Zehn Tipps für eine linke Wahlniederlage

Seite 3: Populismus inklusive Kuscheln mit Nato und Neonazis

6. Shoot the Messenger

Frühzeitig zeigten Meinungsforschungsinstitute auf, dass Tsipras gegen "den schlechtesten Premier aller Zeiten" (O-Ton Syriza) nicht punkten konnte. Letztendlich lagen alle Umfrageinstitute falsch, weil sie zwar die Niederlage von Syriza, nicht aber deren verheerendes Ausmaß vorhersagten.

Nun entschuldigen sich die Meinungsforscher, sie hätten aus Angst vor den von Syriza angedrohten Klagen die wahren Zahlen nicht ohne "Gewichtung der Ergebnisse" veröffentlichen wollen. Auch ohne die Erhebungen von Meinungsforschungsinstituten war bei Protesten und Demonstrationen sowie Wahlen von Gewerkschaften und Studentenparlamenten erkennbar, dass Syriza nicht punkten konnte. Auch parteiinterne Kritiker wurden klein gehalten. Das Bild des mächtigen und weisen Parteichefs sollte nicht befleckt werden.

7. Antikommunismus statt Kapitalismuskritik

In Studentenparlamenten setzte sich die kommunistische Jugend als stärkste Fraktion durch. Auf der Straße bestimmten die KKE, der parteinahe Gewerkschaftsbund Pame und außerparlamentarische Linke neben Anarchisten das Geschehen.

Im vom Bürgerkrieg erschütterten Nachkriegsgriechenland gab es die vereinigte Linke, EDA. In ihr waren die verbotene KKE und die Linke vereint. Statt sich auf diese Tradition zu berufen, übte Tsipras antikommunistische Kritik am Wahlspruch der EDA "Plastiras und Papagos sind gleich".

General Nikolaos Plastiras hatte in drei Amtszeiten von 1945 bis 1952 als Premier Kommunisten, Linke und Demokraten gejagt, hinrichten lassen, in Straflager gesteckt, gefoltert und verbannt. Trotz internationaler Gnadengesuche, auch von Pablo Picasso, ließ er den Kommunisten Nikos Belogiannis, Zentralratsmitglied der KKE, wegen seiner Gesinnung hinrichten.

Feldmarschall Alexandros Papagos war Generalstabschef der Rechtsnationalen im griechischen Bürgerkrieg. Er folgte 1952 auf Plastiras als Premier und setzte die streng antikommunistische Politik fort. Heute, im Wahlkampf fand Tsipras die Kritik der EDA an beiden falsch. Es war seine Antwort auf die Kritik aus der KKE, an antikommunistischen Sprüchen aus Reihen von Syriza.

8. Mitsotakis treuester Helfer

Syriza ging mehrfach die KKE an. Sie sei Mitsotakis treuester Helfer, wurde behauptet. Tatsächlich hat Syriza im Parlament der Hälfte der Gesetzesvorhaben von Mitsotakis zugestimmt. Übertroffen wird dies nur von den siebzig Prozent der Pasok.

9. Die Nato in Griechenland

Anders als in den übrigen europäischen Staaten ist es in Griechenland für Parteien des linken Spektrums nicht angebracht, der Nato unkritisch gegenüberzustehen. Zu sehr war das Verteidigungsbündnis in die Verfolgung Linker, die Militärdiktatur von 1967 bis 1974 sowie in die bis heute bestehende Besetzung eines Drittels von Zypern verwickelt.

Tsipras hatte nach seinem Schwenk zum Sparkurs nicht nur die vorher verurteilten unsozialen Sparmaßnahmen durchgedrückt. Er sorgte mit seiner Nato freundlichen Politik dafür, dass Griechenland heute über die Stützpunkte wie den Hafen von Alexandroupolis verfügt, über die von der Nato Waffensysteme in die Ukraine gebracht werden.

Tsipras hatte als Transatlantiker sogar dem umstrittenen US-Präsidenten Donald Trump attestiert, "diabolisch gut" zu sein. Mitsotakis setzt nur fort, was Tsipras begann.

10. Werben um Neonazis

Besonders fatal war in der letzten Wahlkampfwoche der Aufruf Tsipras an potenzielle Wähler der verbotenen neonazistischen Parteien, Syriza zu wählen. Explizit wandte sich Tsipras an das Wählerpotenzial der Goldenen Morgenröte und an die von den Wahlen ausgeschlossene Partei des inhaftierten Neonazis Ilias Kasidiaris. Tsipras stufte die Wähler als antisystemische Menschen ein und meinte, sie würden zu seiner Partei passen.

Dazu kommt als – von Tsipras nicht zu verantwortender – Grund für die Niederlage, dass die Presse in Griechenland zwar frei berichten kann, von Mitsotakis jedoch die regierungsfreundliche Presse finanziell während der Pandemie gefördert wurde. Das Gesamtbild der Medien in Griechenland hat sich nach rechts bewegt.