EU will Datenbank zur Bekämpfung der "Radikalisierung" einrichten
Nicht nur Terroristen, sondern auch extreme Rechte und Linke und Globalisierungskritiker stehen im Visier
Die EU plant nach dem Vorschlag der spanischen EU-Ratspräsidentschaft, die Überwachung vermeintlich Verdächtiger auszudehnen. Geplant ist die die Einführung "eines standardisierten, multidimensionalen semistrukturierten Instruments zur Erfassung von Daten und Informationen über die Radikalisierungsprozesse in der EU". Das klingt ziemlich kompliziert und läuft unter der Rubrik Enfopol 99 (Enforcement Police), womit zunächst die europaweite Telekommunikationsüberwachung eingeführt wurde, im Zeichen der Terrorbekämpfung wurde die polizeiliche Zusammenarbeit ausgebaut.
Europol kommt darin eine wachsende Bedeutung zu ( Europol wird internationaler Daten-Marktplatz). Dabei dient der Terrorismus nur noch als Mittel, um die Kompetenzen der Polizei und die EU-weite polizeiliche Zusammenarbeit zu erweitern. Die Einrichtung einer auch der Prävention dienenden Datenbank zur "Radikalisierung", zu der neben den Polizeien auch Geheimdienste oder Sicherheitsfirmen beitragen sollen, geht weit über die Terror- und Kriminalitätsbekämpfung hinaus. Das wird so begründet:
"Nachdem die terroristischen Aktivitäten in den letzten Jahren weltweit wieder aufgeflammt sind, hat die Europäische Union im Jahr 2005 eine umfassende Strategie zur Terrorismusbekämpfung ausgearbeitet, deren strategisches Engagement vier Arbeitsfelder umfasst, zu denen die Prävention gehört. Zweck dieses Arbeitsfelds ist es, zu verhindern, dass Menschen sich dem Terrorismus zuwenden, und bei den Faktoren und Ursachen anzusetzen, die innerhalb und außerhalb Europas zu Radikalisierung und Anwerbung von Menschen für den Terrorismus führen können."
Die Rede ist von einem "hochflexiblen Instrument, das sich leicht an das untersuchte Phänomen anpassen lässt", was heißt, man will beliebig, je nach Laune, Radikalisierung, Gewaltbereitschaft und Anwerbung für den Terrorismus definieren können. Letztlich geht es darum, "Listen derjenigen Personen aufzustellen, die an der Radikalisierung/Anwerbung oder Übermittlung von radikalisierenden Botschaften beteiligt sind". Auffällig ist dabei, dass zwar immer der Kontext des Terrorismus vorherrschen zu scheint, aber die Begrifflichkeit bewusst möglichst vage gehalten werden.
Klar wird gesagt, dass es nicht nur darum geht, die Radikalisierungswege mit allen persönlichen, poloitischen, familiären oder psychologischen Faktoren zu erkennen, um hier präventiv einzugreifen, sondern auch um die Erkennung und Beobachtung von Individuen und Gruppen, die einer Ideologie folgen, die direkt Gewalt propagiert. Hier ist dann nicht mehr von Terroristen die Rede, sondern von "Extreme right/left, Islamist, nationalist, anti-globalisation, etc.".
Die Linken haben eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung über deren Haltung zu diesem Überwachungsprojekt gerichtet. Kritisiert wird, dass die unscharfe Definition und die "die mangelnde Unterscheidung radikalen und terroristischen Bestrebungen":
"Dies lässt letztlich uferlose Erfassungen von Personen mit 'abweichender' Meinung befürchten. Die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch warnt davor, das ausufernde Überwachungsprojekt drohe das politische Leben zu 'kontaminieren' und aus legitimen politischen Diskussionen ein weiteres Opfer des 'Krieges gegen den Terror' zu machen."
Die Antwort der Bundesregierung wiegelt erst einmal ab. Es ginge nicht um eine Erweiterung der Überwachung, zudem sei es jedem Mitgliedsstaat freigestellt, Informationen zur Datenbank beizutragen oder nicht. Die Bundesregierung beabsichtige auch nicht, dieses Instrument einzusetzen. Eine verbindliche Definition von radikal und radikalisierend gebe es nicht, die deutschen Sicherheitsbehörden seien darauf auch nicht angewiesen. Dasselbe gelte für den Begriff "radikalisierende Botschaften" und für die "Übermittlung von radikalisierenden Botschaften". Überhaupt will die Bundesregierung damit nichts zu tun haben.
Ulla Jelpke, die innenpolitische Sprecherin der Linken, ist mit der ausweichenden Antwort der Bundesregierung nicht zufrieden und fordert: "Angesichts der engen Vernetzung europäischer Sicherheitsbehörden kann die Bundesregierung nicht so tun, als gehe sie dieses Überwachungsprojekt nichts an. Deutsche Sicherheitsbehörden dürfen weder indirekt zur Anreicherung der neuen EU-Datensammlung beitragen noch ihr passiver Nutznießer werden. Damit stellt sich die Frage, wie die Bundesregierung sicherstellen will, an diesem Demokratieabbau in keiner Weise teilzuhaben. Sie muss sich in den EU-Institutionen für einen Stopp des Projektes einsetzen."