"Ich möchte nur wie alle anderen behandelt werden"

Polanski klagt an

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Gleich in mehreren internationalen Publikationen sucht der polnische Regisseur die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass er ungerecht behandelt wird. Dass die Aufmerksamkeit, die der Fall Polanski (siehe dazu Polanski und seine Feinde und Medien, Sex, Kinder und Kunst) weltweit auf sich zieht, gegen ihn verwendet werde, um Justizvertreter in den Vereinigten Staaten eine Publizität zu verschaffen, die sie für ihre eigenen Interessen benötigen.

In dem Schreiben an die Öffentlichkeit, im Orginal auf der Website des mit Polanski befreundeten französischen VIP-Philosophen BHL, Bernard-Henri Levy, zu lesen, auf deutsch beispielsweise in der NZZ, erklärt Roman Polanski, dass es ihm nicht um Mitleid gehe, sondern darum, so zu behandelt werden wie alle anderen.

Neun mal erklärt und begründet er, warum er "nicht länger schweigen kann", nachdem er jahrzehntelang die Anwälte für sich sprechen ließ und von seiner Seite alle Polemik vermieden habe. Doch unterliege der Affäre Verrat und Lüge, unter deren Folgen er leide.

Nach seiner Darstellung hat Roman Polanski seine Gesamtstrafe bereits abgegolten, was ihm auch der damalige US-Richter so verstehen ließ. Weshalb von "Flucht vor der Strafe", die ihm von der US-Justiz und von der Öffentlichkeit zur Last gelegt wird, aus seiner Sicht so nicht die Rede sein könne:

"Es stimmt, vor 33 Jahren habe ich mich schuldig bekannt und im Staatsgefängnis von Chino, das kein VIP-Gefängnis ist, eine Strafe verbüsst, die eigentlich die Gesamtstrafe darstellen sollte. Als man mich aus dem Gefängnis entliess, änderte der Richter seine Meinung und erklärte, die in Chino verbüsste Haft sei nicht die Gesamtstrafe. Wegen dieses Rückziehers verliess ich damals die Vereinigten Staaten."

Seine Interpretation, so Polanski, wurde kürzlich von einem Staatsanwalt des Verfahrens im Jahre 1977 erneut bestätigt. Der damalige Anklagevertreter soll im Februar dieses Jahres "in Anwesenheit des heute zuständigen Staatsanwalts David Walgren (...) vor der Richterin Mary Lou Villar unter Eid" erklärt haben, dass der damalige Richter Rittenband am 19. September 1977 gegenüber allen Parteien klargestellt habe, dass die Haftzeit im Gefängnis von Chino die Gesamtstrafe sei.

Der aktuelle Auslieferungsantrag beruhe auf genau diesem Missverständnis, wonach sich Polanski seiner Verantwortung vor der amerikanischen Justiz entzogen habe. In Wirklichkeit habe er sich damals aber "schuldig bekannt" und sei in die USA zurückgekehrt, um die Strafe zu verbüssen:

"Damals galt es nur noch, diese Übereinkunft vom Gericht bestätigen zu lassen, bevor der Richter sie zurückzog, um sich auf meine Kosten die Aufmerksamkeit der Medien zu sichern."

Keine Flucht also, um der Gerechtigkeit zu entgehen, sondern eine Flucht vor den Folgen einer ungerechten Behandlung?

Eine Dokumentation über seinen Fall, die ohne sein Zutun gefilmt wurde und zeige, dass er ungerecht behandelt wurde, habe den Stein ins Rollen gebracht. Die Justizbehörden in Los Angeles hätten sich davon "angegriffen gefühlt" und mit dem Auslieferungsgesuch an die Schweiz reagiert. Dazu komme, dass sich der "neue Staatsanwalt, der sich um meinen Fall kümmert und die Auslieferung beantragt hat, sich gleichfalls im Wahlkampf befindet und die Aufmerksamkeit der Medien benötigt".

Das Berufungsgericht in Los Angeles hatte Ende April zwei für Polanski entscheidende Anträge abgelehnt: eine Verurteilung in Abwesenheit, für die Polanskis Anwälte plädierten und den Antrag auf Einstellung des Verfahrens, erneut eingebracht vom damaligen Opfer. Nun liegt es an der Schweizerischen Justiz, über die Auslieferung Polanskis zu entscheiden.

Aus der Sicht Polanskis dient der Auslieferungsantrag mehr einer Publicity-Kampagne als der Gerechtigkeit - "mehr, um mich den Medien der ganzen Welt zum Frass vorzuwerfen, als um ein Urteil zu vollstrecken, über das schon vor 33 Jahren eine Übereinkunft erzielt worden ist".

"Ich kann nicht länger schweigen, weil man mich in Gstaad in der Schweiz unter Hausarrest gestellt hat, gegen Zahlung einer Kaution, die ich nur aufbringen konnte, indem ich eine Hypothek auf die Wohnung aufnahm, die ich dort seit mehr als 30 Jahren bewohne, und weil ich fern von meiner Familie bin und nicht arbeiten kann."