"Milliarden-Enteignung" durch spanische Regierung
Mit Abengoa schließt sich ein führendes Unternehmen der Klagefront gegen die rückwirkende Kürzung der Einspeisevergütung bei erneuerbaren Energien an
Auch der großen südspanischen Firma Abengoa platzt wegen der einseitigen Kürzungspolitik der spanischen Regierung der Kragen. Sie ist in den Bereichen Umwelttechnik, Energieversorgung, Telekommunikation und Logistik tätig und gehört zu den größten börsennotierten Unternehmen Spaniens. Abengoa beschränkt seine Kritik aber allein darauf, dass die Konservativen, mit rückwirkenden Einschnitten bei der Einspeisevergütung für erneuerbare Energien enorme Rechtsunsicherheit schaffen und die Energiewende abklemmen.
Die Firmenleitung abengoa manuel sanchez 201304172031.html kritisiert insgesamt hart, Spanien könne "seine Wettbewerbsfähigkeit" nicht auf der Basis der "Verarmung" des Landes und der Bevölkerung steigern, sagte der Abengoa-Geschäftsführer Manuel Sánchez Ortega. "Unser Ziel kann nicht sein, die billigsten Arbeitskräfte zu haben." Die Regierung unter Mariano Rajoy setzt beim Weg aus der Krise vor allem auf Lohnkürzungen, Abbau des Kündigungsschutzes und Flexibilisierung.
Abengoa setzt dagegen auf Forschung und Entwicklung und ist in einigen Bereichen wie der Solarthermie führend. Bewiesen hat sie das kürzlich und weihte in Abu Dhabi das größte solarthermische Kraftwerk weltweit ein, das eine Leistung von 100 Megawatt MW hat. Derzeit baut sie in den USA ein klimafreundliches Kraftwerk, über dessen Solarspiegel in der Wüste Arizonas sogar 280 MW Strom erzeugt werden, womit man in den Bereich üblicher Kraftwerke gelangt.
Dass kaum noch investiert und gefördert wird, ist gerade für die zukunftsträchtige Solarthermie schmerzhaft. Sie entwächst gerade erst den Kinderschuhen. Und gerade in Spanien wird ein weltweit führendes Unternehmen mit dem Vorgehen der Regierung ausgebremst. Das wird zudem allgemein als verfassungswidrig angesehen. Die Kürzung, die bestehende Anlagen betrifft, bedeute für den Sektor eine "Enteignung" von fünf Milliarden Euro, sagte Ortega. Man werde auf "allen Wegen", die national und international zur Verfügung stünden, dagegen klagen. Abengoa reiht sich in eine breite Front ein. Schon die linke andalusische Regionalregierung hat Verfassungsklage gegen verschiedene Dekrete und Gesetze angekündigt. Sie spricht von "konstanten Angriffen" auf die erneuerbare Energieerzeugung.
Die Rechtsunsicherheit habe dazu geführt, dass 12 Milliarden Euro Investitionen und 40.000 Arbeitsplätze in Gefahr seien, sagte der Sprecher der Regionalregierung Miguel Ángel Vázquez. In einer Region mit fast 40% Arbeitslosigkeit sei das ein schwerer Schlag. Windanlagen mit einer Leistung von 1,5 Megawatt hingen nun in der Luft, sagte der Präsident der andalusischen Vereinigung für Erneuerbare Energie (APREAN). Mariano Barroso begrüßte deshalb die andalusische Verfassungsklage.
Betroffen ist auch die Photovoltaik. ANPIER, die 55.000 Anleger in Kleinanlagen vertritt, klagt vor den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Einst garantierte Renditen seien um 40% gesenkt worden. Gegenüber Telepolis erklären Betroffene, dass immer mehr Solar-Bauern vor der Pleite stünden. So haben zum Beispiel in der Rioja und im südlichen Navarra viele den Anbau von Wein, Mandeln und Gemüse wegen niedriger Preise aufgegeben und mit Anlegern "Solargärten" aufgebaut.
Schon vor der neuen Kürzung wurde 2011 von den Sozialisten (PSOE) die Vergütung auf 1250 Stunden im Jahr gedeckelt. Doch örtliche Bauern, oft Mitglieder oder sogar Amtsträger der Volkspartei (PP), sind nun besonders sauer, dass ausgerechnet ihre Partei erst so richtig die Axt ansetzt. "Diese Kürzungen ruinieren uns", sagte einer in der sonnenverwöhnten Region. Seit Jahresbeginn müssen zusätzlich 7% Steuern auf die Einnahmen aus dem Stromverkauf bezahlt werden. Schon durch die Deckelung kamen viele Anlagen an den Rand der Rentabilität, weil sie meist über Kredite finanziert wurden, für die Zinsen bezahlt werden müssen.
Der PP-Stadtverordnete, der seinen Namen nicht genannt wissen will, erklärt, dass Freunde schon ihre Wohnungen verlieren, weil sie die Kredite nicht mehr abzahlen können. Sie hatten einst bereitwillig mit der Wohnung gebürgt, denn der Staat hatte 30 Jahre lang eine Vergütung garantiert. In Regionen mit geringerer Sonneneinstrahlung wurde die Lage schon durch die Deckelung fatal. Dort wurden oft Anlagen gebaut, die wegen überhöhter Vergütungen, höher als in Deutschland, scheinbar rentabel waren. Neben der Immobilienblase wurde darüber auch eine Solar-Blase geschaffen.
Unterstützung erhalten Betroffene von EU-Energiekommissar Günther Oettinger. Mehrfach hatte dieser gewarnt, dass rückwirkende Änderungen "das Vertrauen von Investoren" untergraben. Er kritisierte in einem Arbeitspapier zudem den fehlenden Wettbewerb und das ineffiziente Tarifsystem. Brüssel macht "unzureichende Konkurrenz" auch für das Tarifdefizit verantwortlich, weil längst abgeschriebenen Anlagen "wie Atom und Wasserkraftwerke" eine "exzessive Vergütung" für den Strom erhielten. Längst wird eine Kurskorrektur von Madrid gefordert. Für das Land mit seiner enormen Energieabhängigkeit seien Investitionen in erneuerbare Energie langfristig billiger als der Einkauf von Brennstoffen. Kürzlich wurden "exzessive Fehlentwicklungen" im Land kritisiert und auch das Tarifsystem angesprochen () und Reformen am Strommarkt erneut angemahnt.