es wird Jahre dauern, es umzusetzen.

Auch der nicht energiebezogene Handel zwischen westlichen Ländern und Russland wird trotz der Sanktionen in erheblichem Umfang aufrechterhalten. Zwar haben viele westliche Unternehmen Russland nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine verlassen, viele aber auch nicht.

Andere, wie Volkswagen und Renault, verkauften ihre Vermögenswerte in Russland gegen eine geringe Gebühr, allerdings mit Rückkaufklauseln, die ihnen eine Rückkehr ermöglichen könnten.

Rudimentärer Kommunikationskanal nach Kuba-Krise weiter intakt

Trotz der Spannungen, die größtenteils auf den Konflikt in der Ukraine zurückzuführen sind, hat Russland weiterhin eine aktive Rolle in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gespielt. Die jüngsten Ereignisse deuten darauf hin, dass die harte diplomatische Linie gegenüber Russland ins Wanken gerät.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow durfte nach der Verhängung von Sanktionen gegen ihn im Jahr 2022 kein EU-Land mehr besuchen, und ihm wurde im selben Jahr der Zugang zum Luftraum der Balkanstaaten verweigert, um nach Serbien zu reisen.

Im September 2023 durfte Lawrows Flugzeug jedoch den griechischen Luftraum durchqueren und in Nordmazedonien zu einem OSZE-Treffen landen. Die jüngsten Neuwahlen der niederländischen und der slowakischen Regierung deuten zudem darauf hin, dass einige westliche Länder immer weniger Lust haben, eine starre Haltung gegenüber Russland einzunehmen.

Die USA und Russland haben auch versucht, offene Kommunikationslinien aufrechtzuerhalten, um potenziell katastrophale militärische Unfälle zu vermeiden. Die 1963 nach der Kubakrise eingerichtete Hotline zwischen Moskau und Washington wurde 2015 durch einen rudimentären Kommunikationskanal ergänzt, um einen militärischen Konflikt in Syrien zu vermeiden, als die russischen Streitkräfte in dem Jahr in das Land einmarschierten.

Informelle Treffen zu Ukraine

Und im März 2022 wurde eine Deeskalations-Hotline für die Ukraine eingerichtet, die bisher einmal im November 2022 genutzt wurde.

Informelle Gespräche zwischen Russland und den USA sind ebenfalls bekannt geworden. Im Juli 2023 hieß es, dass ehemalige hochrangige US-Sicherheitsbeamte in New York geheime Gespräche mit russischen Beamten, darunter Sergej Lawrow, geführt hatten, um ein Ende des Krieges in der Ukraine auszuhandeln.

Diese informellen diplomatischen Gespräche sollen mindestens zweimal im Monat stattgefunden haben, oft online. US-Vertreter bestritten, dass sie jemals stattgefunden haben.

Und trotz der erhöhten militärischen Aktivitäten in der Arktis, die durch den Konflikt in der Ukraine ausgelöst wurden, gibt es Optimismus, dass die Nationen die entscheidende Bedeutung der Umweltkooperation in der Region erkennen. Das wurde deutlich, als Russland Gastgeber des 13. Treffens des Arktischen Rates im Mai 2023 in der Stadt Salechard war.

Droht neues nukleares Wettrüsten?

Das derzeitige Niveau der Zusammenarbeit ist weit entfernt von den 1990er-Jahren, als neben einer verstärkten Zusammenarbeit und einem intensiveren Dialog in verschiedenen Bereichen innerhalb eines Jahrzehnts 80 Prozent der strategischen Atomwaffen der Welt abgebaut wurden.

Zwar sind seither viele Wege der Zusammenarbeit weggebrochen, doch die ISS kreist weiter, in der Kernenergiewirtschaft wird in einigen Bereichen weiter kooperiert und die angespannten Kommunikationswege bleiben offen.

Doch Russlands Taten, vor allem sein Einmarsch in die Ukraine, und Moskaus Misstrauen gegenüber dem Westen werfen einen Schatten auf die optimistischeren Aussichten. Bestehende Nuklearabkommen werden auf Eis gelegt oder ignoriert, und wenn der New-Start-Vertrag 2026 ausläuft, könnte das zu einem neuen nuklearen Wettrüsten führen und andere Waffenverträge gefährden.

Russlands wachsende Beziehungen zu "Schurkenstaaten" wie dem Iran und Nordkorea verstärken auch seine Fähigkeit, die vom Westen geführte Weltordnung zu destabilisieren, während Russlands aufkeimende Beziehungen zu China die Isolation des Westens ausgeglichen haben.

Der Spagat

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kämpfen Washington und die westliche Welt um den Spagat, Russlands Einfluss anzuerkennen, es zur Rechenschaft zu ziehen und gleichzeitig die globalen Sicherheitsinteressen zu wahren.

Die zunächst ernsthafte und dann sporadische Zusammenarbeit zwischen Moskau und dem US-geführten Westen ist zu einer zunehmend feindseligen Politik zurückgekehrt, die mit den schlimmsten Tagen des Kalten Krieges konkurriert. Die Fähigkeit Russlands, die globale Stabilität sowohl zu untergraben als auch zu ihr beizutragen, bedeutet jedoch, dass man es nicht einfach beiseiteschieben kann.

Trotz der unterschiedlichen Kapazitäten ist der Umgang mit Russland auf der internationalen Bühne für westliche Entscheidungsträger ein dynamischer Prozess.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit der Medienplattform Globetrotter. Hier geht es zum englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.

John P. Ruehl ist ein australisch-amerikanischer Journalist, der in Washington D.C. lebt. Er ist Redakteur bei Strategic Policy und schreibt für verschiedene andere außenpolitische Publikationen. Sein Buch "Budget Superpower: How Russia Challenges the West with an Economy Smaller than Texas" wurde im Dezember 2022 veröffentlicht.