Vuvuzelas in Wimbledon

Die Anti-Tröten-Filter der Fernsehsender finden seit Wimbledon bei der BBC einen neuen Verwendungszweck

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Geht es nach den Wimbledon-Offiziellen, dann müsste auf dem Center Court des wohl wichtigsten Tennisturniers der Welt mal über die Lärmemissionen verhandelt werden. So meldete sich Ian Ritchie, Vorsitzender des All England Lawn and Tennis Clubs, während der Austragung in diesem Sommer zu Wort und bekundete seinen Unmut über die - auch von ihren männlichen Kollegen gerne belächelten und parodierten - Stöhnlaute der Tennisspielerinnen, die nach Ansicht von Ritchie und seinen Kollegen inzwischen überhand nehmen.

Zwei Spielerinnen im Halbfinale gaben Anlass zu dieser Beschwerde: Die Weißrussin Victoria Azarenka beschallte in den Tagen zuvor mit ihrem 95 Dezibel starken Organ auch die Nachbarplätze, die Russin Maria Sharapova sorgte mit beeindruckenden 105 Dezibel ebenfalls für eine Geräuschkulisse, die dem altehrwürdigen britischen Tennisclub nicht so recht angemessen schien. Nicht dabei war immerhin die Portugiesin Michelle Larcher de Brito: Mit 109 Dezibel hält die 18-Jährige einen weder rühmlichen noch offiziellen Rekord und zog sich bei den French Open 2010 auch den Unmut ihrer Gegnerinnen zu.

Die Spielerinnen sind sich zwar bewusst, welchen Ruf ihre Stöhnlaute bei Zuschauern und Tennis-Offiziellen haben. Eine Regeländerung lehnen sie aber aus verständlichen Gründen nahezu geschlossen ab. "Ich mache das, seit ich 10 Jahre alt bin. Ich war nicht sehr stark, und das hat mir geholfen, dem Ball mehr Kraft und Beschleunigung zu geben", begründet Azarenka ihren Output. "Ich kann es nicht ändern, ich brauche das für mein Spiel." Wissenschaftliche Studien geben ihr recht. Allerdings ist man sich noch uneins, ob der Vorteil des Stöhnens wirklich in einem besseren Kraft- oder Konzentrationsmanagement liegt, oder ob die Spielerinnen vor allem davon profitieren, dass sie das Schlaggeräusch übertönen und dem Gegner damit wertvolle Informationen verheimlichen.

Obwohl es immer wieder Stimmen für eine Regeländerung gibt - Boris Becker, Michael Stich und Martina Navratilova sind prominente Verfechter einer solchen - zeichnet sich dergleichen nicht ab. Ian Ritchie blieb also nur ein Interview mit dem Daily Telegraph, um seinem Ärger Luft zu machen. Die BBC machte dagegen kurzen Prozess: Auf der Webseite des britischen Senders wird der “NetMix Player” empfohlen, mit dem sich in den Audioeinstellungen ein recht effizienter Filter aktivieren lässt, der selbst Sharapovas Stöhnen hinter der Kommentatorenstimme zurücktreten lässt. Allerdings ist dieses Angebot bislang auf Online-Zuschauer beschränkt, die Fernseh- und Radioausstrahlungen dokumentieren die Klangkulisse weiterhin ungefiltert. Da waren ARD und ZDF während der Fußball-WM 2010 schon einen Schritt weiter: Nach anfänglichem Ärger über den Vuvuzela-Lärm brachten sie die selben Filter-Algorithmen zum Einsatz, die sich auch in der BBC-Software finden - und wandten sie kurzerhand auf alle Fernsehübertragungen an. Vielleicht nächstes Jahr auch bei der BBC - und dann gleich zwei Mal: Neben Wimbledon werden dann auf dem heiligen Rasen des All England Lawn and Tennis Clubs auch die Olympischen Sommerspiele ausgetragen.