WTO: Kritiker unerwünscht
In Argentinien diskutieren Regierungsvertreter aus aller Welt über Ausweitung des Freihandelsregimes. Gastgeber laden Gewerkschafter und andere Aktivisten aus
In Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires tagt noch bis Mittwoch die 11. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation WTO. Die diversen WTO-Verträge regeln seit den 1990er Jahren den freien Waren- und Geldverkehr zwischen den 164 Mitgliedern. Verhandelt wird unter anderem über die Ausdehnung der Verträge auf den Agrarsektor.
Das könnte bedeuten, dass Zollschranken, Importbeschränkungen und Subventionen für Agrarprodukte abgeschafft würden, was eine erhebliche Bedrohung für Kleinbauern und die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung insbesondere für ärmere Bevölkerungsschichten bedeuten würde.
Die Organisation ist daher seit Jahren ein rotes Tuch für Globalisierungskritiker, die in ihr vor allem ein Instrument zur unumschränkten Herrschaft multinationaler Konzerne sehen, das lokale Märkte zerstört und kleinen Produzenten die Existenzgrundlage entzieht.
Entsprechend war seinerzeit im Dezember 1999 die WTO-Tagung im US-amerikanischen Seattle zum Kulminationspunkt einer internationalen Bewegung geworden, die sich hierzulande in den darauf folgenden Jahren nach französischem Vorbild vor allem im globalisierungskritischen Netzwerk ATTAC organisierte. Ähnliche, aber meist wesentlich kleinere Organisationen gibt es auch in zahlreichen anderen Ländern.
Akkreditierungen widerrufen
Auch in Buenos Aires wird der Gipfel von Protesten und einem Gegengipfel begleitet, zu dem viele internationale Gäste angereist sind. Neu ist allerdings, dass die argentinische Regierung versucht, kritische Beobachter auszuschließen. Seit Anfang der 1990er Jahre ist es bei Konferenzen im Rahmen der UNO oder auch der WTO, die in gewisser Art und Weise eine Art Parallelstruktur zu den Vereinten Nationen darstellt, üblich, dass diverse Nichtregierungsorganisationen sich zu den Verhandlungen akkreditieren und im Konferenzzentrum als Beobachter anwesend sind.
So auch in diesem Jahr. Nur dass die argentinische Regierung diverse Vertreter von Gewerkschaften, Kleinbauernorganisationen und Umweltverbänden praktisch ausgeladen hat. ATTAC Deutschland spricht in einer per Email versandten Pressemitteilung von rund 60 Personen, denen die Akkreditierung nachträglich seitens der argentinischen Behörden entzogen wurde. Der Sprecher von ATTAC Norwegen Petter Titland Laatrem sei an der Grenze zurückgewiesen und nach Brasilien abgeschoben worden.
Aufgrund der Interventionen verschiedener Regierungen habe er aber schließlich doch noch einreisen können. Das Magazin Agrarheute schreibt auf seiner Internetseite, dass 23 Rückweisungen inzwischen aufgehoben worden seien, darunter auch die eines Vertreters des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).
Bauern gefährdet
Derweil hat das kirchliche Hilfswerk Misereor die Europäische Union und die Bundesregierung zu einem "grundlegenden Kurswechsel in der Handelspolitik" aufgefordert. "Handel muss Menschenrechte und Umweltschutz beachten", so Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel.
"Bisher ordnet die EU das Weltgemeinwohl zumeist den Exportinteressen europäischer Konzerne unter. Das sehen wir momentan bei der WTO wie auch in zahlreichen bilateralen Verhandlungen zu Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay, aber auch mit Mexiko, Indonesien, den Philippinen, Indien oder Myanmar."
Pirmin Spiegel, Misereor
Zu den potenziellen Auswirkungen des Freihandelsabkommen zwischen EU und Mercosur hat die Organisation soeben eine Studie veröffentlicht, in der auch verschiedene Risiken für deutsche Bauern aufgelistet werden. Zum Beispiel könnten lateinamerikanische Exporte von Rindfleisch, Zuckerrohr, Soja und Ethanol durch das Abkommen in die EU weiter zunehmen.
Das würde zum einen in den Herkunftsländern die Konzentration des Wohlstands in den Händen der Großgrundbesitzer sowie ökologische Verheerungen wie Entwaldung, Monokulturen und Pestizideinsatz verstärken und zum anderen hierzulande den Konkurrenzdruck für Landwirte erhöhen. Deren Existenz sei ohnehin schon aufgrund niedriger und stark schwankender Preise für Milch und Fleisch gefährdet.