Künstliche Gebärmutter, künstliche Eizellen und Spermien, künstliche Chromosomen

Reproduktionsexperten zur Zukunft der künstlichen Reproduktion.

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Vor 30 Jahren, am 25. Juli 1978, wurde Louise Brown, das erste "Retortenbaby", wie es damals hieß, geboren. Seitdem sind mehr als viel Millionen Kinder durch künstliche Befruchtung auf die Welt gekommen und ist die Reproduktionsmedizin zu einem guten Geschäft geworden, das die Entwicklung neuer Techniken vorantreibt.

Die Zeitschrift Nature hat Reproduktionsmediziner aus diesem Anlass gefragt, welche Entwicklungen sie in den nächsten 30 Jahren kommen sehen. Eine Prognose ist, dass bald jeder, unabhängig von seinem Alter, durch künstliche Befruchtung Kinder bekommen kann, weil man beliebig viele Eizellen und Spermien aus induzierten pluripotenten Stammzellen erzeugen kann, die aus Hautzellen gewonnen wurden. Ebenso vorstellbar sei es, dass es in den nächsten Jahrzehnten künstliche Plazentas geben wird: "Ich kann mir vorstellen", so der Entwicklungsbiologe Davor Soffer, "dass ein Fötus frei in einer Flüssigkeit schwebt und die Nabelschnur an einer Maschine angebracht ist."

Auffällig ist, dass die Befragten meist davon ausgehen, dass sich die ethischen Regeln und Probleme ändern werden. Der Reproduktionsmediziner Alan Trounson glaubt, dass auch die Preise für künstliche Befruchtung sinken werden, wodurch die soziale Diskriminierung für ärmere Schichten durch Unfruchtbarkeit enden würde. Eine billige IVF-Behandlung könnte ers ich schon für 100 US-Dollar vorstellen. Während man heute durch Präimplantationsdiagnostik (PID) Embryonen mit Erbschädigungen (und auch mit anderen genetischen Eigenschaften und Risiken) erkennen kann, werde man nach Trounson vielleicht bald künstliche Chromosomen in die Embryonalzellen einbauen, um so Krankheiten und Risiken zu verhindern.

Reproduktionsgenetikerin Susannah Baruch glaubt nicht, dass durch PID perfekte Designerbabys entstehen werden. Dazu seien die genetischen Verhältnisse zu kompliziert. Aber man werde immer genauer über die Gene der Embryos Bescheid wissen. Die Frage sei, was die Menschen mit dieser Informationsflut anfangen werden. Ethiker Scott Gelfand sieht einen "Albtraum" mit einer künftig möglichen künstlichen Gebärmutter einhergehen. Unter dem Druck von Abtreibungsgegnern könnte die Regierung ein Gesetz schaffen, das verlangt, abgetriebene Föten in einer künstlichen Gebärmutter weiter wachsen zu lassen und sie dann zur Adoption freizugeben. Vom Klonen erwartet sich offenbar niemand etwas, aber Reproduktionsendokrinologin Regine Sitruk-Ware macht darauf aufmerksam, dass mehr in Reproduktionstechniken als in Verhütungsmittel investiert wird. Hier müsse ein Ausgleich geschaffen werden, beispielsweise durch die Entwicklung von nicht-hormonellen Verhütungsmitteln für Männer und Frauen.