Zensynchronisation

Eine Unterschriftenaktion will mehr Untertitel und Zweikanalton im Fernsehen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In den USA startete der Brüno-Film mit relativ vielversprechenden Zuschauerzahlen, während er in Deutschland zu floppen scheint. Das kann mehrere Gründe haben - aber einer davon ist sicherlich die in diesem Film sonderlich misslungene Übertragung ins Deutsche, die dem eigentlich nicht uninteressanten Original sämtliche Reize nimmt.

Auf der Website Gegen Synchronisation werden derzeit Unterschriften gegen die nach Ansicht der Intitiatoren häufig kulturzerstörerischen Auswirkungen der bisherigen Eindeutschungspraxis in Film und Fernsehen gesammelt. Ist eine "anschauliche Summe" an Signaturen erreicht, will man sie an Fernsehsender und an den Bundestag weitergeben.

Relikt aus der Nachkriegszeit

Mittlerweile verstehen auch deutsche Hauptschulabsolventen englische Filme und Serien. Zumindest dann, solange dort nicht britische Äquivalente zu ihnen parodiert werden, wie etwa Vicky Pollard (von der man im DVD-Kommentar aber erfährt, dass ihr Darsteller seine Sätze lange und mit dem expliziten Ziel übt, das unverständlichste Englisch der Welt zu erzeugen).

In der unmittelbaren Nachkriegszeit war dies anders. Damals reichten die Englischkenntninsse der meisten Deutschen gerade einmal zum Zigarettenschnorren. In dieser Zeit etablierten sich Synchronstudios in München, Berlin, Hamburg, Remagen und Berlin, die Filme aus den USA, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion für ein deutsches Publikum umarbeiteten. Dabei wurde nicht nur übersetzt, sondern auch zensiert. Das geschah allerdings weniger auf politische Anordnung hin, als auf Wunsch von Medienkonzernen wie Warner Brothers, die möglichst niemanden vor den Kopf stoßen und so möglichst viel Profit erwirtschaften wollten.

In der Synchronfassung von Casablanca wurde so aus dem Tschechen Victor Laszlo ein schwedischer Atomwissenschaftler, der auf der Flucht war, weil er seine Erfindung zerstört hatte. Major Strasser und andere Nazis schnitt man einfach heraus. Erst 1975 wurde eine näher am Original liegende deutsche Fassung angefertigt. Casablanca ist das bekannteste Beispiel für solch eine "Zensynchronisation", war aber beileibe kein Einzelfall: Auch in der ersten deutschen Fassung von Alfred Hitchcocks Notorious sollte Cary Grant nicht Nazis, sondern Rauschgiftschmuggler enttarnen und noch in den 1960er Jahren machte man im Quiller Memorandum aus Nazis "dunkle Mächte".

Darüber hinaus zensynchronisierte man auch gerne Kommunisten und deren Jäger. Aus Samuel Fullers Pickup On South Street wurde "Lange Finger - Harte Fäuste" und aus den Agenten darin Rauschgiftschmuggler. Zudem ergänzte man den Film um eine erklärende Einführung, in der es hieß, dass in Deutschland kein solch hartes Vorgehen der Polizei üblich wäre, weil es so "außergewöhnlich gefährliche Verbrecher" dort nicht gebe.

Auch in Big Jim McLain, in dem John Wayne im Original für den HUAC Kommunisten jagt, ist er in der Synchronfassung einem Marihuanaschmugglerring auf der Spur. In einer Szene dieses Films spricht er mit der Frau seines Herzens, die als Psychologin in der Klinik des Schurken arbeitet. Im Original sagt sie ihm, dass sie nachgedacht hat, und er bestärkt sie, dass sie das auch sollte - als Psychologin. In der deutschen Fassung antwortet er dagegen wörtlich mit "das sollten Sie lieber lassen!" Dann erklärt die Psychologin in der englischsprachigen Fassung sehr freudianisch, warum ihr Chef wohl ein kommunistischer Agent geworden sein könnte. Der deutsche Synchronredakteur, dem dies möglicherweise unheimlich oder unverständlich vorkam, setzte stattdessen etwas ein, was er vielleicht von früher her kannte - und so vermutet die Psychologin in der 1953 entstandenen deutschen Fassung, dass ihr Chef vielleicht "erbkrank" sein könnte.

Im Laufe der Zeit und mit der Verbesserung der Vergleichsmöglichkeiten wurde die Zensynchronisation von als problematisch empfundenen Bemerkungen zwar seltener, verschwand aber keineswegs. In Starship Troopers, einem erst 1997 entstandenen Film, machte man beispielsweise aus

This year we explored the failure of democracy, how the social scientists brought our world to the brink of chaos. We talked about the veterans, how they took control and imposed the stability that has lasted for generations since.

das unverfänglichere

Unser Thema war dieses Jahr die politische Entwicklung der Jahrtausendwende. Und wie Außerirdische diese Entwicklung beeinflusst haben. Wir sprachen über die Bugs, wie sie die Erde angriffen und Tausenden unserer Vorfahren den Tod brachten.

