Mogelpackung in 3D

Neben der Spur

Exit Reality will das Web in 3D verkaufen. Die Lösung ist eine Mogelpackung und erinnert an die gute alte Wandzeitung.

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Immer wenn die gute alte Netzseite sich wieder einmal im Raum auflösen soll, dann ist der Verweis auf William Gibson und den Neuromancer oder Neil Stephensons Snowcrash nicht weit. Was dabei heraus kommt, wenn jemand versucht diese Visionen umzusetzen, das sieht man bei Second Life, der müden Stehparty, die viel verspricht, aber wenig hergibt.

Exit Reality will in ähnlicher Art und Weise das herklömmliche 2D-Web in eine dritte Dimension heben. Und das tut das Unternehmen, indem es beliebige Websites einfach auf eine grosse Fläche in einer Landschaft oder einem Raum projeziert und einen als Avatar hilflos darum herum stehen lässt.

Das ist nicht besonders einfallsreich, es ist zumindest brüllend komisch, dass sich irgendjemand überhaupt traut, solch eine Lösung zu präsentieren. Das erinnert ein wenig an ein Diätbuch, das stolz die Lösung für Übergewicht präsentiert: Aufklebbares Idealgewicht für alle Waagen und deren Displays.

Das Web in 3D hat einen kleinen Schönheitsfehler. Buchstaben sind eine abstrahierende Leistung der menschlichen Kommunikation, die es auch ermöglichen, losgelöst vom Kontext Gedanken zu formulieren und weiter zu verbreiten. Dazu muss ich sie nicht auf einer leuchtenden Wand neben einen künstlichen Swimming Pool stellen. Aber danke, Exit Reality. Das führt einen zurück zu den Unzulänglichkeiten des realen Lebens. Mein Tipp: Suche einen EC-Automaten in der Innenstadt von Bern und deren Laubengänge und Du erkennst die Nützlichkeit von Beschreibungen gegenüber einer Eigenerfahrung in der 3D-Welt. Die Welt ist langsamer als deren Sprache.