Geheim tagender Neunerrat zur Eurorettung weitgehend verfassungswidrig

Das Parlament darf demokratische Kontrollrechte nicht beliebig aufgeben

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Euro und die Demokratie passen offenbar nur bedingt zusammen. Nicht nur in Griechenland, wo Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble eine Aussetzung von Wahlen empfiehlt, sondern auch in Deutschland. Das befand das Bundesverfassungsgericht in einer heute Vormittag verkündeten Entscheidung zu dem neunköpfigen Gremium, das dem Willen der Eliten in den etablierten Parteien nach zukünftig anstelle des Parlaments über den Euro-Rettungsschirm EFSF entscheiden sollte (Az: 2 BvE 8/11). Bis auf einen einzigen Punkt ist die Übertragung von Kompetenzen auf diesen geheim tagenden Rat nämlich verfassungswidrig.

Dieser Befund kommt insofern nicht ganz überraschend, als der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts die für "Fälle besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit" vorgesehene und bei "Notmaßnahmen zur Verhinderung von Ansteckungsgefahren" zum Regelfall erklärte Kompetenzübertragung bereits im Herbst vorläufig ausgesetzt hatte. Eine Aussetzung, deren Berechtigung die Karlsruher Richter nun bestätigten - denn lediglich für den Kauf von Staatsanleihen wäre die Übertragung von Entscheidungskompetenzen auf den Neunerrat mit dem Grundgesetz vereinbar.

Die "haushaltspolitischen Gesamtverantwortung" hat nämlich der Bundestag – und der kann sie nicht nach Belieben an intransparent agierende Kleinstgremien abgeben, die die Mehrheitsverhältnisse nur unzureichend wiedergeben. Dies hängt auch damit zusammen, dass unterschiedlichen Meinungen innerhalb der Parteien gerade in der Euro-Frage besonders gut sichtbar werden, etwa bei Peter Gauweiler oder im Schäffler-Flügel der FDP.

Eine Übertragung schneller Entscheidungen auf Sondergremien schließen die Karlsruher Richter zwar nicht grundsätzlich aus, allerdings müssen diese dafür grundlegend anders gestaltet sein als der Neunerrat. Nun wird erwartet, dass Union, FDP und SPD einen weiteren Übertragungsversuch mit einem etwas größeren Gremium unternehmen und sich damit nach und nach einer gerade noch grundgesetzkonformen Lösung annähern.