Wahlausgang in Spanien schafft Hoffnung für Umweltschützer

Das Atomlager steht vor dem Aus, es wackeln Fracking-Projekte und die geplante erneute Inbetriebnahme des Uralt-Atomkraftwerks

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Das umstrittene geplante "Zentrale Atomare Zwischenlagers" (ATC) in Spanien wird nach dem Ausgang der Regional- und Kommunalwahlen vermutlich nicht mehr weiter gebaut. Die Triebfeder gegen den Widerstand in der Region war die in Spanien und im zentralspanischen Kastilien-La Mancha regierende konservative Volkspartei (PP). Und die hat, wie fast überall bei den Wahlen in 13 von 17 Regionen (Bundesländern ähnlich), auch in dieser Region die Mehrheit verloren. Und das dürfte der endgültige Todesstoß für das umstrittene Atomlager Villar de Cañas sein, wo Spanien eigentlich schon seit 2011 damit beginnen wollte, etwa 6700 Tonnen hoch radioaktiven Müll für 60 Jahre sicher zu lagern.

Wegen großer Probleme am Standort hatten sich sogar die konservativen Parteifreunde in der Zentralregierung gegen die bisherige Regionalpräsidentin und PP-Generalsekretärin María Dolores de Cospedal gestellt. Die Arbeiten für die nächste Baustufe des ATC wurden im Februar nicht zugewiesen. Das Industrieministerium begründet das mit "gesundem Menschenverstand", da die Eignung des Standorts infrage steht. Das führte zum Rücktritt des Chefs des "Nationalen Unternehmens für Radioaktive Abfälle" (Enresa). Denn Francisco Gil‑Ortega wollte neue Gutachten der Atomsicherheitsbehörde (CSN) nicht abwarten und schnell die Arbeiten zuweisen.

Dass die Gegend beim tristen Dorf, etwa 130 Kilometer südlich der Hauptstadt Madrid gelegen, vermutlich ungeeignet ist, wurde bei Arbeiten am Fundament längst klar. Schon die Kosten dafür schossen durch die Decke. Man stieß immer wieder auf Wasser. Zudem hatten die Gegner immer wieder erklärt, dass es sich um Überflutungsflächen handelt. Gutachten hatten die Eignung wegen der durchlässigen Unterschicht und "unterirdischen Quellen" angezweifelt und wurden von der Regionalregierung zum Teil unter Verschluss gehalten. Aufwendig wird schon jetzt mit Drainagen zu verhindern versucht, dass das Standort nicht ständig mit Wasser vollläuft und eine reich gedeckte Tafel für Störche bietet.

Da vermutlich der Sozialist (PSOE) Emiliano García-Page die Region nun mit Duldung oder Unterstützung der Empörten-Partei "Podemos" regieren wird, fällt nun auch die politische Unterstützung aus der Region weg. Die PSOE unterzeichnete mit Podemos und vier weiteren Parteien ein Manifest, worin sie sich verpflichteten, "alle möglichen legalen Schritte zu unternehmen, um das ATC-Projekt definitiv zu stoppen". García-Page machte im Wahlkampf seine Opposition zum Atomlager deutlich, das "keinen Reichtum in unsere Region bringt". Die PP hatte eine Gesamtinvestition von fast einer Milliarde Euro und viele Arbeitsplätze versprochen. Allerdings wird angesichts der bisherigen Probleme geschätzt, dass sich die Kosten auch leicht verdreifachen könnten.

Obwohl die Zustimmung der Regionalregierung eine Prämisse für die Auswahl des Standorts war und große Zweifel an seiner Eignung bestehen, hofft der Bürgermeister des Dorfs weiter auf eine Umsetzung. José María Sáiz verweist auch darauf, dass schließlich schon 70 Millionen Euro verbaut worden seien. Doch die Wahlen zeigten, dass die PP spanienweit 2,5 Millionen Stimmen verloren hat und nur noch auf 27% kam. Experten vermuten, dass sie im Herbst auch die Parlamentswahlen verliert. Die Chancen auf eine Umsetzung des ATC verringern sich damit weiter.

Dass die PP die Region nicht mehr regieren kann, hatte auch mit der Angst vor dem Lager zu tun, dessen Flächen bei einem Hochwasser schon einmal komplett überflutet waren. Es war auch nicht förderlich, dass der Ehemann der Regionalpräsidentin sich ein Stück vom Kuchen beim Bau des Lagers abschneiden konnte. Dass das Epizentrum eines mit der Stärke 5,2 relativ starken Erdbebens Ende Februar nur 100 Kilometer vom geplanten Atomlager entfernt lag, trug auch nicht zur Beruhigung in der Region bei.

Dieses Beben hat auch die Fracking-Ängste geschürt. Dabei hatte es nichts mit der Öl- und Gasförderung durch das umstrittene "Hydraulic Fracturing" zu tun. Denn die Firma Oil and Gas Capital verfügt zwar seit 2012 über Genehmigungen der Regionalregierung in der Umgebung des Epizentrums, hat aber noch nicht mit der Arbeit begonnen. Dass die Technik zu seismischen Aktivitäten führen oder sie verstärken kann, bestreitet praktisch niemand mehr.

Aus für das älteste AKW?

Die Umweltbewegung hofft auch, dass das älteste Atomkraftwerk im nordspanischen Santa Maria de Garoña nicht erneut ans Netz geht, dessen Strom ohnehin mehr als überflüssig ist. Es befindet sich in der Region Kastilien und Leon. Auch dort hat die PP ihre Mehrheit verloren, kann aber vermutlich weiterregieren. Mit ihr betreibt vor allem die Zentralregierung die Weiteraufnahme der Produktion eines Reaktors, der mit den havarierten im japanischen Fukushima baugleich ist. Die Betreiber hatten ihn abgeschaltet, eine Laufzeitverlängerung 2012 nicht mehr beantragt, weil er unwirtschaftlich ist und teuer nachgerüstet werden müsste.

Doch die Regierung versuchte die mit Vergünstigungen zu ködern. Doch der absehbare Verlust der Macht der PP im November dürfte sie eher abschrecken. Die Sozialisten hatten einst zwar die Laufzeit gegen alle Wahlversprechen über die vorgesehenen 40 Jahre um zwei Jahre hinaus verlängert, aber damit war die definitive Abschaltung 2013 verbunden. Sie setzen wie Podemos auf den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien, der in den vier Jahren der PP-Regierung stagnierte und dem Land viele Streitigkeiten vor nationalen und internationalen Gerichten einbrachte, die noch sehr teuer werden können. Erst kurz vor den Wahlen am vergangenen Sonntag wurden von ihr wieder neue Anlagen genehmigt.