Zwangs-Outing der republikanischen Schwulen
Drei Wochen vor den US-Kongresswahlen weitet sich "Foleygate", der Skandal um die anzüglichen Emails des Ex-Abgeordneten Mark Foley an minderjährige Volontäre, immer weiter aus
Der Kongress hat einen Untersuchungsausschuss eingerichtet, die Bundespolizei FBI ermittelt. Treibende Kraft sind einerseits Internet-Aktivisten, die schwulen Republikanern Heuchelei vorwerfen und Zwangs-Outing betreiben, und andererseits rechte christliche Fanatiker, die die Republikanerpartei am liebsten "säubern" würden.
Mark Foley war vor zwei Wochen von seinem Abgeordnetensitz zurückgetreten (Ein Skandal kommt den Demokraten in den USA zugute) und hatte erklärt, sich vorläufig in eine Alkoholentzugsanstalt in Florida zurückzuziehen. Dass er stattdessen dieses Wochenende bei einem Countrymusic-Konzert in der texanischen Hauptstadt Austin gesichtet wurde, vergrößerte nur die Häme, die seit zwei Wochen über ihn und andere schwule Rebublikaner vergossen wird.
Noch hat das Zwangs-Outing die traditionellen Massenmedien nicht erfasst. Doch im Internet wird von allen Seiten her heftig spekuliert. Der schwule Washingtoner Aktivist Mike Rogers begann beispielsweise auf seiner Webseite die Namen, Fotos und Profile nicht offen auftretender homosexueller Republikaner, die im Weißen Haus, im Senat und im Abgeordnetenhaus arbeiten, zu veröffentlichen. In Fernseh- und Radiointerviews begründet er das von ihm betriebene Zwangs-Outing als "Notwendigkeit". Schwule Republikaner würden "der Community schaden, deren Schutz sie beanspruchen".
Richtig ist die These insofern, als die Republikaner von wenigen Ausnahmen abgesehen gegen die rechtliche Gleichstellung sexueller Minderheiten Politik machen und ihre Macht von Wahl zu Wahl mit der "Gefahr für das christliche Amerika und die Familienwerte", die von Homosexuellen ausgehe, zu zementieren versuchten. Die Strategie des "gay bashing" nach außen hin bei gleichzeitiger Beschäftigung homosexueller Mitarbeiter – solange diese im "closet" blieben und ihre Sexualität nicht öffentlich machten - funktionierte.
Doch seit Bekanntgabe der kompromittierenden Emails durch den Fernsehsender ABC und Foleys unverzüglichem Rücktritt sickerte durch, dass die Republikaner-Führung über Foleys virtuelle und reale Annäherungsversuche an Teenager sehr viel länger Bescheid wusste. Vor allem der Sprecher des Repräsentantenhauses Danny Hastert sieht sich seitdem unter schwerem Beschuss. Er habe die Sache schlichtweg ignoriert und sich, statt den Parteikollegen Foley rechtzeitig zur Ordnung zu rufen, auf Republikaner-Manöver gegen die Demokraten und eine loyale Politik gegenüber dem Weißen Haus konzentriert, heißt es.
Die christliche Rechte, bisher als "Theocons" ein loyaler Verbündeter der Republikaner und nicht zuletzt Stimmenbeschaffer für Bush und seine Partei, roch die Lunte. Tony Perkins vom Family Research Center sagte beispielsweise, der Skandal beweise, dass die Republikanerpartei für Schwule keinen Platz habe. Der Fernsehprediger und Milliardär Pat Robertson erklärte Foley zur moralischen Krankheit für die Partei. Wenn solche "Geschwüre" nicht schleunigst entfernt würden, dann würde der "worst case" eintreten: die Machtübernahme der Demokraten im Kongress und die endgültige Aufgabe der Moral.
Die Protagonisten eines "christlichen Amerika" setzen dabei auf eine Verschwörungstheorie namens "Velvet Mafia". Eine schwule Samt-Mafia, selbst bei den Republikanern, kontrolliere große Teile der Washingtoner Machtzentren. Bei den offen auftretenden Homosexuellen in der Republikanerpartei, die sich zu den Log Cabin Republicans zusammengeschlossen haben, geht unterdessen die Angst vor Jobverlust und Intrigen um.
Die linke Wochenzeitschrift "The Nation", die vor eineinhalb Wochen von der Existenz einer "schwarzen Liste" (The Drip-Drip-Drip of the Foley-Hastert-Scandal) mit den Namen schwuler "closet"-Republikaner berichtet hatte, die liberale Blogger angeblich an christliche Fundamentalisten geschickt hätten, prognostizierte vor wenigen Tagen eine "Säuberungsaktion" (The Coming Gay Republican Purge) bei den Republikanern, basierend auf "The List".
Ob sich darauf auch Dennis Hastert befindet, wird sich in den kommenden Wochen vor den Wahlen am 7. November zeigen. Schon jetzt geistert auf zahlreichen Blogs das Gerücht herum, Hastert sei schwul - nicht zuletzt, weil er ganz gegen die Gepflogenheiten mit seinem Büroleiter zusammenlebt - was die "Theocons" endgültig vom Urnengang abhalten und den Demokraten Kongressmehrheiten verschaffen würde.