Spanischer Sumpf: Wen trifft es als Nächsten?

María Dolores de Cospedal und Mariano Rajoy, Foto vom Heiligabend 2017

(Bild:  Ministry of the Presidency. Government of Spain )

Die ehemalige Generalsekretärin der spanischen Volkspartei (PP) María Dolores de Cospedal stürzt über skandalöse Aufnahmen eines inhaftierten korrupten Polizeikommissars

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Frage war nicht mehr, ob die Ex-Generalsekretärin der Volkspartei (PP) abtreten wird, sondern nur noch wann es geschehen würde. María Dolores de Cospedal war eine der starken Frauen der Regierung von Mariano Rajoy bis zu dessen Abwahl über einen Misstrauensantrag im Juni.

Zunächst trat die ehemalige Verteidigungsministerin wegen ihrer Verwicklungen in diverse Skandale am Montag aus dem Parteivorstand der PP zurück. Sie wollte aber weiterhin im Parlament bleiben und einer der wichtigsten Kommissionen vorstehen.

Doch Aufnahmen des ehemaligen hochrangigen Kommissars in der Nationalpolizei, der seit einem Jahr im Gefängnis sitzt, bringen die Partei immer stärker unter Druck. Letztlich musste der neue Parteichef Pablo Casado die Reißleine ziehen.

Das fiel ihm sehr schwer, schließlich hatte er nur mit Hilfe von Cospedal die Parteispitze erklommen und damit die Partei noch weiter nach rechts geführt. Angesichts bevorstehender Wahlen im bevölkerungsreichen Andalusien und den Europaparlamentswahlen im nächsten Frühjahr drängte er Cospedal zum Abgang.

Hardlinerin in der Klemme

Die Hardlinerin, die sogar dem abtrünnigen Katalonien mit einem Militäreinsatz gedroht hatte, weist alle Vorwürfe zurück. Sie begründet ihren Rücktritt damit, dass sie ihre Partei "von allen Angriffen" befreien will. Ihre Treffen mit dem Polizisten José Manuel Villarejo, der seit einem Jahr wegen Bestechung, Geldwäsche und Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation inhaftiert ist, verteidigt sie.

Zu verteidigen gibt es dabei aber nichts, da die auf moncloa.com veröffentlichten Aufnahmen Villarejos, der stets alle Gespräche aufgezeichnet hatte, eindeutig sind. Daraus geht hervor, dass der PP-Anhänger versuchte, Beweismittel zu zerstören, um die Korruptionsermittlungen gegen die PP auszuhebeln.

Darunter befand sich auch ein USB-Stick mit Daten, die letztlich zur Verurteilung der Korruptionspartei und der Abwahl von Rajoy führten. Sie hatte Villarejo höchst konspirativ, vermittelt über ihren Ehemann Ignacio López del Hierro, verdeckt in den Parteisitz befördert. Dort warnte der Polizeichef die PP-Generalsekretärin über die Ermittlungen gegen ihre Partei. Zudem erteilten Cospedal und ihr Ehemann ihm diverse Aufträge.

Er sollte nicht nur Oppositionspolitiker wie den ehemaligen Chef der Sozialdemokraten Alfredo Pérez Rubalcaba und seinen Bruder ausspionieren – der Angaben von Villarejo der "Schwachpunkt" zum Angriff auf den ehemaligen Oppositionsführer sei. Cospedal interessierte sich auch für das Treiben von Javier Arenas, Vize-Sprecher ihrer PP im Senat.

Die "Kloaken des spanischen Staates"

Dass Casado letztlich Cospedal abgesägt hat, dürfte damit zu tun haben, dass zuletzt auch der Ex-Ministerpräsident Rajoy einbezogen wurde. López del Hierro, über den Cospedal weiter Kontakt zu Villarejo hielt, versicherte, Cospedal habe Rajoy über geplante Spionageaktionen informiert. "Ja, ihr Chef ist mit diesem Vorgehen einverstanden", erklärte Cospedals Ehemann ihm am Telefon.

Die "Kloaken des spanischen Staates", von denen nun auch die konservative deutsche Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) spricht, liegen seit längerem für alle offen, die sie sehen wollten. Aufgearbeitet wurden verschiedene Vorgänge, in der auch das Innenministerium unter dem PP-Führer Jorge Fernández Díaz eine zentrale Rolle spielte, in einem Film mit dem bezeichnenden Namen: "Die Kloaken des Innenministeriums".

Telepolis hatte vor zweieinhalb Jahren darüber berichtet, dass der Innenminister politische Gegner in Katalonien über konstruierte Anschuldigungen diskreditiert hat. "Der Regierungschef ist informiert", bezog auch Fernández Díaz schon Rajoy in die Vorgänge ein. Der Innenminister erklärte dem Chef der katalanischen Anti-Betrugsbehörde damals, wie unabhängig die Justiz im Land ist, was ohnehin auf allen Ebenen immer stärker angezweifelt wird.

