Atheismus ist ein "Anschlag auf Gott"

In Australien nutzen Bischöfe Ostern, um vor Atheisten zu warnen, die einem Götzendienst frönen

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Es ist nicht so, dass die katholischen Geistlichen nun weltweit etwas leiser auftreten, nachdem wieder einmal deutlich geworden ist, dass ihre autoritär geführte Männerorganisation aus vergangenen Zeiten Schwierigkeiten mit ihrer Moral und Sexualität hat und lieber versucht, die eigene Haut zu retten, als den Opfern zu helfen.

Während einige Bischöfe wie Kardinal Lehmann oder Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, nun endlich auch das Verhalten der Kirche kritisieren, machen die Hardliner weiter. Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller nutzte die Messe vom letzten Abendmahl, um die Kritiker der Kirche zu denunzieren: "Die Hingabe der vielen im Dienst an den Armen, Unterdrückten und den Notleidenden müsse von manchen verdächtigt werden, damit man nicht in der Gottvergessenheit und der Selbstverliebtheit gestört werde. Dabei sei in einem materialistischen und darum geist- und gottvergessenen Weltbild ohne Aussicht auf Erlösung in der Liebe des personalen Gottes, jede Form uneigennütziger Liebe ein Ärgernis erregender Vorwurf, auf den man nur mit Häme zu reagieren wisse", wird vom Bistum seine Rede wiedergegeben.

Noch unangenehmer zog der päpstliche Hausprediger Raniero Cantalamessa in Anwesenheit des Papstes einen Vergleich der gegenwärtigen Kritik am Vatikan und Papst mit dem Antisemitismus. Zum Beleg dafür, dass die katholische Kirche "Opfer kollektiver Gewalt" sei, zitiert er aus einen angeblichen Brief eines jüdischen Freundes, den Cantalamessa so wiedergibt, um den Vorwurf und die peinliche Selbststilisierung nicht explizit sagen zu müssen: "Ich verfolge angeekelt den brutalen und konzentrischen Angriff auf die Kirche, den Papst und alle Gläubigen seitens der ganzen Welt. Der Gebrauch von Stereotypen, der Übergang von der persönlichen Verantwortung und Schuld zu einer Kollektivschuld rufen mir die schändlichsten Aspekte des Antisemitismus in Erinnerung."

In Australien nutzten Geistliche die Ansprachen zu den Osterfeiertagen, um die Atheisten zu geißeln.

Weit entfernt von den Missbrauchsfällen hat nun in Australien hat nun Anthony Fisher, der neue Bischof von Parramatta (Sydney), in seiner Osterbotschaft die Atheisten angegriffen, weil sie so viel Unheil über die Welt gebracht hätten. Von den Missbrauchsfällen in der Kirche sprach er nicht, dafür aber davon, dass die Menschen im letzten Jahrhundert "Gottlosigkeit im großen Maßstab ausprobiert" hätten: "Die Folgen waren verheerend. Faschismus, Stalinismus, Pol-Pot, Massenmord und zerbrochene Beziehungen: All dies gefördert durch staatlich auferzwungenen Atheismus oder von der Kultur beeinflussten Säkularismus." Es sei eine Illusion, dass wir ein besseres Leben ohne Gott führen könnten, auch wenn "Gewalt, Missbrauch und Unbarmherzigkeit" mancher Gläubiger einige Menschen aus der Kirche getrieben hätten. Auch Scheinheiligkeit und Halbherzigkeit könnten Gott in anderen Menschen töten.

Möglicherweise fühlte sich Fisher – schließlich spricht man auch im Vatikan von einer Medienkampagne gegen den Papst und die Kirche – zudem von den Atheisten provoziert, weil Anfang März die Global Atheist Convention in Melbourne unter dem Titel "Der Aufstieg des Atheismus" stattgefunden hatte. Der prominenteste Teilnehmer der "größten atheistischen Veranstaltung in der Geschichte Australiens" war der seit geraumer Zeit im Namen von Rationalität und Wissenschaft gegen die Religion kämpfende Evolutionsbiologe Richard Dawkins. In vielen Medien wurde kolportiert, er habe in seiner Rede Benedikt als "Nazi-Papst" bezeichnet, was allerdings nicht zutraf, da er von Pius XII sprach, "that Pope whose name I’ve forgotten, who's also up for canonisation and was aiding and abetting the Nazis during the war".

Zu Fisher hatte sich auch schon Kardinal George Pell, der Erzbischof von Sydney gesellt, der auch nicht auf die aktuellen Skandale einging, aber meinte, dass es zwar zu viele Skandale und Opfer gegeben habe, aber die überwältigende Mehrheit der Gläubigen den Geboten der Liebe folge. Schön aber dann der Schlenker gegen die Atheisten. Die vielen staatlichen Organisationen seien religiös neutral, würden aber "weitgehend durch die Steuern der christlichen Mehrheit finanziert". Hingegen würde es keine kommunalen Dienste geben, "die von den Atheisten gefördert werden", als ob die nicht auch Steuern zahlen, die wiederum auch in kirchliche Projekte fließen.

Auch der evangelische Erzbischof von Sydney, Peter Jensen, griff die Atheisten an. Atheismus sei ein "Anschlag auf Gott", meinte er. Die Atheisten scheinen Gott zu hassen. Atheismus ist für ihn ebenso eine Religion wie das Christentum, aber "eine Form des Götzendienstes, in dem wir uns selbst vergötzen". Es gehe darum, selbst unbeeinflusst das eigene Leben zu leben – "unbehindert von der Herrschaft Gottes und dem Recht Gottes, über uns zu herrschen". Für den Erzbischof geht es um den "Kampf zwischen den Menschen und Gott, wer die Welt beherrscht", schließlich entstehe der Atheismus lediglich aus dem "Ressentiment, das wir in Wirklichkeit nicht die Welt beherrschen und dass uns auffordert, unser Leben ihm zu widmen".

Die Atheist Foundation of Australia schlug zurück. Ihr Präsident David Nicholis sagte, Jensen suche nur einen Sündebock für die Kindersexskandale in den Kirchen. Er greife den Atheismus an, ohne ihn zu verstehen: "Zu sagen, dass wir Gott hassen oder seinen Gott angreifen, ist Unsinn. Wie soll man etwas angreifen oder hassen, das nicht existiert?"