"Fast verwilderte Gruppen sehr zorniger junger Menschen" in vielen britischen Städten

Nach einer britichen Polizeichefin ist für viele Jugendliche in den Problemzonen die Bindung an die Familie zugunsten der Loyalität zur Gang aufgelöst worden.

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Die Polizeipräsidentin von South Wales hat gerade mit ihren Bemerkungen zur Jugend in Großbritannien für Aufmerksamkeit gesorgt. Nachdem die Regierung seit Jahren gegen das "antisoziale Verhalten" vor allem der Jugendlichen vorgegangen ist und unverändert immer einmal wieder Jugendliche einander töten, hatte vor kurzem Innenministerin Smith angekündigt: "Wir schlagen zurück". Gerade erst wurde ein 16-Jähriger Junge in London erstochen, der 17. Mord an einem Jugendlichen in der britischen Hauptstadt in diesem Jahr.

Nun glaubt Polizeichefin Barbara Wilding, die auch Vorlesungen zur Kriminologie an der London University hält, den Grund für das Wildwerden der Jugendlichen gefunden zu haben und sagt, dass bei den problematischen Fällen die Bindung an die Familie zugunsten der Loyalität zur Gang aufgelöst worden sei. Die Familien von vielen Jugendlichen seien auseinander gebrochen und damit auch die Rollenmodelle, hatte sie in einer Rede im Mai am Centre for Crime and Justice Studies at King’s College London gesagt, die aber erst jetzt durch die Medien ging. Dadurch würden in vielen Städten "fast verwilderte Gruppen sehr zorniger junger Menschen" entstehen, die überdies anfällig zur Rekrutierung als Terroristen seien.

Die Diagnose des kulturellen Zerfalls ist nicht gerade neu, aber scheint immer wieder zu verfangen. Das Zusammenbrechen der familiären und sozialen Ordnung, so Wilding, führe dazu, dass Gewalt und Drogen in den ärmeren Vierteln vieler britischer Städte zum Lebensstil geworden seien. Polizeiliche Maßnahmen der Strafverfolgung oder das Einsperren von Jugendlichen würden höchstens kurzfristig etwas bringen und letztlich "auf Sand bauen", kritisierte die Polizeichefin die Politik der Labourregierung. Man müsse viel stärker die komplexen sozialen und wirtschaftlichen Probleme lösen, die hinter dem kriminellen Verhalten stehen: "In einem Zeitalter der Kosten-Nutzen-Analyse gibt es keine Lust an Lösungen, die keinen sichtbaren Gewinn bringen, und keine Geduld für Lösungen, die nicht sofort politische Erfolge zeigen."

Sie fordert, so die Daily Mail, frühe Interventionen und rät dazu, kriminelle Jugendlichen in die Obhut von Kirchen zu geben, die ihnen in langzeitigen betreuten Wohnprojekten allmählich eine andere Kultur beibringen.