Unfähigkeit und Unmöglichkeit

Obwohl es auch relativ gelungene Beispiele gibt (und sogar Spezialfälle wie die Serie Die Zwei, die mehr bieten sind als die Originale), sorgen Synchronfassungen im Allgemeinen eher für Probleme.

Man kann die Geschichte der Eindeutschung von Filmen und Serien, analog zu einem bekannten Werbespruch für ein Hygieneprodukt, als eine "Geschichte der Missverständnisse" bezeichnen. Man kann sich aber auch fragen, ob die Mindestqualifikationsanforderungen für Synchronredakteure wirklich hoch genug angesetzt sind, wenn etwa im Fall einer Drawn-Together-Folge trotz eines an Eindeutigkeit nicht zu überbietenden Kontextes aus mehreren möglichen Bedeutungen eines Wortes zielsicher die ganz offensichtlich falsche ausgewählt und aus "Minstrelsy" "Minnesang" gemacht wird. Besonders berüchtigt für solche sehr groben Fehler war das Team um Ivar Combrinck, das unter anderem die deutschen Fassungen von Futurama und den Simpsons verantwortete.

Allerdings ist es nicht immer Unfähigkeit, die Synchronfassungen scheitern lässt. Auch wenn Redakteure mit Englischkenntnissen ans Werk gehen, entgeht dem deutschen Zuschauer häufig immer noch eine Menge an Feinheiten und Witzen. Oder er bekommt vermeintliche Informationen, die es in der Originalfassung gar nicht gibt: Dort auch für Muttersprachler unverständliche Äußerungen (die der Dramaturgie nach häufig so sein müssen) werden in der Synchronfassung meist gnadenlos zu verständlichen Deutsch gemacht, indem man die entsprechenden Dialogstellen mehr oder weniger erfindet.

Vor praktisch unlösbaren Problemen steht die Synchronisation, wenn Figuren im fremdsprachigen Original deutsch sprechen. Akzente, aber auch Dia- und Soziolekte sind oft tragender Bestandteil von Filmen und Serien, der entweder durch eine unterschiedslose Übertragung ins Hochdeutsche entfernt, oder durch Analogsetzung ins Bizarre gezogen wird. In Truck Turner, einem Blaxploitation-Film mit Isaac Hayes, unternahm man beispielsweise den Versuch, afroamerikanische Vernakularformen mittels einer Art Unterschichtsdeutsch wiederzugeben - was so grandios misslang, dass man dem Ergebnis durchaus einen gewissen zeitgeschichtlichen Wert zusprechen kann.

Hinzu kommt, dass deutsche Synchronsprecher zwar nicht einfach vorlesen, aber die in teilweise monatelanger Übung entstandenen darstellerischen Eigenheiten in den Originalfassungen meist nur bedingt wiedergeben können. Auch die - eigentlich sehr gute - Synchronstimme von Clint Eastwood vermag beispielsweise das mit zunehmendem Alter immer charakteristischer werdende Raunzen des Schauspielers nur zum Teil zu imitieren, weshalb man bei Gran Torino wenigstens darauf verzichtete, das Musikstück am Schluss deutsch nachsingen zu lassen. Eine Praxis, die nach dem Krieg noch weit verbreitet war, und die man unter anderem bei Fred-Astaire-Musicals anwendete. Fünfzig Jahre später war selbst das ZDF so einsichtig, die Musicalnummern in den Simpsons zu untertiteln, anstatt zu synchronisieren. Ein Beleg dafür, dass Wandel möglich ist.

Untertitel und Zweikanalton

Dem derzeitigen Synchronelend lässt sich nach Ansicht der Seiteninitiatoren auf mehrerlei Wegen abhelfen: Neben Untertitelung sieht man auch in der Wiedereinführung des Zweikanaltons eine Möglichkeit. Dieses früher verbreitete Angebot verschwand (bis auf Ausnahmen) vor allem aus lizenzrechtlichen Gründen: Rechteinhaber kamen nämlich auf die Idee, für die Ausstrahlung der Originaltonspur eine zweite Sendelizenz zu verlangen, die teilweise sogar den Preis der synchronisierten Fassung übersteigen sollte.

Untertitel dagegen sind nicht nur kostengünstiger als Synchronfassungen, sie würden auch Millionen von älteren Hörgeschädigten eine Hilfe und mindestens ebenso vielen ihrer lärmgeplagten Nachbarn ein Segen sein. Hinzu kommt (wie auch das Europaparlament in einer Erklärung festhielt), dass die Untertitelung das Erlernen von Fremdsprachen fördert. Unter anderem deshalb sind die durchschnittlichen Englischkenntnisse in Untertitelländern wie Schweden und den Niederlanden wesentlich besser als in Synchronländern wie Deutschland oder Frankreich.