Wo sind die Friedensstifter?
Die Mehrheit der Deutschen ist für einen diplomatischen Ausweg aus dem Krieg. Wichtig wäre eine friedenspolitische Perspektive. (Teil 3 und Schluss)
In der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD im Bundestag vom 31. Oktober über mögliche Friedenslösungen für die Ukraine heißt es wörtlich:
Aus Sicht der Bundesregierung ist es an der Regierung der Ukraine, über Stattfinden, Zeitpunkt und Inhalt möglicher Verhandlungen mit der Russischen Föderation über eine friedliche Lösung zur Beendigung des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zu entscheiden.
Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte, dass die "Parameter" für Verhandlungen in Kiew gesetzt würden.
Teil 1: Die vergiftete Diskussion um eine friedenspolitische Perspektive
Teil 2: Ukraine-Krieg: Das große Pokern um den Sieg
Nicht erst nach dem Vorfall in Polen stellt sich allerdings die Frage, ob man Selenskyj überhaupt noch blind vertrauen kann und sollte. Er setzte nach einem Raketeneinschlag in Polen ohne Überprüfung die These eines russischen Raketenangriffs in die Welt und hielt auch noch daran fest, nachdem die USA, die Nato und Polen diese Meinung offiziell verworfen hatten. Nicht nur die FAZ befürchtete, dass Selenskyj mit dieser falschen Behauptung die Nato in den Krieg ziehen wolle.
Inzwischen ist bekannt geworden, dass die USA von der Ukraine über die Verwendung des gelieferten Militärgeräts Rechenschaft verlangen und die Biden-Administration wirkt offenbar in vertraulichen Gesprächen auf die Ukraine ein, eine größere Offenheit für Verhandlungen mit Russland zu signalisieren.
Man befürchtet in der US-Regierung einerseits eine nachlassende Unterstützung für die Militärhilfen in den USA selbst und andererseits eine Ukraine fatigue, also eine Ermüdung etlicher Partner bei der Unterstützung der Ukraine, angesichts der negativen Rückwirkungen des Krieges. Die bröckelnde Zustimmung für ein neuntes Sanktionspaket ist ein Anzeichen für diese Ermüdung.
Ferner führt Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan vertrauliche Gespräche mit Juri Wiktorowitsch Uschakow, dem außenpolitischen Berater von Putin, darüber, wie eine weitere Eskalation vermieden werden kann und wie die Kommunikationskanäle offengehalten werden können. Auch CIA-Chef William Burns traf sich mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Naryschkin in der Türkei.
In einer Pressekonferenz mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron erklärte Präsident Biden seine Bereitschaft, mit Putin zu sprechen, wenn dieser tatsächlich ein Interesse daran habe, einen Weg zur Beendigung des Krieges zu finden. Der Sprecher Putins erklärte Russlands Verhandlungsbereitschaft, wenn "unsere Interessen" gewahrt würden.
Macron erklärte, Europa müsse eine neue Sicherheitsarchitektur vorbereiten. Man müsse ausarbeiten, wozu wir bereit sind, wie wir unsere Partner schützen und wie wir Russland Garantien geben, sobald es an den Verhandlungstisch zurückkehrt. Sicherlich kommt eine neue Sicherheitsarchitektur nicht über Nacht, aber man müsste anfangen, sich damit zu beschäftigen.
Solange die Bundesregierung und die EU wie auf dem Gipfel im Oktober ihre bedingungslose Unterstützung der Ukraine beibehalten und es alleine Selenskyj überlassen, die Kriegsziele zu bestimmen, ist das größte Hindernis für eine Aufnahme von Verhandlungen jeglicher Art die Angst vor Verhandlungen selbst. Denn so lange es bei dieser passiven Haltung bleibt, müssen Politiker befürchten, dass sie als Beschwichtiger und sogar als Defätisten gelten, wenn sie Kompromisse am Verhandlungstisch statt eines militärischen Siegs der Ukraine anmahnen.
Ein wichtiges Element, um aus dieser politischen Lähmung herauszukommen, wäre, die Sanktionen auf eine friedenspolitische Perspektive auszurichten, sie zumindest zur Diskussion zu stellen. Denn dazu gibt es m.E. keine realistische Alternative.
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