Zurückweisung von Migranten: Machtkampf zwischen Merkel und CSU geht weiter

Nach Tschechien und Ungarn dementiert auch Polen, dass es zu "neuen Abmachungen bei Rückführungen gekommen ist"

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Auch Polen dementiert. Es gebe "keine neuen Vereinbarungen, die Aufnahme von Asylsuchenden von EU-Ländern betreffend", so der Sprecher des polnischen Außenministeriums, Artur Lompar.

Zuvor kamen Widersprüche zu Merkels Behauptungen aus Ungarn und Tschechien. Orbán bestritt laut Tagesschau, dass er der deutschen Kanzlerin gegenüber "Zusagen zur beschleunigten Rückführung von Asylbewerbern gemacht" habe. Auch aus Prag wird gemeldet, dass es keine Zusagen gegeben habe.

Die Einsprüche in Ungarn und Tschechien dort fallen unmissverständlich aus. Dort sind die Regierende wie in Polen nicht interessiert, öffentlich in die Nähe der Migrationspolitik von Merkel zu geraten. Punkte bringt nur die Abgrenzung von Merkel.

"Das ist eine gewöhnliche Zeitungsente, es ist zu keinerlei Vereinbarung gekommen", soll Orbán der staatlichen Nachrichtenagentur MIT gesagt haben. " "Diese alarmierende Nachricht ist völliger Unsinn", wird der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis zitiert.

An den Äußerungen eines deutschen Regierungssprechers, der am Freitagabend zur Reaktion aus Tschechien Stellung nahm, ist hingegen die Formulierungsarbeit des Merkel-Apparats abzulesen. Man bedaure die Äußerungen aus Prag. Zuvor sei aber "von tschechischer Seite (…) die Bereitschaft ausgedrückt worden, ein Verwaltungsabkommen über verbesserte Zusammenarbeit bei Rücküberstellungen (...) zu verhandeln."

Das wackelnde "Wenn"

Verwaltungsabkommen sind noch keine Rückübernahmevereinbarungen, die Merkel ausdrücklich mit Spanien und Griechenland getroffen hat. Dennoch wurden beide Begriffe "sinngemäß" oder eben "politisch" einander angenähert, als die Kanzlerin am Freitag verkündete, dass sich eine "Vielzahl von Ländern" bereit erklärt habe, "Asylsuchende zurückzunehmen, die nicht direkt an den Grenzen aufgegriffen werden". Das berichtete die SZ von der Pressekonferenz, wo sich Merkel optimistisch zeigte

Wenn das alles umgesetzt wird, dann ist das mehr als wirkungsgleich.

Angela Merkel

Das "wenn" wackelt wieder nach den Äußerungen aus den drei Visegrád-Staaten, deren Zusagen als ganz besonderer Erfolg der europäischen Lösung der Kanzlerin in den Nachrichten verbreitet wurden. Die gestrige Schlagzeile eines Zeit-Artikels machte klar, dass die Merkel-Unterstützer trotz der Dementis aus Ungarn und Tschechien vor allem einen Erfolg der Politik der Kanzlerin sehen: "Zahlreiche EU-Staaten sollen Flüchtlingsrücknahme zugesichert haben. Die Kanzlerin hat offenbar mit 14 Ländern eine beschleunigte Rückführung von Migranten vereinbart."

Aber jetzt widersprach auch noch Polen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt äußerte gegenüber der Bild am Sonntag: "Angesichts der divergierenden Wortmeldungen aus einigen EU-Mitgliedsstaaten kann man Zweifel haben, ob die Ratsbeschlüsse alle Realität werden."

Gab es zuvor Signale aus der bayerischen Partei, dass sich eine Annäherung abzeichne und eine Regierungskrise gar nicht in der Absicht liege, so sieht das nach den Wortmeldungen aus Tschechien, Ungarn und zuletzt Polen wieder anders aus. Das Machtkampf-Theater geht weiter.

Dobrindts Pochen auf "nationalen Maßnahmen" läuft machtpolitisch auf den CSU-Test hinaus, wer den härtesten Kopf hat - hinhalten muss Seehofer - und wie viel Unterstützung die CDU-Chefin in den eigenen Reihen hat.

Gestern trafen sich Merkel und Seehofer zu einem Gespräch. Nach außen drang nichts. Am heutigen Sonntagnachmittag kommt der CSU-Vorstand mit der Bundestagsfraktion zusammen; ab 17 Uhr trifft sich die CDU-Spitze und ab 19 Uhr kommt der Bundesvorstand zusammen. "Im Anschluss wollen beide Parteien die Presse über Ergebnisse unterrichten", steht auf dem Programmzettel.

Den vorläufigen Höhepunkt findet das Drama dann heute Abend im öffentlich-rechtlichen Sender ZDF, wo die Kanzlerin Merkel ihr Sommerinterview gibt. Erwartet wird, dass Merkel sich dort dazu äußern wird, ob sie mit dem CSU-Innenminister zu einer gemeinsamen Position bei Punkt 63 des Seehofer-Masterplans gekommen ist.

Auch die SPD sprach sich heute noch einmal deutlich "gegen nationale Alleingänge" aus.