FDP für Reichensteuer?

Der Widerstand gegen die Untergangs-Westerwelle-FDP wächst, jetzt wird auch schon von Liberalen der Tabubruch einer Steuererhöhung für die "Leistungsträger" erwogen

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Bei den Liberalen werden die Stimmen gegen die Westerwelle-Fraktion lauter. Zwar wurde auch hier das Weniger-Steuern-Mantra für den Mittelstand leiser, mit einem kurzen Aufleben, nachdem die Neuverschuldung geringer als erwartet werden wird, aber an das Tabu von Steuererhöhungen – und noch dazu bei den Reicheren – wagte man sich nicht.

Wolfgang Kubicki, der eigenwillige Fraktionschef der FDP im Landtag Schleswig-Holstein und Mitglied im Bundesvorstand, sagte dem Deutschlandradio, die Bundesregierung habe sich als "chaotischer Hühnerhaufen". Zudem schob er auch noch nach, dass derzeit Steuersenkungen politisch nicht besonders angesagt seien. Auch die gut verdienenden "Hauptleistungsträger" sollten ihren Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten, meinte er, was für einen Liberalen ein wirklicher Tabubruch ist. Denn damit öffnet er die Tür für eine Reichensteuer oder für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, sowieso dem Westerwelle kritischen Flügel angehörenden, schob den Ball in einem Interview mit der Welt am Sonntag weiter und lässt so hoffen, dass auch die an der 5-Prozent-Hürde stehenden Liberalen ihre sozialliberale Tradition wieder entdecken könnten, die Westerwelle verabschiedet hatte. Einfache Antworten, so die Justizministerin, würden heute nicht mehr ziehen, Kompromissfähigkeit sei angesagt. Man habe zu sehr auf Steuersenkung gesetzt, Steuerpolitik sei mehr als nur Steuersenken. Und dann kommt die Kehrtwende:

"Steuerpolitik heißt umverteilen. In solch schwierigen Zeiten müssen auch wir in der FDP uns fragen, wie wir diejenigen Bürger im oberen Einkommensbereich daran beteiligen können, dass die mittleren und unteren Einkommen entlastet werden. Die starken Schultern müssen mehr tragen. Es muss klar sein, dass wir das Auseinanderdriften zwischen Arm und Reich verhindern. Die Leistungsträger müssen dazu beitragen, den Sozialstaat zu finanzieren."

Auch die Regulierung der Finanzmärkte ist für die FDP-Politikerin wichtig, die ganz deutlich auf Distanz zu Westerwelle geht. Vermutlich hat sie Recht: Nur wenn die FDP schnell ihre Politik umstellt, bleibt sie überlebensfähig und kann mit den Grünen konkurrieren. Die Westerwelle-Brüderle-Lindner-FDP wird untergehen. Für die Bundeskanzlerin sind die Kämpfe bei den Liberalen sicher nicht schön, denn sie muss mit Querschüssen rechnen, bis die Machtfrage entschieden ist. Wer nach Westerwelle antritt, lässt sich noch schlecht absehen. Leutheusser-Schnarrenberger sicherlich nicht, auch wenn sie den Wandel der Liberalen bewirken kann.