Portugal genervt über Rating

Trotz guter Wirtschaftsdaten und einem fast beispielhaften Defizit stufen die großen Agenturen das Land weiter als Ramsch ein

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Wieder einmal kann Portugal froh darüber sein, dass es noch die kleine kanadische Ratingagentur DBRS gibt. Denn gegen die großen Agenturen hat sich DBRS bisher geweigert, den Daumen über den Staatsanleihen des kleinen Landes am westlichen Rand Europas zu senken. Die großen Moody's, Fitch und Standard & Poor's halten die Anleihen des Landes weiter für "spekulativ". Das bedeutet, dass mit einem Ausfall gerechnet werden kann.

Dagegen hat DBRS seine bisherige Einschätzung bestätigt, wonach sie kein "Ramsch" sind und stuft sie weiterhin auf der Stufe "BBB low" mit stabilem Ausblick ein. Das teilte die Agentur am Freitag mit.

Damit bleibt Portugal weiter eine Stufe über der "Ramsch-Niveau" und das hat für das Land eine besondere Bedeutung, da Portugal ohnehin wegen der schlechten Einstufung relativ hohe Zinsen bieten muss, die den Haushalt belasten. Wegen dem DBRS-Rating darf die Europäische Zentralbank (EZB) weiter Anleihen des Landes kaufen, was allerdings nur noch im geringen Umfang stattfindet und ein Ausufern der Zinsen begrenzt.

Kamen die Kanadier noch vor einem Jahr wegen ihrer Einschätzung unter Druck, weil sie einem neuen Absturz des Landes eine Absage erteilt hatten, kommen angesichts der wirtschaftlichen Erfolge der Linksregierung die drei großen Agenturen unter Druck. Deren Rating wird immer absurder. Sie hatten sich vor gut einem Jahr auf die Regierung eingeschossen, weil die dem Austeritätskurs eine Absage erteilt hatte.

Doch Portugal hat gezeigt, dass man gerade damit erfolgreich sein kann, auch wenn man sogar relativ hohe Zinsen an den Kapitalmärkten bezahlen muss. Wie Telepolis berichtete, schaffte es die Regierung, ein nachhaltiges Wachstum zu generieren, mit dem die Arbeitslosigkeit deutlich gesenkt wurde, die praktisch nun auf dem Durchschnitt im Euroraum liegt. Führen Ratingagenturen gerne zur Begründung für Ramsch-Einstufungen eine ausufernde Verschuldung an, hat sich das kleine Land geradezu vorbildlich entwickelt.

Und anders als der große Nachbar Spanien, der von einer instabilen konservativen Minderheitsregierung regiert wird, hat sich die portugiesische mit ihren beiden linksradikalen Unterstützern als sehr stabil herausgestellt. Sie hat es nicht nur geschafft, das Haushaltsdefizit unter die Stabilitätsmarke von 3% zu senken, sondern es wurde 2016 sogar auf knapp 2,1% gesenkt.

Damit wurde es noch deutlich unter die Marke von 2,5% gedrückt, die die EU-Kommission gefordert hatte. Es ist nun so niedrig wie seit vier Jahrzehnten nicht mehr. Das Land hat sich zur Referenz gegen den Austeritätswahn entwickelt.

Spanien, das kaum vorankommt, wird hingegen Erfolg nachgesagt

Spanien ist mit seinem Austeritätskurs davon weit entfernt und nähert sich Stabilitätskriterien bestenfalls mit Trippelschritten an. Es wird dafür trotz allem von den drei großen Ratingagenturen mit guten Einstufungen belohnt, weshalb der Risikoaufschlag (Spread) für seine Anleihen nur etwa halb so hoch wie der von Portugal ist.

Dabei ist aus dem bisherigen Haushaltsentwurf klar, dass Spanien erneut nicht einmal mit der Vorzugsbehandlung durch EU-Kommission den ständig nach oben korrigierten Zielen gerecht werden kann. Immer wieder bekommt das Land mehr Zeit, um das Stabilitätsziel einzuhalten. Doch nun statt 2017 auf die geforderten 3,1% zu kommen, sind nach dem Entwurf bestenfalls 3,5% drin.

