Der Agent, den niemand kannte

Schillernder Zeuge im Bommeleeër-Prozess will "großen Blonden mit dem schwarzen Schuh" beschattet haben

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Ein Jahr nach der spektakulären Aussage des peinlichen Hochstaplers Andreas Kramer trat im Luxemburger Bombenleger-Prozess erneut ein Zeuge mit erstaunlichen Schilderungen auf. Aufgrund angeblicher Bedrohung steht er unter Polizeischutz. Die Vorsitzende Richterin und die Presse sind skeptisch. „Die Abenteuer des Herrn Leurs“ betitelt das Tageblatt den Gerichtsreport, das Wort unkt „Tote Zeugen reden nicht“, denn etliche Personen, die Leurs Geschichte bestätigen könnten, haben inzwischen das Zeitliche gesegnet.

Der Zeuge Gilbert Leurs arbeitete in den 1970er Jahren bei der Armee zunächst in der Telefonzentrale, dann in der Personalabteilung. Leurs gab an, ca. 1983 habe ihn jemand konspirativ für den Geheimdienst angeworben. Er habe einen russischen Violinisten des RTL-Orchesters, der in seinem Haus lebte, gegen ein Spitzelhonorar beobachten sollen. (Kenner des französischen Agentenfilms werden spontan an "Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“ denken ....) Leurs will für den Geheimdienst auch das Privatleben von Soldaten ausgespäht haben, was er mit seiner patriotischen Pflicht habe vereinbaren können. Der ihm zuvor nicht einmal bekannte Geheimdienst SREL soll Leurs neben zwei erfolgten Barzahlungen eine Festanstellung in Aussicht gestellt und ihn so bei der Stange gehalten haben.

Ende 1985 habe der Geheimdienst wegen der Bombenserie beim Militär ermittelt und hierzu eine Abhörvorrichtung auf dem Herrenberg installiert, dem militärischen Stützpunkt Luxemburg, auf dem auch die Eliteeinheit der Gendarmerie trainierte. Leurs habe zur Installation die Abhörer eingeschmuggelt und gewartet. Der Dienst habe Polizisten verdächtigt.

1986 sei Leurs von einem unbekannten Mann angesprochen worden, der sich als Geheimdienstler zu erkennen gegeben habe. Dieser behauptete, er kenne die Identität der Bommeleeër und habe sich gerne ein "Kopfgeld" verdienen wollen. Da er sich als Geheimdienstler schlecht gegenüber der Polizei hätte offenbaren können, habe er Leurs als Strohmann gewinnen wollen. Zu den Bombenlegern sollen einer der beiden derzeit angeklagten Elitepolizisten, aber eben auch Prinz Jean gehört haben. Wie sich später herausgestellt habe, hätte der Unbekannte den Namen eines tatsächlich beim SREL beschäftigten anderen Mannes benutzt. Als Leurs mit Sicherheitsleuten hierüber sprach, habe es Druck von oben gegeben. Auch später sei er von Unbekannten fünf mal bedroht worden. So sei er mal von Maskierten eingeschüchtert worden, mal hätte man ihm Patronen gesandt. Leurs erlitt einen schweren Unfall, wobei es zu einem Aktenschwund gekommen sei, 1993 sei einmal auf ihn geschossen worden.

Leurs geht mit seiner Darstellung in der Öffentlichkeit seit langem kursieren, ohne dass bislang Beweise hierfür aufgetaucht wären. Die Aussagen des unter Eid stehenden Zeugen stehen vielmehr in gewissem Widerspruch etwa zu denen der Abhörtechniker des Luxemburger Geheimdienstes, die ebenfalls diese Woche aussagten. Die laut Leurs gezahlten Honorare habe der "Spetzeldengscht", wie die Schlapphüterei in Luxemburg heißt, in dieser Höhe nie geboten. Erstaunlich ist dementsprechend auch, dass Leurs von 1983 bis 1997 nur aufgrund einer in Aussicht gestellten Anstellung beim Geheimdienst u.a. gegen seinen militärischen Arbeitgeber spioniert haben will. Leurs wäre in der Geheimdienstwelt nicht der erste, der unter falscher Flagge in Wirklichkeit von einem ausländischen Dienst geführt und abgeschöpft worden wäre. Allerdings scheint Leurs keine belastbaren Kenntnisse besessen haben, die für einen Geheimdienst ernsthaft von Interesse gewesen wären.