Wo sind die Friedensstifter?

Seite 2: Wichtig wäre die Unterscheidung zwischen einer geopolitischen und einer friedenspolitischen Zielsetzung der Sanktionen

Es ist nämlich unschwer zu erkennen, dass sowohl mit den Waffenlieferungen als auch mit den Sanktionen zwei fundamental unterschiedliche Ziele verfolgt werden können. Wichtig für die Entwicklung einer Strategie zur Beendigung des Krieges wäre es zunächst einmal zwischen einer geopolitischen Zielsetzung und einer friedenspolitischen Strategie zu unterscheiden, wie es der Friedensforscher Joachim Becker empfiehlt.

Die geopolitische Strategie verfolgt etwa folgende Ziele:

  • Geostrategische Sanktionen sollen – wie Außenministerin Annalena Baerbock drohte – Russland "ruinieren", so dass "es volkswirtschaftlich jahrelang nicht mehr auf die Beine kommt".
  • Sie sollen – wie das etwa US-Verteidigungsminister Lloyd Austin ausplauderte – Russland derart schwächen, "dass es zu so etwas wie dem Einmarsch in die Ukraine nicht mehr in der Lage ist".
  • Geostrategische Überlegungen stehen auch hinter dem Ziel eines Regimewechsel, also Putin aus der Macht zu drängen, weil man mit ihm nicht mehr verhandeln könne, da dieser – wie der Gaslieferstopp beweise – sich nicht an Vereinbarungen halte. "Um Gottes willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben", verplapperte sich US-Präsident Joe Biden im März bei einem Besuch in Polen und deutete eine solche Zielvorstellung an.
  • Es gibt unter den Neocons in den USA, aber auch unter den Atlantikern in Europa Verfechter einer Aufrechterhaltung einer von den USA bestimmten "unipolaren Ordnung" und der dazu notwendigen Zurückdrängung des russischen Einflusses auf die Weltpolitik. Kräfte, die dazu hin auf eine Konzentration der Kräfte des Westens auf den Systemgegner China drängen. Viele sehen darin das Hauptziel, der massiven Unterstützung der Ukraine durch die USA. Die Sanktionen sind in dieser geopolitischen Strategie also in Wahrheit Bestandteil eines Stellvertreterkrieges, den die USA mit Russland führen.

Zum Stellvertreterkrieg eine Anmerkung:

Gegen diese auch in linken Kreisen weit verbreiteten These vom Stellvertreterkrieg, spricht allerdings, dass die Ukraine zu keinem Zeitpunkt von den USA/der Nato/dem Westen gedrängt worden ist, einen Krieg anzufangen. Die ukrainische Verteidigungsbereitschaft – das sollte man immer klar sehen – ist Folge des russischen Angriffs und auch von den UN belegter russischer Kriegsverbrechen.

Man muss aufpassen, dass der Verweis auf westlich-imperiale Politiken bzw. der Hinweis auf die "kapitalistische Landnahme" im Osten – wie Klaus Dörre das nannte und die es ohne Zweifel gab – bei allem, was man daran kritisieren kann und muss, nicht als Relativierung oder gar Rechtfertigung der russischen Aggression umgedeutet wird. Eher trifft zu, dass im Verlauf des Krieges, daraus ein Stellvertreterkrieg geworden ist.

Das mit einer solchen geopolitischen Strategie der Sanktionen verfolgte Kriegsziel ist verbunden mit einem Sieg der Ukraine und – ausgesprochen oder unausgesprochen – mit der Wiederherstellung der vollen Souveränität über sämtliche Gebiete, also einschließlich der Krim und der Volksrepubliken Donezk und Luhansk, also der Wiederherstellung des Status vor dem Frühling 2014.

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