Zensur in Iran

Seite 2: Die Zensur kann jeden treffen

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Im Mai hatte der iranische Schriftstellerverband protestiert, weil im Zuge der Teheraner Buchmesse Werke aus dem Verkehr gezogen worden waren, obwohl das Kulturministerium ihre Veröffentlichung zuvor genehmigt hatte. Das ist keine Seltenheit. Dass ein Buch den Zensurprozess übersteht, bedeutet nicht, dass es für immer und ewig frei verkäuflich bleibt. Auch im Nachhinein können Bücher – oft mit völlig willkürlichen Begründungen – eingezogen werden. Diese Praxis hat bisher unzählige Verleger in den Ruin getrieben. Das Verbot eines Werkes bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass es nicht mehr zu haben ist. In Iran gibt es kein Urheberrecht. Für Verleger und Autoren ist das freilich ein immenses Problem. Auf der anderen Seite wird diese Tatsache von unabhängigen, der Opposition nahe stehenden Druckereien genutzt, um verbotene Werke zu vervielfältigen und zu verbreiten. Der Hunger der Menschen in Iran ist groß – dementsprechend floriert der Schwarzmarkt, auf dem relativ problemlos auch Pornographie, westliche Musik, unzensierte westliche Filme und Alkohol zu haben sind. All das ist offiziell nicht erlaubt, gilt als unislamisch. Wer erwischt wird, riskiert empfindliche Strafen.

Diwan von Hafez

Die Zensur kann jeden treffen und treibt mitunter absurde Blüten. Sogar der Nationaldichter Chadje Shams ad-Din Muhammad Hafez-e Shirazi, kurz Hafez, ist einigen der Verantwortlichen ein Dorn im Auge, den in seinen Ghasalen (klassische persische Gedichtform) preist er die Frauen und den Wein. Den Radikalkonservativen gilt er als verlotterter Trinker. Aber an ihn kommen sie nicht ran. Hafez' "Diwan" genießt unter Iranern ebenso große Verbreitung wie der Koran. Das Buch steht in jedem Haushalt.

Sadegh Hedayat (1903-1951), der mit seinem Roman "Die blinde Eule" (Buf-e Kur) als Begründer der modernen iranischen Prosaliteratur gilt und nicht zu Unrecht die Bezeichnung "Iranischer Kafka" trägt, wurde großteils vom offiziellen Buchmarkt getilgt. Der Protagonist der "blinden Eule" ist Trinker, drogensüchtig (wie Hedayat selbst) und ein Mörder. Das Buch ist international als literarisches Meisterwerk anerkannt. Für die iranischen Behörden und regimetreue Akademiker, die an den Universitäten Literatur unterrichten, gilt es als "Schund", der islamische Prinzipien verletzt.

Sadegh Hedayat

Der aktuellste Roman des iranischen Romanciers Mahmud Doulatabadi, "Der Colonel", durfte in Iran nicht erscheinen. Die Ershad bezeichnete den Roman als "Meisterwerk", das man unmöglich kürzen könne, veröffentlichen könne man es aber auch nicht. Der Schriftsteller Amir Hassan Cheheltan, der zurzeit in Berlin lebt, reichte seinen letzten Roman "Teheran. Revolutionsstraße" erst gar nicht zur Prüfung ein. Das Werk ist bisher nur in Deutschland erschienen.