Neue Troika-Sparpläne für Portugal

Auch in der Regierung wird die Kritik an immer neuen Sparplänen stärker, während sich die Lage im Land ökonomisch, politisch und sozial zuspitzt

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Am Dienstag sind erneut Vertreter der Troika in Lissabon eingetroffen, um die Einhaltung der Sparauflagen zu überprüfen. Die Prüfung durch die EU-Kommission, den Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) wurde angesetzt, nachdem das Verfassungsgericht im April zentrale Sparvorhaben als verfassungswidrig gekippt hat. Es werde "in den nächsten Tagen hart gearbeitet", um die Prüfung möglichst noch vor dem Treffen der Euro-Finanzminister abzuschließen, erklärte Simon O’Connor.

Der Sprecher von Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn lobte aber schon am Montag die neuen portugiesischen Sparpläne, die Ministerpräsident Pedro Passos Coelho schon am Freitag vorgestellt hatte. Deshalb bestehen kaum Zweifel, dass die Troika dem Land erneut ein gutes Zeugnis ausstellen wird, obwohl es sich von den geplanten Zielen sogar immer weiter entfernt. Das Haushaltsdefizit ist gegenüber dem Vorjahr 2012 sogar wieder um zwei Prozentpunkte auf 6,4 Prozent gestiegen und die Arbeitslosigkeit erzielt immer neue Rekordwerte. Schon fast 40 Prozent aller jungen Menschen sind arbeitslos. Doch mit allen Mitteln soll aus Portugal ein erfolgreicher Rettungsfall gemacht werden, auch wenn auch die Rückzahlung der Rettungsmilliarden schon auf den St. Nimmerleinstag verschoben wurde.

Mit den neuen Sparplänen will Coelho nicht nur die 1,3 Milliarden Euro kompensieren, die nach dem Spruch der Verfassungsrichter als Loch im Haushalt 2013 klaffen, sondern bis 2016 zusätzlich 4,7 Milliarden Euro einsparen. Erwartet wird, dass er damit die ohnehin tiefe Rezession noch weiter verschärft. Zentral richten sich diese Vorhaben auf den öffentlichen Dienst. Coelho hatte zunächst die Streichung von 30.000 Stellen angekündigt. Das sind erneut fast fünf Prozent aller Stellen, nachdem schon zuvor 50.000 Stellen diversen Sparplänen zum Opfer fielen. Zudem soll dort die Arbeitszeit von 35 auf 40 Stunden pro Woche, das Renteneintrittsalter auf 66 Jahre angehoben und auch Sozialversicherungsbeiträge für Beschäftigte im öffentlichen Dienst erhöht werden. Auch die geplante Kürzung der Renten um bis zu vier Prozent - "Nachhaltigkeitsfaktor" genannt – sorgt für viel Unmut.

Brüche in der Regierungskoalition

Doch auch der rechtsliberale Koalitionspartner CDS-PP trägt die Rentenkürzung nicht mit. Außenminister Paulo Portas (CDS) sagte, eine "rote Linie" werde angesichts der schwierigen Lage vieler Rentner überschritten. Fraglich ist ohnehin, ob sie verfassungskonform wäre. Rentenkürzungen wurden schon zwei Mal als verfassungswidrig gekippt. Das Gericht bescheinigte den Konservativen ein "Suchtverhalten" bei Verfassungsverstößen. Deshalb schwenkt die Regierung schon wieder um. Statt 30.000 sollen nun weitere 50.000 Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen werden, hat Staatssekretär Hélder Rosalino am Dienstag angekündigt. Bis zum Ende der Legislaturperiode 2014 sollen insgesamt 100.000 Arbeitsplätze wegfallen.

Insgesamt ist der Sparkurs auch in der Regierung immer umstrittener. So fühlte sich der Außenminister Portas "vor den Kopf geschlagen", dass die Troika davon spreche, die "Austeritätspolitik zu begrenzen, um dringlich für Wachstum zu sorgen", um dann neue tiefe Einschnitte folgen zu lassen. Auch O'Connor hatte am Montag in Brüssel wieder betont, es gehe darum, "nachhaltiges Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu ermöglichen".

Portas Formation argumentiert schon fast wie die linke Opposition und die Gewerkschaften. Sie werfen dessen Formation aber "Widersprüchlichkeit" vor, weil sie den Austeritätskurs mitträgt. Doch auch in Coelhos "Sozialdemokratischen Partei" (PSD) – real eine konservative Partei – wächst die Kritik am Sparkurs. Der frühere PSD-Parlamentarier José Eduardo Martins bestätigte, dass Finanzminister Vítor Gaspar in der PSD mit seinem einseitigen Sparkurs zunehmend "isoliert" sei. Darüber sei er froh, weil der "auf der Seite der Gläubiger und nicht an unserer Seite" stehe.

Der Versuch der Regierung, die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst von den Einschnitten zu überzeugen, ging am Montag schief. Nach dem Gespräch mit Regierungsvertretern erklärte die Fesap-Sprecherin Ana Avoila: "Wie sollen wir den brutalen Angriff auf die Rechte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst akzeptieren?" Stellenstreichungen und die Anhebung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich, lehnt sie ab. Die Gewerkschaft, die dem großen Gewerkschaftsverband CGTP nahe steht, verließ die Sitzung nach nur wenigen Minuten. Die CGTP spricht von den tiefsten sozialen Einschnitten seit dem Ende der Diktatur 1974.

Da auch der zweitgrößte Gewerkschaftsverband UGT die Sparpolitik nicht mehr mitträgt, bildet sich eine breite Front für einen massiven Generalstreik heraus, auf den das Land zutreibt. Die CGTP hat am ersten Mai schon zwei "Kampftage" ausgerufen. Am 25. Mai wird für den Rücktritt der Regierung demonstriert. Der 30. Mai könnte angesichts der neuen Sparpläne zum Generalstreiktag erklärt werden.