Wo steckt IS-Führer al-Baghdadi?

Al-Baghdadi bei der Ausrufung des Kalifats in Mosul 2014.

Auch die IS-Anhänger in Mosul sind verunsichert. Hat er sich abgesetzt nach Raqqa? Lebt er noch? Was ist die Post-Mosul-Strategie?

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Großes Rätselraten herrscht über den Führer des "Islamischen Staats" (IS), Abu Bakr al-Baghdadi, der aus dem Irak stammt. Er wurde schon wiederholt als schwer verletzt oder tot erklärt, die Rede war kürzlich von einer Vergiftung und wechselweise soll er sich in Mosul, Raqqa oder auch in Libyen oder anderswo aufhalten. Schließlich hatte der IS zwei Jahre Zeit, sich auf die jetzt laufende Offensive vorzubereiten. Dass die Stadt gegen einen massiven Angriff länger verteidigt werden kann, dürfte die IS-Führung vielleicht gehofft, aber nicht erwartet haben.

Mit dem IS sollen auch zahlreiche ehemalige Offiziere der irakischen Armee und der Geheimdienste unter Saddam Hussein kooperieren, die von den USA bei der großen Reinigung entlassen wurden und sich in den Untergrund begeben haben. Daher war der IS nicht nur eine Terrorgruppe, sondern verfolgte immer auch militärische Strategien des Angriffs und der Verteidigung. Man muss daher annehmen, dass es auch Notfallpläne für ein Kalifat 2.0 nach dem ersten syrisch-irakischen geben wird, was auch beinhalten würde, den Sitz der Führung in ein anderes Land zu verlegen, wenn denn Mosul überhaupt der primäre Aufenthaltsort von al-Baghdadi war bzw. ist. Dass kaum etwas über den IS-Führer bekannt ist, legt nahe, dass die Geheimdienste wenig über ihn und die inneren Strukturen des IS wissen - oder nichts bekannt geben.

Man muss allerdings annehmen, dass dann, wenn die IS-Geheimdienste al-Baghdadi lokalisieren könnte, schon längst ein Angriff mit einem Flugzeug oder eine Drohne bzw. mit einem Spezialkommando erfolgt wäre. Das heißt, dass die Überwachung des Internet, die von NSA und Co. massiv verfolgt wird, hier auf Grenzen stößt und Spione vor Ort nicht wirklich vorhanden sind.

Al-Baghdadi, der im berüchtigten Abu-Ghraib-Gefängnis von den Amerikanern inhaftiert worden war, hatte im Juni 2014 in der jetzt belagerten Großstadt Mosul das schon von seinem Vorgänger al-Sarkawi anvisierte "Kalifat" im Irak und in Syrien ausgerufen (Strategie von al-Qaida: 2013 Kalifat und Endsieg 2020. Damit sollte ein Musterstaat der sunnitischen islamistischen Fundamentalisten geschaffen werden, sozusagen eine Keimzelle für den Gottesstaat, der mit brutaler Gewalt und Völkermord weltweit durchgesetzt werden soll ("Versetzt die Feinde Allahs in Schrecken").

Mosul galt als "Hauptstadt" des IS, vermutet wurde, dass sich al-Baghdadi auch dort meist aufhält. Im Gegensatz zu al-Sarkawi oder Bin Laden blieb der IS-Führer nach seinem ersten öffentlichen Auftritt allerdings den Medien fern, ähnlich wie dies der Taliban-Chef Mohammed Omar praktizierte, von dem Zeit seines Lebens nur ein paar alte Bilder zirkulierten und dessen Tod im Jahr 2013 auch nur angenommen wird.

Al-Baghdadi dürfte aus der Geschichte von al-Sarkawi, der 2006 durch eine amerikanische Bombe getötet wurde, und von Bin Laden, der schließlich von US-Spezialkräften in seiner Rückzugsburg in Pakistan getötet wurde, gelernt haben. Der IS pflegte deshalb auch keinen Personenkult, sondern musste mit einem abwesenden Führer leben, der immer mal wieder totgesagt wurde und von dem nicht bekannt ist, ob er noch lebt und wo er sich aufhält.

Die Offensive auf Mosul wird nicht nur als eine entscheidende Schlacht verkauft, weil dort das Kalifat ausgerufen wurde, sondern auch, weil man dort eventuell al-Baghdadi festnehmen oder töten könnte. Damit wären die "Hauptstadt" befreit und der Anführer beseitigt ("enthauptet"), was dem militärischen Konzept der USA immer zugrunde liegt. Man glaubt, wenn man die Führung (leadership) aus dem Spiel nimmt, zerbricht auch die Organisation. Das war allerdings bei Al-Qaida im Irak mit der Tötung von al-Sarkawi nur vorübergehend so. Neben vielen anderen Faktoren dürfte auch dafür verantwortlich sein, dass Washington die Tötung von Sarkawi derart theatralisch inszenierte, dass er zum großen Gegner der USA avancierte und zugleich zum Märtyrer wurde. Das wollte man mit Bin Laden nicht wiederholen, weswegen seine Leiche klammheimlich auf hoher See entsorgt wurde.

Während die irakischen und kurdischen Truppen offenbar weiter Richtung Mosul vorrückten und IS-Kämpfer auch gestern noch zur Entlastung Angriffe in Kirkuk ausführen konnten und mittlerweile die Stadt Rutba in der Provinz Anbar angreifen, soll in Mosul neben anderen IS-Führern auch Abu Osama, der als Assistent von al-Baghdadi gilt, durch Luftangriffe getötet worden sein. Es ist nicht klar, um welchen Abu Osama es sich handelt (Aus Österreich stammender "Regisseur" des IS-Medienapparats?).