Das Pentagon und die angebliche "Rückfälligkeit" der aus Guantanamo Freigelassenen

Jeder Siebte trete wieder in den Kampf ein, sagt das Pentagon, Unsinn meint ein US-Rechtsprofessor.

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Immerhin hat US-Präsident Obama einen ersten Erfolg in Richtung hin auf die versprochene Schließung von Guantanamo. Er hat 17 Uiguren, die weder Deutschland noch andere Länder aufnehmen wollten, vermutlich vornehmlich, um Konflikten mit China aus dem Weg zu gehen, an den Inselstaat Palau für 200 Millionen US-Dollar "verkaufen" können. Wenn dies die Lösungsstrategie für die weiteren Häftlinge sein sollte, die als nicht gefährlich eingestuft werden, dann wird die Schließung des Lagers mindestens so teuer wie die Einrichtung.

In den USA selbst hat sich breite Front auch im Kongress aufgebaut, die dagegen sind, Häftlinge aus Guantanamo aufzunehmen. Auch nicht in Hochsicherheitsgefängnisse will man die "Bösen", die weiter von der Obama-Regierung festgehalten werden sollen. Verzweifelt überlegt man daher schon, nicht nur die von Bush eingeführten Militärgerichte fortzuführen, sondern auch die bereits abgelegten, unter Folter erzwungenen "Geständnisse" anzuerkennen, um damit womöglich eine Grundlage zu haben, zumindest einige mittels der Todesstrafe zu beseitigen.

Unterstützt wurden die Gegner der Auflösung von Guantanamo, zu denen auch die für das Lager Verantwortlichen aus der Zeit der Bush-Regierung, allen voran der ehemalige Vizepräsident Cheney gehören, durch einen Bericht des Pentagon, nach dem angeblich einer von sieben Freigelassenen aus Guantanamo wieder in den Kampf zurückgekehrt sei, einmal unterstellt, sie wären tatsächlich aufgrund von Terror- oder Kampfhandlungen festgenommen worden. Abgesehen davon, dass sich auch Manche aus Rache nach der Verschleppung und den Misshandlungen oder der Folter US-Gegnern angeschlossen haben könnten, scheint der Pentagon-Bericht aber doch eher der Abteilung für Psychologische Operationen entsprungen zu sein, um die Verschleppungspraxis und das Lager zu rechtfertigen, aber auch den Gegnern der Obama-Politik Munition zu liefern.

Mark Denbeaux, ein Juraprofessor der Seton Hall Uniersity, hat in einem Bericht versucht, die Aussagen des Pentagon zu widerlegen. Verdächtig sei schon, dass das Pentagon die Namen von 60 Prozent derjenigen nicht nenne, die wieder in den Kampf gezogen seien oder sich wieder Terroristen angeschlossen hätten, weil sie unter Geheimhaltung stünden. Damit werden 45 der angeblich 74 Rückfälligen (von insgesamt 530 Freigelassenen) der Überprüfung entzogen, wobei sie als rückfällig nur deswegen gelten, weil stillschweigend vorausgesetzt wird, dass ihre Festnahme aufgrund der Tatsache erfolgte, dass es sich um Terroristen oder irgendwie "feindliche Kämpfer" handelte.

Nur 27 der 74 "Rückfälligen" seien bestätigt worden, räumt das Pentagon ein, von denen wieder 15 namentlich genannt werden, von denen wiederum 13 nachweislich in Guantanamo gewesen waren. Fraglich seien neben den Zahlen, was das Pentagon unter rückfällig verstehe.

Denbeaux hat mehrere Berichte des Pentagon über angebliche Rückfallquoten durchgesehen und sagt, dass die Zahlen entweder falsch seien oder keinen Sinn machten, wenn man sie mit zuvor genannten Zahlen oder anderen Berichten vergleiche. Im Pentagon weist man derartige Vorwürfe natürlich zurück. Pentagon-Sprecher Jeffrey Gordon erklärte, als er um eine Stellungnahme zur Analyse von Denbeaux gefragt wurde: "Wir weisen grundsätzlich die Schlussfolgerungen von Professor Denbeaux und seinen Studenten zurück. Die Analyse der Rückkehr zum Terrorismus, die das Verteidigungsministerium veröffentlicht hat, basiert auf geheimen Informationen, zu denen er keinen Zugang hatte."

Das ist eine wahrhaft überzeugende Argumentation, die genau die Glaubwürdigkeit voraussetzt, die in Zweifel steht. Von der Transparenz, die Obama versprach, ist hier nichts zu bemerken, es wird der Glaube verlangt. Und wer glaubt, der wird bekanntlich selig.