Marktwirtschaftlicher Spürsinn oder Ideendiebstahl?

Warum "Geld verdienen mit der Idee des Konkurrenten" im Falle von Valves DotA 2 völlig in Ordnung ist. Eine Replik auf vorauseilenden Gehorsam gegenüber der Rechteverwerter-Industrie.

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Auf den ersten Blick klingt die etwas unentschlossene und zaghafte Empörung, die Mathias Hamann bei Spiegel Online formuliert, durchaus angebracht. Es geht darin um das nächste Spiel von Valve, eine professionelle Fortsetzung des Warcraft III-Fanprojekts Defense of the Ancients - und beinhaltet die implizite und wenig überzeugende Empfehlung an World of Warcraft-Inhaber Blizzard, gegen dieses Projekt doch möglichst gerichtlich vorzugehen. Warum Blizzard das tun sollte? Nach der Argumentation im verlinkten Text, weil Valve eben angeblich mit "der Idee des Konkurrenten" Geld verdiene. DotA 2 wäre ja - so führt Hamann weiter aus - als würde jemand aus Star Wars-Filmschnippseln einen neuen Film basteln und dann die Fortsetzung dieses Films kommerziell und in Konkurrenz zu Star Wars vermarkten.

Dabei ist dieser Vergleich nicht nur denkbar weit hergeholt, sondern auch Zeugnis davon, wie sehr sich der vorauseilende Gehorsam gegenüber fragwürdigen Patentrechts-Praktiken und Urheberrechts-Anwendungen bereits in das Unrechtsbewusstsein der Fachpresse implementiert hat. Denn um nichts anderes als vorauseilenden Gehorsam handelt es sich hier. Der große Denkfehler steckt doch bereits in der Überschrift des Spiegel-Artikels: Defense of the Ancients, kurz DotA, ist aus Valves Sicht eben nicht die "Idee des Konkurrenten", sondern die Idee eines ehemaligen Noch-Nicht-Mitarbeiters. Immerhin hat Valve jenen Icefrog, der das originale DotA maßgeblich betreut, inzwischen in das eigene Team übernommen, und auch offiziell die Namensrechte an der Kurz- wie auch an der Langform des Titels erworben. Davon, dass sich die kommerzielle Fortsetzung für diesen Urheber finanziell lohnt, kann man bei dieser Konstellation wohl ausgehen. Streitbar ist lediglich, inwieweit besagter Icefrog als Urheber angesehen werden kann, da zwei Vorgänger das Projekt wohl maßgeblich auf den Weg gebracht hatten.

Worin besteht aber die Leistung von Blizzard, die Hamann vergütet sehen will? Blizzard hat mit Warcraft III eine Plattform zur Verfügung gestellt, die explizit zu nicht-kommerziellen Zwecken modifiziert werden durfte. Nun hat jemand diese Plattform genutzt, und im Grunde etwas ähnliches wie eine Arbeitsmappe eines freischaffenden Künstlers damit erstellt - in diesem Fall also ein Spiel, dessen Konzept er auf diesem Wege vorstellen konnte, und dessen grundlegende Idee ihm eine Anstellung verschafft hat. Dass es nicht Blizzard selbst waren, welche die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und sowohl DotA als auch seine Erfinder akquiriert haben, ist wohl kaum Valve anzulasten. Valve, im Gegenzug, kann ohnehin mit Fug und Recht als Talentscout der Branche bezeichnet werden: So basieren sowohl Counterstrike als auch Portal auf ähnlichen Entwicklungsgeschichten.

Im Text von Hamann lässt sich aber nun ablesen, welches Fundament die jahrelange Lobbyarbeit der Verlage, Musik- und Filmlabels gelegt hat. Fordert man nun nämlich tatsächlich eine Entschädigung für Blizzard, die weder mit der Entwicklung von DotA noch seinem Namen irgendetwas zu tun hatten, so wird in dieser Argumentation der Urheberschutz zur hohlen Floskel im Dienste der Interessen der Rechteverwerter. Die Versäumnisse, deren Wiedergutmachung Blizzard nun nach Ansicht Hamanns auf dem Rechtswege einfordern sollte, sind einzig und allein die eigenen. Blizzard wurde hier - vereinfacht gesagt - eine Geschäftsidee zwar in den eigenen Firmenräumen, aber nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorgestellt; die Gastgeber haben abgelehnt, und eine andere Firma hat zugeschlagen. Sollte DotA 2, das nach Aussage Valves spätestens Anfang 2012 veröffentlicht werden soll, ein Erfolg werden, dann hat eben diese andere Firma den besseren marktwirtschaftlichen Spürsinn bewiesen. Nichts weiter.