Zeigt der Bizeps die politische Einstellung?

Nach Psychologen soll es bei Männern einen evolutionsbedingten Zusammenhang zwischen körperlich starken Männern und Egoismus geben

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Jetzt wissen wir, wie die Sache läuft. Die Psychologen Michael Bang Petersen von der Aarhus University und Daniel Sznycer von der University of California in Santa Barbara glauben einen Zusammenhang zwischen dem Körper eines Mannes und dessen politischer Haltung zur Umverteilung zugunsten der Ärmeren entdeckt zu haben.

Der Umfang des Bizeps soll auf den Egoismus und damit auf die Einstellung zur Umverteilung des Reichtums schließen lassen. Bild: Gay Pride/CC-BY-SA-2.0

Körper ist eigentlich zu viel gesagt. Die Wissenschaftler haben nämlich untersucht, wie sie in ihrem Beitrag in der Zeitschrift Psychological Science schreiben, ob die Stärke des Bizeps am Oberarm und die sozioökonomische Klasse einer Person deren Einstellung zur Verteilung des Reichtums beeinflusst. Ausgangspunkt war, dass vermutlich früher, als die Menschen noch Jäger und Sammler waren, physische Kraft primär war, sich sozial durchzusetzen und sich einen privilegierten Zugang zu Ressourcen zu verschaffen. Die Verteilung der Ressourcen sei also vorwiegend durch Kraft geregelt worden, die Starken setzen dabei das eigene Interesse primär, die gerechte Verteilung der Ressourcen ist keine Toppriorität, so die Wissenschaftler.

Anscheinend gehen die Wissenschaftler davon aus, dass Kooperationsfähigkeit, soziale Intelligenz und Klugheit "damals" keine große Rolle spielten, was doch auch eine verengte Projektion zu sein scheint. Schließlich nützt die körperliche Überlegenheit alleine auch nichts, wenn es um die Führung einer Horde geht, in der sich schwächere Gegner auch zusammenschließen können. Aber das nur nebenbei.

Weil diese angenommene Überlegenheit durch körperliche Kraft doch Millionen Jahre evolutionsbiologisch dominant gewesen sei, müsse sie auch heute noch das Verhalten und die politische Einstellungen prägen, nachdem die gesellschaftlichen Veränderungen durch die landwirtschaftliche und industrielle Revolution gerade einmal etwas mehr als 10.000 Jahre zurückreichen und ziemlich abrupt geschehen seien.

Wenn also die irgendwie evolutionär geprägten Einstellungen zur Verteilung der Ressourcen vor allem auf körperliche Kraft beruhen, dann wäre, so die Wissenschaftler, die Stärke des Bizeps eine Möglichkeit, diese körperliche Kraft zu messen, die entscheidend sein soll, Ressourcen zu verteidigen oder zu erlangen. Auch jetzt würden die Menschen visuell noch die Kraft eines Menschen u.a. durch die Muskeln an Armen und am Oberkörper abschätzen.

Die Hypothese ist, dass Männer mit einem stärkeren Bizeps egoistischer sind. Aber ihre politische Einstellung würde sich je nach sozioökonomischen Status unterscheiden. Die reicheren starken Männer würden gegen eine Umverteilung sein, während die ärmeren starken Männer für diese eintreten, weil sie aufgrund ihrer Körperstärke auf mehr Ressourcen Anspruch erheben. Untersucht wurden Männer und Frauen in den USA, in Dänemark und Argentinien. Es wurde der Umfang des Bizeps gemessen, mit einem Fragebogen der sozioökonomische Status ermittelt und mit Fragen die Einstellung zur gesellschaftlichen Umverteilung des Reichtums abgeklärt.

Bei den Männern wurde die Hypothese bestätigt, dass körperlich starke Männer die Ressourcenverteilung aus dem eigenen Selbstinteresse sehen und im Hinblick auf Steuern eher "rechte" Positionen vertreten, bei den Frauen spielte die körperliche Stärke keine Rolle. Die Wissenschaftler meinen, evolutionär hätte es bei Frauen weniger eine Rolle gespielt, sich Kämpfen mit körperliche Gewalt auszusetzen.

Männer, die am Oberarm schwächliche Muskeln hatten, vertraten auch weniger ihr Selbstinteresse und waren demgemäß eher "links". Die Reichen zeigten weniger Widerstand gegen Umverteilung, die Ärmeren waren weniger stark für eine solche. Haben also die schwachen Männer mehr Angst, ihre Interessen durchzusetzen? Müssen Männer nur im Fitnessstudio und mit Aufbaupräparaten ihre Muskeln anschwellen lassen, um sich stärker durchzusetzen?

Bei Frauen hat die Körperstärke keinen Einfluss auf die Einstellung, was evolutionäre bedingt sein soll

Nach Ansicht der Wissenschaftler würde also bei starken und schwachen Männern - aber nicht bei Frauen - ihre Einstellung zur Umverteilung des Reichtums noch immer irgendwie so beeinflusst werden, als würden sie in einer kleinen Gruppe darum körperlich kämpfen müssen. Politische Einstellungen können also nicht allein durch ökonomische Modelle erklärt werden, aber sie seien insofern rational, sagen die Wissenschaftler, als sie "durch die natürliche Selektion geprägt sind, um unter den herrschenden Bedingungen während menschlichen Evolutionsgeschichte zu funktionieren". Da Frauen völlig herausfallen, müsste man auch schon deswegen dankbar sein, dass es ein Frauenwahlrecht gibt. Allerdings sollte man evolutionspsychologisch davon ausgehen müssen, dass Frauen auch körperliche starke Männer bei Wahlen konsequenterweise bevorzugen müssten

Zweifel darf man an den Thesen schon haben. Wenn Politik noch von der angeblich durch körperliche Stärke von Männern beeinflussten Haltung geprägt würde, warum sind dann so wenige Muskelmänner an der Spitze von Regierungen und Unternehmen? Sie mögen dick sein oder auch durchtrainiert und schlank, was heute eher verlangt wird, aber die Muskelprotze findet man in der sozialen Hierarchie gemeinhin, einzelne Schwarzeneggers mal ausgenommen, eher weiter unten. Ein Blick in die deutsche Regierungsmannschaft spricht Bände. Selbst in Gewaltherrschaften wie bei den Nazis war dies nicht der Fall, wo ein Hänfling wie Hitler ganz oben stand.

Es könnte allerdings auch sein, dass die Muskelmänner daran scheitern, sich in Parteien hocharbeiten zu können. Das dürfte allerdings auch dafür sprechen, dass selbst in früheren Zeiten Muskelkraft alleine nicht ausschlaggebend sein kann, um in einer Gruppe/Gesellschaft zu reüssieren.