Polen im Obama-Kater

Auch wenn Obama sagte: "Ich bin selbst zum Teil Pole, da ich aus Chicago komme"

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Als am Samstag kurz vor 16 Uhr die Air Force One mit Präsident Barack Obama an Bord vom Warschauer Flughafen Okecie abhob, dürfte ein Großteil der Warschauer vor Erleichterung aufgeatmet haben. Denn auch wenn der US-Präsident insgesamt nur 22 Stunden und knapp 30 Minuten in der polnischen Hauptstadt weilte, wurde die Metropole an der Weichsel seit Freitagvormittag zu einem Hochsicherheitstrakt umfunktioniert. Ein Umstand, der sich im Alltagsleben der Warschauer bemerkbar machte, die in den zwei Tagen mit Umleitungen, Staus und Verzögerungen im öffentlichen Nahverkehr zu kämpfen hatten.

Doch was brachte der Obama-Besuch? "Meiner Meinung nach gibt es wieder eine reelle Chance, das Interesse der Vereinigten Staaten auf diesen Teil Europas zu lenken", sagte Jaroslaw Kaczynski am Montag auf einer Pressekonferenz und blieb damit seiner bisherigen Außenpolitik treu, die in Washington den wichtigsten Partner Polens sieht. Noch vorletzte Woche veröffentlichte er einen Essay, in dem er eine noch engere Partnerschaft zwischen Warschau und Washington forderte, die nach Meinung des nationalkonservativen Politikers bestärkt werden könnte durch den "westeuropäischen Anti-Amerikanismus" und Polens quasi "natürliche Skepsis" gegenüber Russland.

Und wie sehr Kaczynski auf Washington zählt, zeigte er bei seinem kurzen Treffen mit Barack Obama. Falls es bei den im Herbst anstehenden Parlamentswahlen zu einem Regierungswechsel kommen sollte, werde sich die neue Regierung an die NATO und die Vereinigten Staaten um Unterstützung bei der Aufklärung des des Flugzeugunglücks von Smolensk wenden, kündigte der Chef der größten polnischen Oppositionspartei dem amerikanischen Präsidenten an. Wie in dem Fall vor allem die NATO helfen kann, fragt sich seitdem zwar nicht nur die polnische Politik, sondern dürfte auch Obama interessieren, trotzdem zeigte sich der amerikanische Präsident gesprächsbereit.

Doch trotz der Höflichkeitsfloskel bezüglich Smolensk, die Polens Nationalkonservative als einen Erfolg darzustellen versuchen, sind sie über den Gesamtverlauf des Obama-Besuches enttäuscht. "Das war ein Treffen zweier großer Werbeagenturen, von zwei Pfauen, die ihre Federn präsentieren", sagte am Dienstag Witold Waszczykowski, der früher für die PiS-Regierung mit den USA über die Raketenabwehr verhandelte, in einem Radiointerview.

Die Analyse ist durchaus zutreffend. Mit Blick auf seine Wiederwahl war es Barack Obama wichtig, bei den vielen polnischstämmigen US-Bürgern Pluspunkte zu sammeln. "Wenn man so will, bin ich selber zum Teil Pole, da ich aus Chicago komme. Jeder, der aus Chicago stammt muss irgendwie zum Teil Pole sein, sonst stimmt etwas nicht mit ihm", sagte Obama auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem polnischen Premierminister Donald Tusk.

Und die polnische Regierung kann sich wieder zufrieden zeigen über das Lob des US-Präsidenten. Als eine wichtige regionale Macht, die zukünftig auch in der Welt eine bedeutende Rolle spielen wird, mit einer immer stärker wachsenden Wirtschaft und als ein Beispiel in Sachen Demokratie, bezeichnete Obama Polen. Und auch in ihrer Außenpolitik, die sich mehr Europa zuwendet, darf sich die polnische Regierung bestätigt fühlen. In seinem einzigen Interview, das Obama ausgerechnet dem nationalkonservativen Journalisten und Blogger Igor Janke gab, bestärkte er die aktuelle polnische Außenpolitik und bezeichnete Russland als einen immer zuverlässigeren friedlicheren Partner für den Westen. Eine Aussage, die bei vielen polnischen Nationalkonservativen, die gegenüber Europa skeptisch sind und Russland misstrauen, ein kleines Erdbeben ausgelöst haben muss.

Polen bleibt US-Verbündeter zweiter Klasse

Doch trotz der vielen lobenden Worte, die Obama für die aktuelle polnische Regierung hatte, mit den tatsächlichen Ergebnissen der Visite kann diese auch nicht zufrieden sein. Denn bis auf lose Vereinbarungen im Bereich der Wirtschafts-, und Energiepolitik und einem gemeinsamen außenpolitischen Kurs bezüglich Weißrussland, gibt es nichts, was Polen das Gefühl nehmen könnte, weiterhin nur ein US-Verbündeter 2. Klasse zu sein. Die militärische Zusammenarbeit wird zwar verstärkt, was 2013 die Eröffnung einer kleinen US-Luftwaffenbasis auf polnischem Territorium nach sich ziehen wird, von der auch die polnischen Luftstreitkräfte profitieren sollen, jedoch nicht in dem Maße, wie von der polnischen Seite erhofft. Und auch bezüglich der Visa-Pflicht, auf deren Aufhebung Polen seit zwei Jahrzehnten wartet, konnte und wollte Obama keine Versprechen machen. Er werde sich lediglich vor dem Kongress für eine Änderung der Visa-Gesetze einsetzen, erklärte der US-Präsident und beendete so das Thema.

Für die polnische Regierung offenbar ein Zeichen, ihre pro-europäische Politik nicht nur fortzusetzen, sondern auch zu verstärken. "Während der ersten Amtszeit von Bush haben sich manche Politiker wie nützliche Idioten verhalten", sagte am Dienstag der außenpolitische Berater von Staatspräsident Komorowski, Roman Kuzniar, und äußerte sich so zu den neuesten Erkenntnissen über die geheimen CIA-Gefängnisse in Polen, die am Montag die Gazeta Wyborcza publik machte. Dass die mit der Regierung sympathisierende Tageszeitung das schon fast vergessene Thema ausgerechnet kurz nach dem Obama-Besuch wieder in den Fokus der Öffentlichkeit schiebt, halten vor allem die Nationalkonservativen nicht für zufällig.