Zum Bauern wird man geboren

Beruht der Wechsel vom Nomaden zum sesshaften Ackerbewirtschafter auf Erzählung oder familiären Bindungen?

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Wahrscheinlich kam der moderne Mensch aus Afrika und wanderte. Ganz langsam kam er voran, dehnte seinen Lebensraum aus, pro Generation gerade um zehn bis fünfzehn Kilometer – ein Tagesmarsch.

Ursprünglich war der Mensch immer in Bewegung, erst in der Steinzeit ließ er sich nieder, baute sich ein Haus und begann den Boden zu beackern. Seit langem wird darüber diskutiert, wie sich die so genannte neolithische Revolution abspielte und welche Faktoren dafür entscheidend waren, dass es immer mehr Landwirte gab. Jetzt belegt ein deutsch-indisches Wissenschaftler-Team erneut die These, dass genetische Komponenten eine wichtige Rolle gespielt haben.

Bis vor ungefähr 12.000 Jahren lebten alle Menschen als Jäger und Sammler. Sie durchstreiften das Land, aßen Früchte, Beeren und das Fleisch erlegter Wildtiere. Die ersten Orte entstanden noch in der Jäger- und Sammlergesellschaft, wie die Funde im anatolischen Göbekli Tepe beweisen (Ein frühneolithisches Bergheiligtum im südosttürkischen Taurusvorland).

Sitzende Frauenfigur aus Catal Huyuk, ca. 8.000 Jahre alt

Das Neolithikum, die Jungsteinzeit, bedeutet den Übergang zu Sesshaftigkeit, Ackerbau und Viehzucht. Diese Revolution begann im Vorderen Orient, dem "fruchtbaren Halbmond". Von dort breitete sich die neue Lebensart immer weiter aus. Die Bauern rodeten und erschlossen Felder, sie domestizierten Haustiere und begannen mit der Zucht ausgewählter Pflanzen- und Tiersorten. Sie bauten feste Siedlungen. Es handelt sich also um einen grundlegenden Wandel der Wirtschaftsstufe des Menschen. Das dauerte Jahrtausende, in Nordeuropa kam das Bauerntum erst im fünften Jahrtausend vor Christus an.

Die Anthropologen diskutieren seit vielen Jahren darüber, was für die kontinuierliche Ausbreitung der bäuerlichen Lebensweise entscheidend war: die demische Verbreitung ("demic diffusion"), die Zuwanderung von Bauern, die ihr landwirtschaftliches Wissen mitbrachten und sich mit der einheimischen Bevölkerung vermischten, oder die kulturelle Verbreitung ("cultural diffusion"), die davon ausgeht, dass sich die neue Lebensart sozusagen herumsprach, ohne dass eine signifikante Migration stattfand.

Verschiedene Modelle wollen den Wechsel zum Bauern erklären

Das Modell der demischen Ausbreitung bedeutet, dass sich das Erbmaterial der Zugewanderten in der Bauerngemeinde finden lassen müsste, während das der kulturellen Verbreitung keine besondere Veränderung der genetischen Merkmale vorsieht. Die Hypothesen können also durch vergleichende Untersuchungen der Gene in traditionellen Bauerngemeinden und traditionellen Jäger- und Sammlergruppen sowie jungen Bauerngemeinschaften, die erst kürzlich diese Lebensform übernommen haben, überprüft werden. Sind die jungen Gemeinschaften enger mit den Jäger- und Sammlergruppen verwandt, spricht das für die kulturelle Verbreitung, sind sie eher Nachkommen der traditionellen Bauern, ist das eine Untermauerung des demischen Ansatzes.

Genetische Studien der europäischen Bevölkerung haben keine klaren Resultate erbracht, weil die Merkmale des Erbguts der prä-agrikulturellen Bewohner unbekannt sind. Deswegen haben sich Richard Cordaux und Mark Stoneking vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig sowie Edwin Deepa und H. Vishwanathan von der indischen Bharathiar University die genetischen Muster von Südindern näher angesehen und ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals Science veröffentlicht.

Das Erbgut als Beweis

Im Süden Indiens leben für die Forscher optimale Ausgangsgruppen, denn es gibt dort sowohl alteingesessene Bauern als auch Landwirte, die erst seit ungefähr 3.000 Jahren in dieser Existenzform leben. Dazu kommen Stämme von Ureinwohnern, die sich zum Teil heute noch als Jäger und Sammler oder Hilfsarbeiter durchschlagen.

Die Forscher um Cordaux untersuchten fast 600 Männer auf spezielle Merkmale des Y-Chromosoms. 60 davon stammen aus der "jungen Landwirtschaft", 71 sind Jäger und Sammler. Der Rest stammte von altgedienten Bauern.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Bevölkerungsgruppe, die erst seit einigen Jahrtausenden Äcker bebaut, mit den alteingesessenen Bauern näher verwandt ist, als mit den jagenden und sammelnden Ureinwohnern. Ein Testscreening von mehr als 600 Personen mit mitochondrialer DNS, also mütterlichem Erbmaterial, bestätigte das Resultat.

Die Autoren betrachten ihre Ergebnisse als Untermauerung des demischen Modells:

"Die Muster des Y-Chromosoms und die Variationen der mitochondrialen DNS in Südindien deuten daraufhin, dass die Gruppen, die kürzlich von der Strategie als Jäger-Sammler-Subsistenz zur Landwirtschaft wechselten, begleitend dazu Gene von traditionellen Landwirten bekommen haben. Das bestätigt die Gültigkeit des Modells demischer Diffusion bei der Verbreitung der Landwirtschaft in Indien."