Zaghafte Abkehr von Geldschwemme trotz Rekord-Inflation
Seite 3: Mythos: Stagflation durch Lohnerhöhungen
- Zaghafte Abkehr von Geldschwemme trotz Rekord-Inflation
- Euphemismen und schwammige Begriffe
- Mythos: Stagflation durch Lohnerhöhungen
- Auf einer Seite lesen
Doch real strafft die EZB weiterhin ihre Geldpolitik nur ein klein wenig. Die Absichtserklärungen dienen vor allem als Signal. Sie haben vor allem zum Ziel, die Beschäftigten, denen längst über die Inflation das Geld aus der Tasche gezogen wird, von Arbeitskämpfen mit hohen Lohnforderungen abzuhalten. Allseits wird Lohnzurückhaltung gefordert, um eine Lohn-Preis-Spirale zu vermeiden.
Dabei stellen Ökonomen wie Marcel Fratzscher fest, dass eine drohende Stagflation aufgrund der Lohnerhöhungen ein Mythos ist. So hatte auch in den 1970er-Jahren ein Ölpreisschock die Inflation angetrieben, die damals steigenden Löhne hätten der wirtschaftlichen Lage aber nicht nachhaltig geschadet, meint er. Vielmehr hätten die Lohnerhöhungen die Wirtschaft durch die erhöhte Kaufkraft der Menschen sogar stabilisiert. "Es ist also auch aus Unternehmersicht durchaus sinnvoll, sich nicht gegen Lohnerhöhungen zu stellen."
Klar ist aber, dass das Stagflations-Gespenst nun auch bei der Weltbank angekommen ist, die vor Szenarien wie vor 50 Jahren warnt. Und nach der Weltbank hat inzwischen auch die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung (OECD) ihren Ausblick für die Weltwirtschaft zusammengestrichen.
Beide Finanzorganisationen warnen inzwischen klar und deutlich vor einer weltweiten Stagflation. Die OECD erwartet im laufenden Jahr nur noch ein Wachstum von drei Prozent (zuvor 4,5 Prozent). Die Industriestaaten‑Organisation spricht von einer Lage, wie man sie seit den 1970er-Jahren nicht mehr gesehen habe.
Und die OECD hat auch eine ganz andere Analyse als die EZB: Infolge des Ukraine-Krieges werde die Inflation höher ausfallen und länger andauern als bislang angenommen, sagte OECD‑Generalsekretär Mathias Cormann.
Die Weltbank hat ihre Prognose für das globale Wirtschaftswachstum sogar auf 2,9 Prozent gesenkt. In dem Bericht wird auch das "S-Wort" unverblümt in Washington schon in den Mund genommen. Schon im Titel heißt es. "Stagflationsrisiko steigt inmitten einer drastischen Wachstumsverlangsamung."
Der Krieg in der Ukraine habe die konjunkturellen Schäden aus der Corona‑Pandemie noch verschlimmert, weshalb viele Länder mit einer Rezession rechnen müssten, teilte die Weltbank mit.
"Das Risiko einer Stagflation ist beträchtlich und hat potentiell destabilisierende Folgen für die Volkswirtschaften mit niedrigem und mittlerem Einkommen", sagte Weltbank‑Präsident David Malpass. "Für viele Länder wird es schwierig sein, eine Rezession zu vermeiden." Schwaches Wirtschaftswachstum bei steigenden Preisen könnte gerade in zahlreichen Entwicklungsländern großes Leid auslösen.