Das ist zwar etwas besser als die hohen 4,7% im Vorjahr, doch sogar damit ist unklar - wenn die Ansätze der Konservativen sogar erstmals greifen würden -, ob das Land dann 2018 unter 3% landet. Denn dann soll das Wachstum geringer als bisher prognostiziert ausfallen und der Tourismusindustrie kann der Brexit zudem schweren Schaden zufügen.

Spanien ist besonders von Touristen aus dem Königreich angewiesen und ein weiter fallendes Pfund würde denen die Urlaubslaune in einem Land verderben, in dem die Preise im Tourismus überdurchschnittlich steigen.

Ein großes Problem, das die Sozialkassen extrem belastet, ist die hohe Arbeitslosigkeit in Spanien. Sie ist noch fast doppelt so hoch wie in Portugal. Wie beim Defizit wird das von den Agenturen gelobte Spanien aber auch bei der Arbeitslosenbilanz nur von Griechenland negativ übertroffen. Das gescholtene Portugal ist dagegen auf einem guten Weg, da über gestiegene Löhne und Renten auch der nationale Konsum angekurbelt wurde, was Einnahmen aus Steuern und die der Sozialversicherung erhöht.

So kann man nachvollziehen, dass sich die Regierung in Portugal unfair behandelt und eingestuft fühlt und der Finanzminister von "diskriminierenden Kriterien", die von den großen Agenturen eingesetzt würden. Mário Centeno weist darauf hin, dass "Portugal alle aufgestellten Ziele der letzten Jahre" unter der Linksregierung "erstmals eingehalten hat". Er ist überzeugt, dass das Defizitverfahren nun eingestellt wird und auch die Debatte um Sanktionen nicht wieder aufflammt.

Denn einige wollten, vor allem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, Portugal unbedingt abstrafen und den Genesungsweg verbauen. Doch letztlich legte er, weil es seine konservativen Freunde in Spanien im Wahlkampf besonders getroffen hätte, den Rückwärtsgang ein und sprach sich plötzlich gegen Sanktionen aus. Man darf gespannt sein, ob er sich bald für Sanktionen gegen Spanien ausspricht, da es weiterhin gegen die Defizitkriterien verstößt und noch immer keine "effektiven Maßnahmen" zur Begrenzung auf den Weg bringt.

Klar ist, wenn die Dynamik beibehalten wird, dann wird Portugal die Schulden in diesem Jahr im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung senken, da das Haushaltsdefizit weiter sinken, während die Wirtschaft weiter stabil wachsen soll. Damit wird langsam aber sicher auch die Schuldenlast wieder tragbarer, während sich genau dieser Effekt für Spanien nicht einstellen dürfte.

Dort gibt es das Problem, dass in den Sozialkassen ein immer größeres Defizit aufbricht und nun auch die Reserven der Rentenversicherung aufgebraucht sind. Und unklar ist, anders als in Portugal, ob nicht doch bald die dritten Neuwahlen anstehen.

Denn es sagt ja schon viel aus, dass die Regierung noch immer keinen Haushalt für das laufende Jahr durchbringen konnte, die zudem wegen ständig stärker neuer Korruptionsskandale unter Druck kommt. Das ist nicht gerade förderlich für eine bunte Unterstützertruppe für deren Haushalt.

Es ist in dieser Hinsicht für sie sehr ungemütlich, dass nicht nur der Regierungschef als Zeuge in einem der großen Korruptionsskandale aussagen muss, sondern sogar dramatisch, dass gerade der ehemalige Präsident der konservativen Volkspartei (PP) und der ehemalige Präsident der Region Madrid inhaftiert worden ist.

Ignacio González soll der Chef einer Korruptionsbande sein, die die öffentlichen Kassen auch zur Finanzierung der Partei "ausgeplündert" haben soll. Dabei sollen auch noch viele Millionen auf ihre Konten geflossen sein. Das korrupte Netzwerk soll sich unter anderem auch an Hilfsgeldern für Opfer des fatalen Erdbebens in Haiti bereichert haben.