"Das wird die Staatsanwaltschaft anpassen", sagte der Innenminister angesichts der Tatsache, dass Daniel de Alfonso von nur "schwachen" Indizien sprach. Auch so könne man großen Schaden anrichten.
Es wurden falsche Anschuldigungen geäußert, wonach der einstige Bürgermeister von Barcelona über Schwarzgeldkonten in der Schweiz verfüge. Damit wurde dafür gesorgt, dass Xavier Trias nicht erneut gewählt wurde.

Fake-News in Reinform

Die Tageszeitung El Mundo, über die die falschen Anschuldigungen verbreitet wurden, spielte dabei eine besondere Rolle. Die Zeitung machte sogar mit einer angeblichen Kontonummer von Trias auf. Fake-News in Reinform, um aus den spanischen Kloaken die katalanische Unabhängigkeitsbewegung über die "Operation Cataluña" zu diskreditieren.

In dem Film kommt der Kommissar Jaime Barrado zu Wort, der versuchte die Vorgänge zu ermitteln. Er verlor dafür seinen Posten, weil er illegale Vorgänge, wie die von Villarejo, angezeigt hatte. "Das System ist so korrupt, dass es die Anständigen rauswirft", erklärt Barrado. Villarejo nannte er einen "authentischen Mafioso". Und das Firmengeflecht des Polizisten und Privatdetektivs nennen nun auch die großen Zeitungen wie El Pais eine "Mafia".

46 Firmen, 16 Millionen Euro und 1.000 Euro fürs Abhören

Die Zeitung steht den Sozialdemokraten nahe, für die Villarejo nach eigenen Angaben auch Aufgaben erledigt hat und dafür gut kassiert haben will. Villarejo verfügte über bis zu 46 Firmen mit einem Kapital von etwa 16 Millionen Euro. "Eine Modelagentur gehörte ebenso dazu wie ein Büro, das angeblich darauf spezialisiert war, Gerichtsverfahren platzen zu lassen", schreibt die FAZ.

Wenn Polizeikollegen ihm nicht helfen konnten, seien einfach Mitarbeiter von Telefongesellschaften bestochen worden, um Telefone abzuhören. Nur 1.000 Euro koste es, erklärte er Cospedal. Denn sie und ihr Ehemann hatten gefordert, dass die Aktionen nicht teuer werden dürften. Die Partei sei, nachdem die Schwarzgeldkonten des ehemaligen Schatzmeisters Bárcenas aufgeflogen sind, schlicht "pleite".

Die FAZ verbreitet die Auffassung, dass Villarejo hinter den Veröffentlichung steht und darüber "darum kämpft, aus dem Gefängnis herauszukommen". Dabei ist völlig unklar, ob er tatsächlich dahinter steckt, schließlich belasten die Aufnahmen ihn vor den bevorstehenden Prozess ebenfalls.

In seinem Archiv soll er über Unmengen an Tonaufnahmen, Videofilmen und Dokumenten verfügen. Da die Polizei seit Monaten sein Material durchforstet, ist nicht ausgeschlossen, dass die bisher veröffentlichten Aufnahmen von anderen durchgestochen wurden, die ein ganz anderes Ziel haben.
Es wird sich zeigen, wer als nächstes angegriffen wird.

Auch das Königshaus ist im Sumpf dabei

Auch die derzeitige Justizministerin Delgado wurde schon belastet, aber vor allem war das Königshaus Ziel. Villarejo hatte auch mit der Freundin des ehemaligen Königs Juan Carlos gesprochen. Corinna zu Sayn-Wittgenstein hatte ihm erklärt, dass der abgedankte König Juan Carlos zum Beispiel allein aus Saudi-Arabien eine "Provision" in Höhe von 80 Millionen Euro für die Vermittlung zum Bau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke im Land erhalten habe.

Da der König in Spanien völlige Straffreiheit genießt, wird das strafrechtlich nicht untersucht und eine parlamentarische Untersuchung haben PSOE, PP und die rechten Ciudadanos gemeinsam verhindert. Corinna hatte auch erklärt, dass Juan Carlos Geld für die Stiftung des Schwiegersohns Iñaki Urdangarin eingetrieben habe.

Der erhielt wegen Veruntreuung von sechs Millionen Euro an Steuergeldern, Betrug, Urkundenfälschung und Geldwäsche eine Gefängnisstrafe von fast 6 Jahren, die er derzeit unter Vorzugsbedingungen absitzt.