Lass mich um Dich werben

Neben der Spur

Der neue Dating-Service von Facebook soll ohne Werbung auskommen. Wofür um Himmels Willen soll man beim Daten auch werben?

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Immerhin. Es soll keine Werbung geben. Der neue Dating-Service von Facebook, mit dem man nach dem Datendesaster von Cambridge Analytics zumindest noch Tinder die Show stehlen will, wird wohl ohne Ads im Stream laufen. Verständlich, denn es wäre doch nur zu peinlich, wenn die App einen Liebesblinden dazu verleiten würde, sich statt in eine durchaus nette junge Dame in ein neues Vollwaschmittel zu verlieben. Nur weil die Werbeanzeige etwas ungünstig und vielleicht hier zu zweideutig gestaltet worden war.

Da hat die Firma von Zuckerberg richtig gedacht. Respekt.

Auf der anderen Seite: Wofür soll denn auf einer Dating-Seite auch geworben werden? Für Schokolade, wenn wieder keine zu finden war oder keiner angebissen hat? Für einen guten Scheidungsanwalt? Sicher ist sicher und man kann nicht früh genug anfangen mit einem Ehevertrag?

Moment, es gibt doch sonst eine ganze Industrie von Shaming Advertisement, die sich krakenartig in Frauen- und Männerzeitschriften festgesetzt hat. Da wäre doch eine Menge an Kosmetik und Abnehmmedikamenten abzusetzen. Und über allem thront die Hakle Feucht-Werbung, die einem dieses Gefühl von Frische gibt, mit dem man sich so richtig intensiv auf einen Flirt oder gar eine hochseröse Partnersuche begeben will.

Auf Facebook.

Im Zuge von diversen Erfahrungen mit der Wahrheit kommt man allerdings nicht ganz umhin, sich an die Ereignisse der vergangenen Monate zu erinnern und sich zu fragen, wie stark die Fake-News-Industrie außen vor bleiben wird. Gar nicht auszudenken, wenn man sich nach einer langen und intensiven Heranpirschphase zum ersten Mal trifft und der mögliche Partner einen starr und ausdauernd mit einem „ warst Du schon mal in Cambridge“ empfängt, bevor er oder sie wieder schreiend aus dem Restaurant rennt. Danach könnte man vielleicht Schokolade brauchen. Kiloweise.

Dabei ist das noch gar nicht das Ende der möglichen Fahnenstange, denn Werbung ist ja auch ein bisschen 20. Jahrhundert. Man hat China ein wenig genauer über die Schultern geschaut und bietet bei Instagram jetzt bald die Möglichkeit, direkt in der App Tische zu bestellen oder sogar zu bezahlen. Jetzt soll hier mit Bezahlung und Liebe erst gar nicht ein schlechter Witz gemacht werden. Nein. Vielmehr gebe ich zu bedenken:

Wenn man in einem zukünftigen Partnerkanal von Facebook gleich das Standesamt mit buchen und sogar noch eine Hochzeitstorte dazu kaufen kann, dann kriegt das ganze einen gewissen Drive, der erst gar nicht mehr durch das erste Treffen in der realen Welt gestört werden kann. Das findet einfach erst bei der Trauung statt. Und bevor der neue Partner sich vom Schock des ersten Anblicks erholt hat, ist man auch schon verheiratet und durchgefeiert.

Alles andere ist Kinderkram.