Perus Armee verteidigt Ölkonzerne

Nach Protesten indigener Gruppen wurde im Norden des Landes der Ausnahmezustand verhängt

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Soziale Proteste indigener Gruppen in Peru haben in den letzten Tagen deutlich an Stärke gewonnen, nachdem die Regierung am vergangenen Samstag in vier nördlichen Provinzen den Ausnahmezustand erklärt hat. Präsident Alan García reagierte damit auf Massenkundgebungen gegen die Ausbeutung der Erdöl und Erdgas-Vorkommen durch ausländische Konzerne. Die Nachkommen der Ureinwohner verweigern den Unternehmen den Zugang zu ihren angestammten Gebieten. In Peru leben rund 370.000 Angehörige indigener Gruppen.

Nach einem Monat permanenter Proteste hatte García am Samstag per Dekret den Ausnahmezustand für die nördlichen Provinzen Amazonas, Loreto, Ucayali und Cusco erklärt. In den vier Regionen wurden damit für zunächst 60 Tage zahlreiche Grund- und Bürgerrechte wie das Versammlungsrecht, die Reisefreiheit oder die Unverletzbarkeit der Wohnung außer Kraft gesetzt. Kurz zuvor hatte die Armee eine Blockade zweier Flüsse gewaltsam aufgelöst, um einen Öltanker des französisch-britischen Unternehmens Perenco passieren zu lassen.

Tausende Mitglieder indigener Gruppen demonstrieren nicht nur für ein Ende des Ausnahmezustandes, der mit einer Mobilisierung der Armee einherging. Ihr Protest zielt in erster Linie auf eine Rücknahme mehrerer Gesetze ab, die ihrer Meinung nach die Nutzungsrechte am Boden verletzten. Einer der Dachverbände, die AIDESEP, verwies in den vergangenen Wochen wiederholt auf eine Resolution der Internationalen Arbeitsorganisation ILO. Das Übereinkommen Nummer 169 aus dem Jahr 1989 räumt indigenen Gruppen bei der Ausbeutung natürlicher Ressourcen in ihren Gebieten Mitbestimmungsrechte ein. Peru hatte die Konvention im Jahr 1994 ratifiziert.

Die Regierung spricht den indigenen Einwohnern ihre Rechte dennoch ab. „Nach der Verfassung gehört der Boden allen Peruanern“, wird Umweltminister Antonio Brack Egg von der deutschen Nachrichtenagentur dpa zitiert. Im Gegensatz zu anderen Staaten der Region garantiere die Konstitution den Nachkommen der Ureinwohner in Peru keine besonderen Befugnisse. Ein zweifelhaftes Argument, denn gerade die Aufnahme dieser Ansprüche in die reformierten Verfassungen Boliviens, Venezuelas und Ecuadors wird in der Region gemeinhin als Fortschritt im Kampf gegen die ungehemmte Ausbeutung der Bodenschätze gesehen. Auch eine weitere Erklärung der Regierung gegen die Proteste ist fragwürdig. Sie seien „politisiert“, so der Umweltminister, weil die Indigenenorganisationen Kontakt zu oppositionellen Politikern gehabt hätten. Eine erstaunliche Erkenntnis.

Der Konflikt weist auf ein hintergründiges Problem hin. Neben Kolumbien und Mexiko ist Peru das letzte Refugium des Neoliberalismus in Lateinamerika. In anderen Staaten der Region wurde die ungebremste Ausbeutung der natürlichen Ressourcen zugunsten der Entwicklung der eigenen Wirtschaft gestoppt. Peru aber gehört trotz eines immensen Energieproblems nach letzten bekannten Daten zu den Erdöl-Exportstaaten. Dass dies – und die repressive Politik der Regierung García – im europäischen Ausland nicht thematisiert wird, hat ideologische Gründe. So erklärte der deutsche FDP-Bundestagsabgeordnete Florian Toncar noch zwei Tage vor der Ausrufung des Ausnahmezustandes und der Entsendung der Armee gegen Demonstranten in dem südamerikanischen Land: „Die Regierung Perus versucht, auf relativ pragmatische Weise die Herausforderungen des Landes zu bewältigen.“

Knapp eine Woche nach dem Aussetzen der Verfassungsrechte im Norden des Landes hat sich die Lage nun deutlich verschärft. Vor allem die Mitglieder der Awajún-Gruppe gehen massiv gegen Polizei- und Armeekräfte vor. Zuvor waren drei ihrer Mitglieder während Auseinandersetzungen verschwunden. Man erwarte, dass sie lebend wieder auftauchen, sagte der Vorsitzende des Indigenen-Dachverbandes AIDESEP, Alberto Pizango: „Wenn sie ermordet wurden, sind die Folgen nicht abzusehen.“