Wie weit trägt Gehirnjogging?
Eine im Fachblatt Nature erschienene Studie bezweifelt den Wert von Gedächtnistraining. Dabei ist es durchaus möglich, sein Gehirn zu trimmen.
Millionen von Menschen versuchen, ihr Denkvermögen mit Gedächtnistraining und Computerspielen auf Trab zu halten und auszubauen. Britische Wissenschaftler haben nun im Auftrag der BBC die Leistungssteigerung von über 11.000 Teilnehmern einer Internetstudie kontrolliert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Gehirntraining nicht generell die geistige Kapazität steigert.
Obwohl diese Erkenntnis nicht neu ist, rauscht es im Medienwald. Wieder einmal lohnt ein genauerer Blick auf die Studie, um deren Relevanz und Aussagekraft einordnen zu können.
Die Probanden absolvierten über sechs Wochen hinweg online mindestens drei Mal pro Woche für mindestens zehn Minuten kognitive Übungen. Dabei wurden sie in drei Gruppen eingeteilt. Die erste trainierte logisches Denken, Planen und Problemlösungsverhalten mit Hilfe populärer Gehirnjogging-Programme. Die zweite schulte in Videospielen Kurzzeitgedächtnis, Aufmerksamkeit, das Verarbeiten räumlicher Eindrücke und mathematische Fertigkeiten. Die Aufgaben lassen sich auf der Website der BBC spielen. Die dritte Gruppe diente zum Vergleich, ihre Mitglieder bekamen einfache Suchaufgaben für das Surfen im Internet.
Nach sechs Wochen stellte sich heraus, dass die Teilnehmer zwar besser in dem geworden waren, was sie trainiert hatten. Die allgemeine geistige Leistungsfähigkeit hatte sich allerdings nicht gesteigert, wie die Wissenschaftler in Nature nun berichten. Man hatte dies mit Hilfe von vier Benchmarking-Tests gemessen, die in der Kognitionswissenschaft üblich sind.
Reichte die Zeit aus, um das Gehirn überhaupt vernünftig zu trainieren? Der in diesem Fall nicht ganz unabhängige Neurowissenschaftler und Firmengründer Torkel Klingberg spricht in der TIME davon, dass insgesamt nur drei Stunden geübt wurde. Das sei zu wenig, nötig seien zwischen acht und 12 Stunden. Zudem sei die Studie nicht unter kontrollierten Bedingungen abgelaufen. Da die Teilnehmer zu Hause gesessen hätten, seien Ablenkungen durch beispielsweise Hintergrundgeräusche möglich. Klingberg ist Mitautor einer der wenigen Studien, die Transfereffekte von Trainingsprogrammen bei Kindern herausgefunden haben will. Er hält den Autoren der Nature-Studie vor, unzulässigerweise von ihrem Einzelfall auf alle Gehirntraining-Programme zu schließen.
Die Kernfrage bleibt: Schiebt Gehirnjogging Transferleistungen zwischen kognitiven Bereichen an? Anders formuliert: Hilft Gehirntraining generell oder ausschließlich in dem geübten Aufgabenbereich? Findet jemand, der Telefonnummern auswendig lernt, später auch seine Autoschlüssel schneller wieder? So wie es aussieht, eher nicht.
Das heißt aber keinesfalls, dass Hirntraining gänzlich nutzlos ist. Gerade für ältere Menschen (60+) existieren Studien ( 1, 2), die zeigen, dass Knobeleien auch positive Wirkungen auf den Gesamtzustand des Geistes haben können. Zudem hat Susanne M. Jaeggi von der Universität Michigan vor zwei Jahren ein Trainingsprogramm veröffentlicht, das durchaus in der Lage scheint, die Fähigkeiten in anderen Bereichen als den geübten zu schärfen und das Arbeitsgedächtnis allgemeine zu verbessern.
Das Problem ist: Die auf dem Markt befindlichen Programme versprechen Elefantengedächtnis für alle, dabei sind gerade sie nur sehr eingeschränkt in der Lage, Transferleistungen anzuschieben.
Die Frage ist weniger, ob Gehirntraining funktioniert. Das tut es. Die Frage ist: Für wen und in welchem Bereich? Ein nächster Schritt wäre, man ahnt es, eine neue Studie, die alle Altersgruppen einschließt und die verschiedenen Aufgabenstellungen aus den bisherigen Studien vergleicht.