Nicht der Dude

Folk ist ein Hobby für ältere Damen und der Zeitvertreib einiger passionierter Nerds und "Inside Llewyn Davis" nur für Hardcore-Fans der Coen-Brüder

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John Goodman ist im Trailer fast genauso lang zu sehen wie im kompletten Film und auch sonst sollten alle, die keine Hardcore-Fans der Coen-Brüder sind, hinterher nicht sagen, wir hätten sie nicht gewarnt. Was auf den ersten Blick wirkt wie ein zweiter Aufguss von "The Big Lebowski", ist recht öde und noch nicht mal halb so witzig, aber doppelt so gewollt. Einzig Set und Dekoration des Films sind großartig.

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Foto: StudioCanal

Am Anfang ist Hopfen und Malz verloren. Llewyn Davies ist Folk-Musiker, der in einer Dreierband im New Yorker East Village schlechte Musik macht und sich mit dem Wirt um die - welche? - Gage streitet und dann beim Luftschnappen ordentlich ein Paar aufs Maul bekommt - was nicht, jedenfalls nicht allein, an der schlechten Musik liegt.

Was war eigentlich Folk, bevor ihn Bob Dylan für die Massen aufbereitete? Ein Hobby für ältere Damen und der Zeitvertreib einiger passionierter Nerds - jedenfalls, wenn man den Coen-Brüdern folgt. Inside Llewyn Davis portraitiert einen dieser erfolglosen Musiker, die 1961 vor 20 Leuten in Nachtclubs singen, immer in der - meist vergeblichen - Hoffnung auf den Durchbruch.

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Foto: StudioCanal

Man kann nun nicht sagen, dass dieser Llewyn Davis (Oscar Isaac) sehr sympathisch wäre. Ein Schnorrer, Schwindler und Versager, dem der Film durch zehn Tage seines Lebens folgt. Nacht für Nacht sucht er einen neuen Platz zum Schlafen und landet dann meist bei befreundeten Musikern wie Jim (Justin Timberlake). Was macht ein erfolgloser New Yorker Musiker ohne ein Zuhause auch sonst? Das ist so eine der Fragen, die uns hier über den Film helfen sollen.

Oder: Was passiert, wenn er fast jede Nacht auf einer anderen Couch schläft (nicht viel) und dabei die Frau eines Freundes schwängert - dazu gehören ja nun mindestens zwei, man sieht es aber im Film sowieso nicht, sondern hört nur einem Gespräch zu über die Abtreibung. Carey Mulligan spielt diese Jane so müde und schlafwandelnd und uninteressant, wie sie noch nie war.

In jeder Hinsicht dezent

Llewyn Davis lebt für die Folkmusik, doch der große Durchbruch lässt auf sich warten. Oscar Isaac spielt den Titelhelden prägnant als Stadtneurotiker auf Woody Allens Spuren, der Frauen und Freunde schlecht behandelt. Überhaupt sind hier die Coens wie schon im - ungleich besseren, auch witzigeren - "A Serious Man" im Woody-Allen-Terrain: Nostalgie, Musik, Akademikermilieu, New York.

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(Bild: Foto: StudioCanal)

Dies ist ein ungewöhnlicher Coen-Film, weil er in jeder Hinsicht dezent ist: Der Witz ist so zurückgenommen wie der Plot. Die Machart allerdings ist perfekt: von der heruntergekommenen Ausstattung der Studentenwohnungen in Greenwich Village bis hin zu eleganten Kamerafahrten, die zeigen, wie der Titelheld immer aufs Neue (Vorsicht: Running Gag) vergeblich versucht, einen orange getigerten Kater wieder einzufangen, und die Stanley Kubrik auch kaum besser hätte filmen können. Die Presseagentur schreibt dazu:

"Doch Llewyn kann seine Gefühle nur in der Musik und nicht im echten Leben äußern, und so lässt er sich weitertreiben – von New York bis Chicago und wieder zurück, ganz wie die Figuren in den Folksongs."

Man könnte auch sagen: Und wenn er nicht gestorben ist, dann pendelt er noch heute.

Wunderschönes New York mit einem Haufen fast durchweg unsympathischer Figuren

Vor allem ist dies ein wunderschönes Portrait des winterlichen New York und des Lebens Anfang der Sechziger, als vieles, wie man hier sehen kann, noch um einiges unkomplizierter war. Lange plätschert das Alltagsleben der Figuren sehr angenehm so vor sich hin, dann übernimmt die subtile schwarze Komödie über das Musikerbusiness die Führung. Wenn wieder mal ein Folk-Song über die volle Dauer ausgespielt wird, ist man ganz auf der Seite des Plattenproduzenten, der cool zusammenfasst: "I don't see a lot of money here"

Dann aber spielt am Ende Bob Dylan in Llewyns Club und so gewannen die Coens in Cannes doch noch einen Preis, diesmal war es der "Große Preis der Jury".

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Foto: StudioCanal

Witzischkeit kennt keine Grenzen in diesem grundsätzlich so sinnlosen wie langweiligen Film über einen Haufen fast durchweg unsympathischer Figuren. Und mehr über die Folk-Szene - das will auch keiner wissen. Noch nicht mal die Coen-Brüder, die von einer Musik erzählen, die es nie gab, so wenig, wie Llewyn Davies. Wie gesagt: Hopfen und Malz verloren. Ein völlig uninteressanter belangloser Film, eine Beleidigung des Verstandes der Zuschauer - egal was man jetzt darüber erzählt.

Am Ende ist wieder Anfang. Da hilft es auch nicht mehr, dass Llewyn Davies endlich ordentlich ein paar aufs Maul bekommt. Sagen Sie nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt.