Die Zeitbombe der Fettleibigkeit und die Sorge um den Körper

Vor allem in den angloamerikanischen Ländern werden die Menschen immer fetter

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In den USA leben nach einer OECD-Studie am meisten fette oder adipöse Menschen. 68 Prozent sind übergewichtig, 34 Prozent adipös. Das Nachbarland Mexiko steht fast in nichts nach und liegt an zweiter Stelle. Deutschland liegt mit 52 Prozent Übergewichtigen und 16 Prozent Adipösen knapp über dem OECD-Durchschnitt, während man in Japan außergewöhnlich wenig übergewichtig und kaum fett ist.

Auch Südkorea hat mit 4 Prozent kaum fette Menschen. Und die Schweiz hält sich noch vor Italien, Norwegen und Schweden ganz gut fit. Vermutlich ernähren sich die Menschen hier einfach besser, während in den Nicht-OECD-Ländern Indien, Indonesien und China, in denen es gar nur 1-2 Prozent Adipöse gibt, vielleicht auch Armut eine Rolle spielen könnte. Deutlich aber macht die Statistik, dass mit Ausnahme von Mexiko vor allem in den angloamerikanischen Ländern etwas falsch laufen muss. Nach den USA und Mexiko rangieren nämlich Neuseeland, Australien, Großbritannien und Kanada ganz oben im Ranking der Länder mit den dicksten Bewohnern (und wahrscheinlich der schlechtesten Ernährung und der geringsten körperlichen Aktivität).

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Epidemie der dicken Körper. Bild: OECD

Die OECD spricht auch von einer globalen Epidemie der Fettleibigkeit, bedingt vor allem durch mangelnde Bewegung und falsche Ernährung, da in allen Ländern die Zahl der Übergewichtigen und Fetten zunimmt. Während aber die Körper der einen sich aufzublähen scheinen, dadurch unattraktiv werden und ein erhöhtes Gesundheitsrisiko mit sich bringen, wächst in der anderen Hälfte der Bevölkerung der Druck, möglichst gesunde, schlanke, gut aussehende und fitte Körper zu haben.

Die oft zwanghafte, zeitaufwändige und teure Sorge um sich selbst richtet sich hier vorwiegend auf den Körper, also auf das, was andere sehen, so dass hier der Körper zunehmend zugerichtet und wie ein fremdes Objekt behandelt wird. Man müsste beide Entwicklungen, also die Normierung der körperlichen Erscheinung und die Verwahrlosung des verkörperten Daseins in der zügellosen Verfettung, wohl zusammen als ein Trend sehen, sich zunehmend im biologischen Körper, in der Wetware, unwohl zu fühlen. Vielleicht warten wir also auf den Ersatzkörper oder auf den völlig durchgestaltbaren Körper? Allerdings nimmt die Normendichte ebenso ständig zu wie die Untersuchungen, was gesund oder riskant sein soll, was man tun oder lassen soll. Die Leichtigkeit des Daseins ist längst verschwunden, der Selbstkontrolle durch ständig wechselnde Vorschriften kann man sich vielleicht nur noch entziehen, in dem man alles missachtet und den Körper aufblähen lässt.

Wie auch immer, gerade wurden Zahlen von Schottland veröffentlicht, die noch einmal einen Rekord brechen könnten. In Großbritannien ist ein Viertel der Menschen adipös, in Schottland sind schon 26,9 Prozent der Männer und 27,6 Prozent der Frauen fett. Und 68 Prozent der Männer sowie 61 Prozent der Frauen sind übergewichtig.

Besorgnis erregend ist körperliche Befindlichkeit der jungen Menschen in Schottland. 30 Prozent der Jungen unter 15 Jahren sind übergewichtig, 9,4 Prozent krankhaft fett. Bei den Mädchen sind 27 Prozent bzw. 7,3 Prozent. 86 Prozent würden nicht ihre tägliche "gesunde" Ration aus Obst und Gemüse erhalten – oder dieses verzehren. Möglicherweise geht der Trend zurück, angeblich würden die Kinder und Jugendlichen weniger Chips essen, statistisch lässt sich aber noch nicht wirklich etwas sagen. Die schottische Regierung gibt sich dennoch schon mal erfreut. Wenn das Pendel aber dann in die zwanghafte Sorge um den Körper ausschlägt, dürfte sich für das Wohlbefinden der Menschen nicht viel ändern.