Auf die Ohren beim Bingewatchen

Es kann doch nicht sein, dass wir uns einfach so hinsetzen und nichts außer Netflix rauf- und runterzuschauen dabei vom Stapel lassen. Kann man denn da nicht doch noch ein wenig produktiver sein?

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Kennt hier irgendjemand Jackie Wattles? Nein? Ging mir genauso, bis eben. Aber Jackie muss man sich wohl merken, denn sie stellt die wohl epochale Frage auf CNN, warum man denn eigentlich auf Netflix oder Hulu bisher keine Emergeny Alerts bekommt. Nun, das ist eine Frage, die nicht ganz vom Tisch zu weisen ist, auch wenn sie nicht jeder als durchaus berechtigt bezeichnen würde.

Noch einmal zur Erinnerung: Emergeny Alerts sind kleine, aber haarsträubende Nachrichten wie die in Hawaii, die eben einmal zur gepflegten Massenpanik führen können. Da konnten dann leicht hyperventilierende Bewohner der Insel auf ihren Handys eine SMS lesen, dass angeblich ballistische Raketen im Anflug wären. Aber reingelegt, das stimmte natürlich nicht. Alles nur eine Übung.

Trotzdem, so Jackie Wattles, wäre es doch denkbar, dass es Sinn macht, so einen umfassenden Alarm für Notfälle auch auf Streaming Services bereitzuhalten. Es kann ja immer einmal passieren, dass – sagen wir einmal – zum Beispiel die Welt gleich untergeht und man es einfach jedem noch kurz mitteilen kann. Es könnte ja sein, dass sich der eine oder andere vorher noch kurz die Haare kämmen oder zumindest das Sofakissen zurecht rücken möchte.

Aber mal ganz ehrlich, Frau Wattles, die Idee ist blöde.

Denn leider wird erst einmal jeder dritte Netflix-User eh längst vor seinem Gerät eingeschlafen sein und die Meldung "Raketen über New York, time to say good bye" nicht mehr wirklich mitbekommen. Und die anderen halten das wahrscheinlich für eine programmbegleitende Secondscreen Aktivität, die irgendwie zum gerade laufenden, zweitklassigen Science Fiction gehört. Das mag der ein oder andere noch lutsig finden, aber die meisten werden deshalb die Nachricht wegdrücken, bevor sie von Atomsprengköpfen pulverisiert werden.

Nur nebenbei: So wie die meisten vor dem TV-Gerät liegen, will man sie auch gar nicht dazu bringen, in Panik einfach auf die Straße zu rennen. Das sieht nicht so dolle aus mit diesen Trainingshosen und den verkleckerten T-Shirts. Das will man der Menschheit als den letzten Anblick dann doch ersparen, oder? Ebend.

Also, Schwamm darüber, aber nicht ganz aus der Welt gewischt, denn im Kern ist da ja schon eine spannende Idee im Vorschlag. Warum soll man eigentlich die Bürger dieses Landes einfach so vor den Bildschirmgeräten liegen lassen und sehenden Auges davon ausgehen, dass sie durch Nichtstun glänzen, statt sie produktiv wieder in das Bruttosozialprodukt zu integrieren? So etwas klappt doch bei Captcha auch. Da kommt schnell noch eine merkwürdige Buchstabensequenz, die es zu übersetzen gilt, und erst dann geht es für den User weiter. Und damit wird nebenbei mal eben ein unglaubliches Volumen an bisher nicht OCRten Texten eingelesen. Das ist doch schön.

So ähnlich konnten das Couchpotatoes in Zukunft auch lösen, wenn sie zum Beispiel mitten im Film nur eben mal kurz beantworten sollen, ob sie das zusätzlich eingespielte Soundschnipsel als Lärm empfinden. Gut, bei einem Helene-Fischer-Konzert Film käme es hier vermutlich zu empfindlich sich auswirkenden Geräuschinterferenzen, aber im Wesentlichen könnte man so in guter alter Black-Mirror-Manier die TV Heimarbeit einführen. Und die wenigsten würden es, statt etwas von tollem Interaktion-TV zu faseln, als Arbeit im Sinne eines freien Arbeitnehmers einnorden.

So wäre wieder einmal nur durch den Druck einer Fernbedienung ein bisschen allen geholfen. Wie schön.