Länger ist billiger

Lyft hat ein neues Angebot im Ränzchen: Wer länger wartet, zahlt weniger. Das ist doch mal Innovation im digitalen Business, würde ich sagen

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Im Moment sind wir ja alle das Warten gewohnt, dann sollte man sich durchaus die Zeit nehmen, bis diese kleine Marktinnovation auch auf den europäischen Markt kommt. Gut, zuerst muss mal Lyft außerhalb der USA heimisch werden, und dann wäre auch eine höhere Mobilität wieder angesagt. Ist ja im Moment nicht so der sozial abgesegnete Brüller.

Aber dann, dann bietet Lyft günstigere Tarife für alle an, die ein wenig mehr Zeit investieren, um auch ja gut von A nach B zu kommen. Bestechend einfach in der Logik. Zeit ist Geld, als investiere ein wenig mehr davon und schon kriegst Du Dein Investment ein bisschen zurück. Vielleicht ist der Fahrer ja dann auch schneller unterwegs, dann lohnt es sich doppelt für Dich, lieber Kunde. Lyft verspricht, auf jeden Fall einen günstigeren Preis, der sogar dann noch günstiger wird, wenn man länger warten muss. Denn selbst entscheiden kann man natürlich nicht, wann Lyft die Seitentüre aufmacht und einen mitnimmt.

Am günstigsten ist der Tarif übrigens, wenn man einfach gleich läuft. Das dauert dann auch am längsten, aber sowas hat man ja dann eher noch selbst in der Hand... in den Füßen.

Wie stets im digitalen Umfeld wird so ein Businessmodell Schule machen. Ein perfekter Blueprint, um sich neue spannende Preismodelle auszudenken. So hat zum Beispiel Tinder jetzt einen In-App Videochat am Start. Da kann es doch nicht so schwer sein, in ähnlicher Art und Weise Geldsparen und damit eine versteckte Umsatzerhöhung anzuleiern.

Sagen wir so: Wenn jemand ein wenig zu wenig Geld für die Bezahlservices von Tinder übrig hat, dann könnte man die Kamera ja je nach Finanzmodell optimieren. Wer den vollen Chat-Service 1:1 zahlen will, der bekommt ein gestochen scharfes Videobild mit sanft bearbeitetem Übertragungston angeboten. Wer gar keine Kohle hat, bei dem bleibt einfach der Bildschirm zumindest in den ersten 25 MInuten dunkel bis sehr schwarz. Und für einen kleinen Aufpreis kann man sich auch ein bisschen digital schminken lassen. Das sollte einem Tinder dann wert sein.

Letztendlich sind solche Modelle ja schon in vollem Gange, wir nehmen sie nur noch so wahr. Wenn Spiegel Online und Die Zeit vor jedem Aufruf wissen wollen, ob man für werbefreie Sites lieber ein bisschen pro Woche zahlen will oder doch lieber mehr Ladezeit für Werbung investieren will, dafür aber kostenlos auf einen Teil der Inhalte zugreifen kann, dann ist das sozusagen Medienlyft. Ich warte länger, bis die Seite aufgebaut ist, dafür zahle ich weniger.

Lyft wiederum könnte mir jetzt noch anbieten, mich ohne Werbung durch die Gegend zu kutschieren. Wenn ich einen Dollar drauflege, dann hält der Fahrer auch die Schnauze und schwärmt mir nicht unentwegt von einem neuen Waschmittel vor, das er seit neuestem nutzt. Total freiwillig natürlich.

Das hätte ich natürlich ahnen können, wenn ich vorher den kostengünstigen "nur Ton" Videochat von Lyft bemutzt hätte, der mir die vorherige Fahrt live auf mein Handy überträgt. Während ich warte. Weil ich das nicht wollte, hatte ich eben keine Ahnung, wie nervig Waschmittelwerbung während der Fahrt sein kann. Und das nächste Mal zahle ich für werbefreie Fahrt lieber ein wenig mehr, als es für weniger Warten der Fall gewesen wäre. So befruchtet sich Umsatz gegenseitig. So gesehen könnten sich die verschiedenen Businessmodell wirklich ergänzen.